Ich versuche es heute einmal mit drei Büchern in einem Beitrag. Zwei Bücher zusammen bilden nämlich eine Geschichte und das dritte Buch passt auch irgendwie dazu. Und vielleicht erzeugen die drei Bücher gemeinsam ein Mindestmaß an Interesse, um das Verfassen des Artikels zu rechtfertigen. Außerdem habe ich Nerdwochen, da passt diese Besprechung ohnehin formidabel.
Es geht um Star Trek. Genau genommen geht es darum, warum Khan, der Gegenspieler Kirks in der Folge „Der schlafende Tiger“ und im Film „Der Zorn des Khan“ eigentlich zu Bett geschickt wurde und was ihn so zornig macht (Gerüchtehalber gab es einen zweiten Kinofilm mit der Figur, kann ich mich aber PARTOUT nicht dran erinnern). Die Eugenischen Kriege – Der Aufstieg und Fall des Khan Noonien Singh erzählt in zwei Bänden genau das, was der Titel verspricht: Er liefert die Geschichte des Lebens von Khan, dem genetisch aufgewerteten Super-Menschen. Von der Vorgeschichte über seine Entstehung, über seine Machtergreifung bis zu seinem Untergang erzählt Greg Cox eine clevere Geschichte und schließt für Fans einige Lücken, insbesondere diese: In der Star Trek Zeitlinie fällt die Einordnung der Eugenischen Kriege schwer, weil die Serie unterschiedliche Informationen dazu bietet und zu allem Überfluss unsere Realität in diesem Punkt die Star Trek Realität eingeholt hat. Dem Canon nach spielen sie irgendwann in den 1990er Jahren, zwischen Zweitem und Drittem Weltkrieg mit dem Dritten Weltkrieg als Folge der Eugenischen Kriege.
Greg Cox verfährt auf sehr elegante Art mit dem Canon-Wissen und unserer Realität, indem er Möglichkeitsräume auslotet. Seine Eugenischen Kriege sind, dies sei verraten, kein „klassischer“ aber dennoch ein erbitterter Krieg. Er versucht, unsere Welt mit den Fakten von Star Trek zu vereinen. Und dies gelingt ihm ganz famos. Khan wird zur im Hintergrund agierenden grauen Eminenz der Weltgeschichte. Für Star Trek Fans bietet er darüber hinaus auch ein Wiedersehen mit Gary Seven und Isis, für Nicht-Trekkies ist der Roman dennoch eine interessante Science-Fiction-Geschichte (auch wenn Kirk und die Enterprise am Rande – und dennoch wichtig für die Geschichte auftauchen). Denn die Figur Khans stellt Fragen nach dem Ethos in der Wissenschaft: Bedeutet Eugenik Fortschritt oder ist sie ein Spiel mit dem Feuer, indem er in sein Menschsein so fundamental eingreift, dass er es preisgibt? In bester Tradition der originalen Serie stellt der Roman also eine ethische Frage.
Die Philosophie in Star Trek
Damit ist der Übergang zum zweiten Buch gelungen. Klaus Vieweg, Professor für klassische deutsche Philosophie an der Universität Jena, lotet den ethischen Gehalt der originalen Serie aus. Wie er an einer Stelle richtig bemerkt, werden ethische Fragen vor Allem in The Next Generation von den Figuren selbst verhandelt. Aber auch Star Trek bietet, als Gesellschaftskritik und utopischer Entwurf, reichlich philosophischen Stoff, der zum Nachdenken einlädt.
Begleitet wird er dafür von seinem Buddy Hegel und seiner Tochter Olivia Vieweg, ihres Zeichens Comiczeichnerin. Wo ihr Vater das Tiefschürfende zu besorgen versucht, kümmert sie sich um das Leichte. Um ein wesentliches Fazit vorweg zu nehmen: Ihre Zeichnungen sind manchmal pointierter als die Ausführungen des Textes. Die Zeichnungen sind schön anzuschauen, lockern an mancher Stelle den Text bloß auf, sind an vieler Stelle aber ein schöner Kommentar auf die Erklärungen ihres Vaters (wenn bspw. trotzige Klingonen herumstehen).
