Dresscodes

Ich habe mich nicht verlaufen, der Titel suggeriert ja beinahe, dass wir uns zur Abwechslung mal wieder einer Gesellschaftskritik, nun im Gewande der Modekritik, widmen. Aber ich bin im Beschäftigungsendspurt für das Seniorenzentrum und all mein Alltagswahnsinn lässt nur wenig Platz für das Durchdringen irgendwelcher vermeintlicher Zeitenwenden, die sich am medialen Horizont auftun. Sinnigerweise kam ich auf das heutige Thema beim Frustshoppen über besagten Wahnsinn. Freut euch heute auf die ultimative Lobhudelei eines unterschätzten Kleidungsstücks: Der Cordhose.

Männerschmuck

Ich habe schon erwähnt, dass ich ein Faible für Silberschmuck habe, wiederhole es aber gern. Einbrecher, die es auf Gold abgesehen haben können sich einen Besuch bei mir also gleich sparen und diejenigen, die sich mit weniger zufrieden geben, auch, weil ich ein mittelloser junger Mann bin, der noch bei Mama wohnt und dessen Schmuckkästchen sehr überschaubar ist.
Ich musste mir ein wenig Frust von der Seele shoppen, weil sich an diesem Zustand im nächsten halben Jahr nicht sehr viel ändern wird und ich mal wieder Projekte durchführen darf, statt meine Projektarbeiten in die Bahnen eines festen Beschäftigungsverhältnisses lenken und dort bündeln zu können. Das war wegen knapper Mittel absehbar, frustrierend ist es dennoch. Mit der Besitzerin des neuen Juweliers im Nachbarort unterhielt ich mich dann eine Weile über Männermode. Sie berichtete, dass sie in den letzten Jahren verstärkt Schmuck an Männer verkauft, Bernsteinketten ein neuer Trend seien und auch der Ring zurückkommt, diesmal nicht als schmaler Reif am Finger oder schwerer Siegelring, sondern in der ganzen Breite, die bislang der Damenwelt vorbehalten war.
Wir kamen überein, dass dies daran liegen könnte, dass die Männermode nach wie vor großen Restriktionen unterworfen ist. Ab einem gewissen Repräsentanzlevel führt an Hemd, Anzug, Krawatte und wahlweise braunen oder schwarzen Schuhen kein Weg vorbei. Schmuck erlaubt es, kleine aber wirkungsvolle Akzente zu setzen.

Männermode

Wie ich die Damenwelt beneide. Männermode besteht im Wesentlichen in der Variation von Mustern und Stoffen. Das Oberteil lässt die Wahl zwischen Pullover, Hemd und T-Shirt, während es in der Damenabteilung allein 700 verschiedene Varianten des Tops gibt. Sicher gibt es unterschiedlich geschnittene Hemden, aber sie bleiben doch Hemden. Und das Halbarmhemd ist keine ernstzunehmende Alternative sondern sieht furchtbar aus. Lediglich das Kurzarmhemd lasse ich noch durchgehen.
Untenrum ist es noch trauriger. Die Dame hat immer die Wahl zwischen Hose und Rock, wenn sie nicht gleich zum Kleid greift. Insbesondere im Sommer bin ich hochgradig neidisch. Caprihose oder gar Shorts am Arbeitsplatz? ENTBLÖßTES MÄNNERBEIN? Ich weiß nicht, wieso es verpönt ist. Ich würde gern mehr davon sehen, zumindest wenn der Trend zum rasierten Unterschenkel wieder verschwunden ist. Ich war noch nicht so häufig an warmen Tagen bummeln, bin also derzeit nicht so ganz up to date.
Meine Chefin sieht die Hosenbeinlänge entspannt, je nachdem auf wen ich im Laufe meines Arbeitstages aus der restlichen Chefetage sonst so treffe, ziehe ich dann aber doch lieber die langbeinige Variante an. Ich würde auch gerne mal Rock tragen … So prinzipiell … Und ohne scheel angeschaut zu werden. Ich bin durchaus mutig, aber so mutig dann doch nicht.

Männerhosen

Shorts also nur in der Freizeit, okay. Kann ich mit leben. Wir haben ja noch die Möglichkeit, Stoffe und Farben zu variieren. Deshalb möchte ich hier eine Lanze für ein verpöntes Kleidungsstückes brechen, denn Mann macht es sich unnötig schwer. Stoffhose in grau oder schwarz, eventuell in marineblau oder braun, dazu Jeans in ordentlichem blau oder schwarz, das sind die beiden großen Alternativen. Kein Wort von der Leinenhose und insbesondere kein Wort von der besten Alternative: Der Cordhose. Die Cordhose findet sich seit gefühlten dreißig Jahren nur noch im Kleiderschrank von Oberinspektoren 50+, die ihren Wohlstand sichtbar vor sich hertragen und als Sichtschutz lediglich ein Hemd und ein Jackett mit Ärmelschonern davor zulassen. Dabei bietet die Cordhose alles: Sie sitzt bequem, sieht aber nicht schlabberig aus. Sie lässt Bewegungsfreiheit, wenn man viel laufen muss. Sie ist im Unterschied zur Jeans nicht steif und erlaubt es, sich auch acht Stundenlang an einem Schreibtisch wohlzufühlen. Es gibt sie in grob und fein, dick für den Winter und dünn für den Sommer. Sie ist beinahe unverwüstlich. Und am Wichtigsten: Die Cordhose gibt es im Unterschied zu den übrigen Herrenunterteilen in allen möglichen Farben. Neben mehr Mut zur Farbe, liebe Geschlechtsgenossen, fordere ich euch auf zu mehr Mut zur Cordhose! Damit macht ihr nicht nur nichts falsch sondern beinahe alles richtig. Ihr greift nur fehl, wenn ihr alternativ Rock trüget. 🙂

Zum Abschied ein Blick auf Zeilenendes Cordhosen: Die rote ist meine Hose für warme Tage aus Feincord. Die ehemals schwarze hat den Beweis erbracht, dass Cordhosen nicht unverwüstlich sind, als ich meterlang damit über Asphalt gerutscht bin und wird bei Gelegenheit ersetzt. Ähnliches gilt für die Grüne, die nicht im Bild ist.. Die ist nicht kaputt, sondern zu weit geworden und harrt ebenfalls auf Ersatz. Mittlerweile wohnt sie im Kleiderschrank von Herrn Zeilenende Sr. und schleudert gerade.

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6 Kommentare zu „Dresscodes

  1. Ich finde sie sehr, sehr gut. Mit karierten Blazer, very british!
    Es lebe der Spießer in mir.;-)
    Im Ernst, chic, der Gärtnergatte hat das Haus gerade in einer Feunrippcordhose in hellhellgrau verlassen…

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