Der gute solera schlug mir vor, ich solle mein Glück mal mit dem Fiktionalen versuchen, als er meine Szenarien las, was passieren würde, wenn Außerirdische auf der Erde landen und sowohl die Technologie als auch das Potential hätten, eine friedliche Welt aus unserer guten alten Erde zu machen. Ür alle, die es nicht in Langform lesen wollen: Es würde, egal wie, außer in der realistischen Version, ein humorvolles Debakel, in der realiatischen ein deprimierendes Debakel werden.
Also gut, kreatives Schreiben. Ich habe da mal was zu gelesen, ich habe sogar mal ein Seminar dazu besucht. Gut, das Seminar widmete sich der Frage von Einsatzmöglichkeiten im Schulunterricht jenseits von Deutsch. Durchaus ein spannendes Thema und zumindest im Geschichtsunterricht anwendbar, aber nicht hilfreich, wenn man selbst eine Geschichte verfassen möchte.
Die Bestandsaufnahme macht aber immerhin Hoffnung: Ich kenne ein paar Übungen. Ich bringe sogar noch mehr Qualifikationen mit, war ich doch 15 Jahre lang passionierter Rollenspieler, sowohl Pen and Paper als auch Internet, Forum wie Chat, Science Fiction wie Fantasy. Ich kann Charaktere entwerfen, ich kann mich in sie hineinversetzen, ich kann ihr Denken und Handeln schildern und ich kann ihnen auch Entwicklung geben. Ich habe einige Charaktere immerhin jahrelang begleitet, mich mit ihnen unterhalten und bin oftmals von ihnen überrascht worden.
Defizitär ist meine Fähigkeit, Storys zu entwickeln, die hatten oft einen Hang ins Klamaukige oder Intellektualistische. Entweder habe ich die Handlung über- oder unterfordert. Auch meine Welten sind eher stereotyp. Das zweite Defizit ist, dass ich nach der Charakterentwicklung mit meinen Charakteren nie allein war, sondern sie natürlich durch die Interaktion mit den Charakteren anderer Spieler erst richtig zu leben begonnen haben.
Insgesamt könnte man also sagen, dass ich ganz brauchbare Anlagen mitbringe. Ich könnte einen Charakter entwickeln, mir ein grobes Setting überlegen und ein Szenario, das ich erzählen möchte, bspw. eines mit den Außerirdischen. Dann könnte ich munter drauf los schreiben und mal gucken, wo ich so lande. Aber mal ehrlich … Glaubt ihr, ich würde so viel schreiben, wenn ich das getan hätte? Mehr noch: Könnt ihr euch ernsthaft vorstellen, dass der gute Zeilenende das so angeht?
Neinnein, ich will wissen, worauf ich mich einlasse. Dafür brauche ich gründliche Recherche, Vorab-Information und Anleitung. Ich habe sogar die Bedienungsanleitung meines Wasserkochers vor der ersten Inbetriebnahme gründlich und in mehreren Sprachen (Okay, auf niederländisch nur, weil ich mich an der fremden und doch vertrauten Sprache erfreue) studiert. Und wenn ich irgendwo mit Übernachtung hinfahre, schreibe ich mir einen Zettel mit Dingen, die ich mitnehme. Und wenn da nur „Schlüpfer, Buch, Kaugummi, Frischhaltefolie“ draufstünde, ich würde diese Liste schreiben und alles abhaken, was ich eingepackt habe, nur um am Ende noch einmal alles zu kontrollieren und die Häkchen auch abzuhaken. So ist es dazu gekommen:
Wie gut, dass ich in einer Bibliothek arbeige, gell? Ich habe eine kleine Auswahl an neu aussehenden Büchern aus den beiden maßgeblichen Gruppen O und P genommen, weil für mehr kein Platz im Rucksack war und mich die Genreanleitungen zu Krimi, Leichenpredigt und Geschäftsbrief (die modernen Märchen) auch nicht sonderlich reizten. Einfavh anfangen kann ich nicht. Ich kenne mich zu gut, dann verzettele ich mich schnell und verliere mich in meinen Gedanken. Am Ende habe ich fünf Romananfänge und die Enden für elf philosophische Traktate, außerdem den dritten Akt eines Dramas verfasst. Vielleicht nicht schlecht, um anzufangen und dann auf etwas aufzubauen, aber so funktioniert das bei mir nicht. Ich muss sowas bis zum Ende bringen, sonst bin ich schlecht gelaunt. Also lese ich erstmal und mache einen Plan. Im Dschungel meiner Gedanken hqbeich nämlich gern eine Landkarte dabei, bevor ich irgendwo kurz hinter dem Wernickeareal laut um Hilfe schreien muss, weil ich über eine Gehirnwindung gestolpert bin, mich in einer Nervenfaser verheddert habe und da nur rauskomme, wenn ich einen Thriller (nervenzerfetzend … Höhö) schreibe oder mich eines unglaubwürdigen Drehbuchelements (Rote Materie, anyone?) bediene.
Hm, ich könnte jetzt eine Geschichte erzählen von einem, der sich selbst ein Fahrrad zusammenbauen wollte. Er kaufte Bücher mit Anleitungen, Einzelteile doppelt und dreifach, auf Flohmärkten und überall, lieh sich weitere Bücher mit Anleitungen, holte sich hier und da noch zusätzlichen Rat ein, plante und verwarf wieder, plante neu und verwarf erneut … und hat immer noch kein Rad gebaut.
Und die Moral von der Geschicht‘: Nur in der Theorie lernst du das Schreiben nicht. 😀
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Das hat sich gereimt und was sich reimt, ist immer gut. 🙂 Über zu wenig Schreibpraxis kann ich mich ja eigentlich nicht beklagen, 95% meiner Arbeit besteht auch aus der Textproduktion. Die Bücher brauch ich eher zur Selbstvergewisserung und um die Buchstaben gedanklich neu zu vernetzen. Derzeit klingt nämlich jeder meiner Texte, auch meine fiktionalen Versuche, die in einer abgeschlossenen Schublade liegen, alle irgendwie nach Bewerbungsschreiben. Da brauch ich ein wenig gedankliche „Korrektur“. Und dafür sind die Bücher gut. Ums mit deinem Fahrradbeispiel zu sagen: Ich baue momentan LKWs statt Radeln.
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Ich habe auch schon mehrere Bücher über das Schreiben gelesen, doch die Zeit fehlt einfach immer. Stattdessen verplempere ich sie lieber hier, um halbgare Kommentare unter diverse Blogeinträge zu setzen… 😉
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Achwas verplempern, das ist Muße und damit die höchste Kunst 🙂
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Danke für die Absolution, Don Zeilenende.
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