Inhalt lt. Verlagshomepage
In kurzen Essays werden philosophische Fragen behandelt, die in der Star Trek Originalserie thematisiert werden. Ist Spocks Ansicht, dass das Wohl vieler schwerer wiegt, als das Wohl eines einzelnen, der richtige (logische) Weg? Anhand verschiedener Episoden der Originalserie werden Themengebiete bearbeitet, wie die Balance zwischen „Gut und Böse“ , ob der Mensch tatsächlich immer im Zentrum stehen muss, ob die „neuen Wege in der Kriegsführung“ wirklich ein echter Fortschritt sind oder McCoys Angst vor dem Beamen. [Anm. Zeilenende: Zum Körper-Geist-Problem, also der Sache mit dem Angst vor dem Beamen, sagt das Buch nichts.]
Stil
Klaus Vieweg hat zweifelsfrei Spaß am Formulieren. Dabei schießt er allerdings manchmal über das Ziel hinaus. Die Tatsache, dass die Crew der Enterprise im wesentlichen aus den sieben Figuren Kirk, Spock, Pille, Scotty, Uhura, Sulu und Chekov besteht, nimmt er zum Anlass, uns mit Attributen wie „Die glorreichen Sieben auf der Brücke, die sieben Zwerge auf dem Raumschiffriesen.“ zu erfreuen. Kein Erkenntnisgewinn, lediglich dick aufgetragene Spielerei oder, positiv formuliert, eine Verbeugung vor der Metapherntradition der Philosophie. Die Metapher ist in der Philosophie in der Tat ein hilfreiches Werkzeug, aber nur, wenn sie auch dazu benutzt wird, etwas zu erklären. In diesem Fall bläht sie aber nur den Text auf. Dies passiert leider an mancher Stelle und trübt damit die Erkenntnis mehr als dass es sie erhellt. Ebenso verfährt er an anderen Stellen: Da werden Begriffe erfunden (Trekkianer statt Trekkie) oder zeilenlange Aufzählungen, die einen Gedanken illustrieren, den man bereits verstanden hat:
Jede Herabsetzung oder Diskriminierung eines Willenssubjekts und damit seines Rechts als allgemeine Person aufgrund einer spezifischen Besonderheit […] bedroht und beschädigt massiv die Grundfesten einer freiheitlichen Ordnung.
In der Auslassung finden zehn(!) Zeilen dieser spezifischen Besonderheiten Platz wie Frau oder Mann, oder auch Unternehmer oder Arbeiter, ja sogar Kantianer oder Hegelianer. An verschiedener Stelle neigt der Autor zu diesem überbordenden Stil, zum Labern, wenn man so will. An vielen Stellen wäre weniger mehr gewesen, um den Lesefluss nicht zu stören. Wer mit dem Satz ohne Beispiele nichts anfangen kann, hat ihn letztlich nach den klassischen Beispielen race, class, gender verstanden.
Philosophie
Das Buch kündigt an, den philosophischen Gehalt von Star Trek zu diskutieren, zu reflektieren und unter Zuhilfenahme insbesondere von Hegel zu klären. Was dem Buch insgesamt gelingt, ist zumindest eine Darstellung des philosophischen Gehalts von Star Trek. Die Darstellung von Ideen wie Gleichheit, Toleranz und Freiheit in Star Trek werden erläutert und in Abgrenzung zu den Gegnern innerhalb der Originalserie als wünschenswerte Zukunftsvision diskutiert.
Der Problematisierungsaspekt kommt durch diesen affirmativen Zugang manchmal zu kurz, kommt aber auch vor. Vieweg verwendet einige Zeit darauf, die Frage nach dem Recht aufs Lügen zu problematisieren. In Star Trek scheint die Lüge in gewissen Situationen legitim zu sein. Kant würde die Lügner in Star Trek – so Vieweg – als unmoralisch brandmarken und bietet eine andere Lesart der jeweiligen Situationen an (Dass er Kant dabei m. E. missversteht, sei dahingestellt). Er zeigt bspw. auf, dass man vor dem Gericht eines Unrechtsstaates nicht lügt, wenn man nicht die Wahrheit sagt, indem er eine Situation des Ausnahmezustands annimmt.
