Lars Ruppel durfte ich bereits live und mich Kuchen erleben. Eigentlich erstaunlich, dass es so lang gebraucht hat, bis ich das zugehörige Buch gelesen habe. Wobei lesen das falsche Wort ist. Und in der nächsten Woche folgt dann Arrow Staffel 4. 😉

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Inhalt lt. amazon.de

Zehn erzählende Gedichte geben den Akteuren bekannter deutscher Redensarten ein Gesicht und eine Geschichte. Eine poetisch-anarchistische Tour de Force, höchst unterhaltsam und famos gereimt! Der wahrscheinlich abwegigste Gedichtzyklus der Literaturgeschichte endlich in Buchform! Lars Ruppels Poesie kommt daher wie Ringelnatz in Baggy Pants, wie Heinz Erhardt in Lederjacke, wie ein Feuilletonist auf Speed auf einem Scooter-Konzert. In Ruppels Gedichten verbindet sich die unverbindlichsaloppe Art der Poetry-Slam-Kultur mit Elementen der Klassik, auch wenn er die selbst gar nicht benennen könnte. Ruppel dichtet so kunstvoll wie heutig, aber stets handwerklich exakt und erfindet herrlich absurde Geschichten hinter altbekannten Redensarten. Wer weiß denn schon, wer der »liebe Herr Gesangsverein« war, was Herr Specht nicht schlecht machte oder Schmitz Katze im Schilde führt? Die seit 2010 in loser Folge entstandenen Erzählungen in Reimform erscheinen nun erstmals gedruckt als Buch, filigran illustriert vom Berliner Grafiker Eyke-Sören Röhrs. Ein perfektes Geschenkbuch für alle Sprachverliebten.

 

Lars Ruppel und die Dichtung

Lars Ruppel ist mir als Poetry Slammer ein Begriff. Wenn ich Langeweile habe und auf Youtube lande, beginne ich irgendwann, mir Kabarett-Clips anzuschauen und Poetry-Slam-Performances zu betrachten. Lars Ruppels „Liebe Julia“ ist dabei immer ein fester Programmpunkt solcher Sessions.

Auch darüber hinaus hat er mir bei der Lesung imponiert, nicht nur wegen seiner unglaublich lockeren, witzigen und entspannten Art auf der Bühne, sondern weil er jenseits der Bühne genau so ist. Lars Ruppel gehört zu den Menschen, die mir Poesie offenbar nahebringen können. Und er hat über Dichtung etwas sehr Wichtiges gesagt:

Bei einem Gedicht gehe es nicht ums Lesen, es geht um die Performance. Ein Gedicht wirkt am Besten, wenn man es nicht liest, sondern vorliest. Am Besten mit Gestik und Mimik. Ich nahm es mir zu Herzen, als ich endlich nach „Holger, die Waldfee“ griff. Ich stellte mich vor einen Spiegel … Und begann dann, hin und her zu laufen, weil ich mich nicht die ganze Zeit über im Spiegel betrachten wollte. Aber ich las mir die Gedichte vor. Ich wechselte zwischen leisem Murmeln, normalem und lautem Vorlesen, ich probierte es auch aus, sie nur gedanklich auszusprechen, die Silben, die er gedrechselt hat.

Wie die Teile eines Witzes
miteinander reagieren,
bis am Ende des Prozesses
die Pointen resultieren.

(Heide Witzka, S. 78)

Letzteres funktionierte nicht so gut. Das verführte mich zum Querlesen. Also las ich mir wieder selbst vor. Ich variierte nicht nur die Lautstärke, auch die Geschwindigkeit, las einzelne Strophen noch einmal um verschiedene Betonungen auszuprobieren. Kurz, ich war begeistert. Über weite Strecken. Hin und wieder holperte es. Und das Holpern wollte auch nicht weichen, wenn ich es noch einmal anders probierte. Dann begann ich glatt zu überlegen, wie man den entsprechenden Vers vielleicht anders formulieren könnte. Mir fiel aber nichts ein. Ich beschloss, dass das Holpern Absicht sein müsste.

der Götter Augenlicht zu blenden
mit unrasierten Männerlenden
und einer Axt in seinen Händen
die Zeremonie zu beenden.

(Alter Schwede, S. 52)

 

10 Gedichte voller Überraschung

Poetry Slam ist eher Comedy als Kabarett. Die Slam-Texte, die mir am besten gefallen, sind durch die Bank weg Alltags-Beobachtungen oder Anekdoten, die wie „Liebe Julia“ dann in epische Länge und absurde Höhen getrieben werden. Dementsprechend ging ich auch an die 10 Gedichte heran, die Lars Ruppel über Redensarten schrieb, den Herrn Gesangsverein, Heide Witzka und die namensgebende Waldfee namens Holger.

Lars Ruppel hat Lust am Spielen mit Sprache, das zeigen schon die Titel an. Und was ein guter Dichter ist, muss wahrscheinlich auch ein spielerisches Verhältnis zur deutschen Sprache haben, um sein Publikum zu unterhalten und zu überraschen. Ich stellte mich also beim Lesen auf Sprachkapriolen und Alltagsgeschichten ein. Ich wurde positiv enttäuscht.

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Die Geschichten sind in der Tat Alltagsgeschichten. Aber absurder Alltagsgeschichten. Holger, die Waldfee erzählt vom Leben im Wald, der einem Dorf oder einer Kleinstadt gleicht, in der am frühen Morgen erwacht wird, an dem das Leben langsam in die Gassen oder eben den Wald strömt. Zugleich ist es herrlich absurd. Waldfeen heißen schließlich Tinkerbell, meinetwegen auch noch Glöckchen, aber nicht Holger.

So weit war das erwartbar. Was mich verblüfft hat war, dass Lars Ruppel nicht beim komisch-absurden stehen bleibt, sondern die Nähe zum Kabarett sucht. Prototypisch dafür steht „Donnerlittchen“, das die Geschichte zweier Firmen erzählt, die Gewitter produzieren. So harmlos Ruppels Gedichte beginnen, so ätzend werden sie am Ende, wenn sie Sozialkritik betreiben … Und dennoch zum (bitteren) Lachen des Kabaretts einladen. Das wirkt stellenweise zwar wie der berüchtigte Holzhammer, entfaltet seine Wirkung aber gerade deshalb, weil ich es nicht erwartet habe.

bis nichts mehr davon übrig blieb,
was mal als Traditionsbetrieb
für bestes schlechtes Wetter stand;
nur Geld in Aktionärenhand

(Donnerlittchen, S. 71)

 

Fazit

Es macht Spaß, Texte von Menschen zu lesen, die man kennt und deren Texte man mag. Im Falle von Lars Ruppel mag ich seine Texte, weil er locker und zugleich kunstvolle mit der deutschen Sprache spielt, eine feine Beobachtungsgabe und viel Humor besitzt.

Sich selbst die Texte vorzulesen macht vielleicht nicht ganz so viel Spaß wie sie vorgelesen zu bekommen. Aber es erlaubt, im Lesen seine eigene Interpretation des Textes zu finden, Dinge auszuprobieren und zu variieren. Der Gedichtband ist damit, wenn die Gedichte gefallen, eine Einladung, mit der eigenen Sprache zu experimentieren.

Wenn der Verfasser dann noch mit überraschenden Inhalten aufwartet, wird das Büchlein großartig. Lars Ruppels Sprichwort-Gedichte kann ich euch nur wärmstens ans Herz legen.

10 Kommentare zu „Gedichte! Besprechung: Lars Ruppel – Holger, die Waldfee

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