Insgesamt systematisiert Vieweg damit die philosophischen Gedanken von Star Trek (auch die Überlegungen zur Eugenik, die Grundlage für die beiden Romane oben bildet) so, dass die Zusammenhänge deutlich werden und verbeugt sich zugleich vor dem utopischen Denkgebäude Gene Roddenberrys. Den Rückgriff auf die philosophische Tradition, den er an vieler Stelle vollzieht, braucht es aber nicht. Hegels Gedanken machen die philosophischen Gedanken von Star Trek über weite Strecken des Buches nicht verständlicher, so wie umgekehrt Star Trek keine wesentlich neue Perspektive auf Hegels Gedanken erlauben. Beide stehen mehr oder weniger nebeneinander, dienen jeweils als Sprungbrett, um sich mit dem anderen Thema zu befassen, nach dem Motto: „In Star Trek wird das Thema X behandelt, dazu hat Hegel auch etwas gesagt“ und umgekehrt „Bei Hegel finden sich einige Andeutungen zum Thema Y und auch Star Trek hat dazu etwas gezeigt.“
Fazit
Klaus Vieweg bietet einen Einstieg in die Frage, welchen philosophischen Gehalt Star Trek bietet. Die Serie wird als positive Gesellschaftsutopie erklärt und die wesentlichen Momente dieser Utopie werden in kurzen, nicht übermäßig komplexen Essays dargestellt. Gleichzeitig erfährt man etwas über die philosophische Theorie Hegels, ein wenig lernt man auch über Aristoteles.
Wer sich schon immer gefragt hat, was Science Fiction und insbesondere Star Trek so faszinierend macht, dass die Serie auch 50 Jahre nach ihrer Entstehung noch so treue Anhänger hat, wird in diesem Buch die ein oder andere Antwort finden. Wer die Serie schon kennt und sie liebt, wird vielleicht verstehen, warum er sie so liebt. Wenn er es nicht ohnehin schon weiß. Dem „fortgeschrittenen“ Fan bietet das Buch damit wenig Neues. Aber das muss es ja auch nicht.
Ich staune, mit was Bücher sich so befassen können 🙂 Jedes Mal, wenn du was über Star Trek schreibst, frage ich mich, ob ich da vielleicht nicht doch mal rein schauen will. Bin dann allerdings von der Menge an Material erschlagen und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Schreib doch mal
was zu „Star Trek für Anfänger“ 😄
LikeGefällt 3 Personen
Ich staune da auch immer … Aber Star Trek und Star Wars sind mit all dem, was es da drumherum gibt, echte Phänomene. Und Dauerläufer.
LikeGefällt 1 Person
Das stimmt. Und mit Doctor Who vielleicht unerreicht. Logisch kann ich es mir auch als Betroffener nur partiell erklären. Es ist einfach … magisch.
LikeGefällt 1 Person
Star Trek für Anfänger. Hmmm … Bekenntnisse eines Fanboys. Das ist mit meiner Obsession für die Originalserie wohl ein wenig speziell. Aber ich könnte was draus machen.
Oh … und ich muss mich entschuldigen, dass gestern doch Hobbits vorkamen. Hatte ich verdrängt. Aber es war immerhin nicht der Film
LikeGefällt 1 Person
Star Trek und Star Wars enthalten viele philosophische Anhaltspunkte bzw. Fragezeichen deshalb sind sie wohl auch so beliebt.
LikeLike
Das ist wohl ein Teil der Wahrheit. Aber philosophisch anspruchsvoll waren auch Filme, die nicht so einen Impact hatten. Aber was soll es. Ich bin froh, dass es so erfolgreich ist. 🙂
LikeGefällt 1 Person