Endlich mal ein Beitrag zu Doctor Who!

Ich habe zu meinem Entsetzen festgestellt, dass ich mich bislang nur ein einziges Mal ausführlich zu Doctor Who geäußert habe in diesem Blog, während Star Trek zumindest in Nebensätzen ständig vorkommt. Das ist ein Skandal. Deshalb gibt es heute meinen Rückblick auf die neunte Staffel und eine Ehrenrettung von Peter Capaldi.

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Anderwelt: Januar 2017

Anderwelt oder Anderswelt meinen in der keltischen Mythologie die Wohnorte mystischer Wesen. Blogger*innen sind mystische Wesen, deren Wohnort jenseits der gewöhnlichen Welt sind, nämlich im Netz. Ich finde diese Analogie schön. Und das Fugen-S in Anderswelt hässlich. Deshalb sammeln sich in der Anderwelt Blogbeiträge, die mir im vergangenen Monat besonders aufgefallen sind.

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John Scalzi: Redshirts

 

Inhalt lt. Verlagsseite

Fähnrich Andy Dahl heuert als Redshirt auf der Intrepid, dem Flaggschiff der Universal Union, an. Damit geht für den jungen Mann scheinbar ein Traum in Erfüllung. Bis er feststellt: Die Sterblichkeitsrate unter seinen Kollegen mit der roten Oberbekleidung auf Außeneinsätzen ist erschreckend hoch – und steigert sich noch, wenn ein Führungsoffizier mit dabei ist. Fest entschlossen, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, wagen sich Dahl und seine Kollegen dahin, wohin noch nie zuvor ein Mensch gegangen ist: In die Wartungsschächte der Intrepid …

Redshirts von John Scalzi
Quelle

Die Redshirts in Star Trek sind ein ewiges Mysterium. Sie kommen in Massen und sie sterben in Massen, vor allen Dingen in der Originalserie. Manchmal fragt man sich, wo der ganze Nachschub herkommt, vor allen Dingen, weil die Enterprise am Rande des erforschten Raumes operiert und die Versorgung mit neuen Crewmitgliedern eigentlich nicht so einfach ist.

Scalzi wechselt in seinem Roman die Perspektive, denn nun dürfen wir in das Innenleben dieser Figuren blicken. Und das ist erstaunlich reich. Und es geht ihnen genau so wie dem Zuschauer. Auch die Redshirts machen sich so ihre Gedanken, was um sie herum passiert. Sie kommen zu erschreckenden Erkenntnissen, auch wenn sie zunächst glauben, schlicht paranoid zu sein.

Der Autor erzählt damit eine amüsant-skurrile Geschichte. Gleichzeitig liefert er eine gelungene Parodie auf gängige Erzählklischees der TV-Science-Fiction ab. Doch der spannende Punkt, den er macht ist die Frage nach der Existenzweise von fiktiven Figuren. Was machen die eigentlich, wenn sie nicht zu sehen sind? Gibt es sie dann trotzdem?

Scalzi haut in eine ähnliche Kerbe wie Jasper Fforde, den ich für das Buchdate gelesen habe. Seine Überlegungen sind nicht nur herrlich komisch, sie sind auch tiefgründig. Das Problem ist: Ich würde gern so viel über dieses Buch schreiben, es durchreflektieren, erklären, warum es mir so viel Spaß macht … Aber dann würde ich den Lesegenuss entscheidend schmälern, weil es massiv spoilern würde.

Deshalb ist diese Besprechung so kurz und kommt ohne Inhalte aus. Es gilt ganz einfach: Wer Star Trek mag und auf Gedankenspiele zur Frage der Realität (quasi Matrix in humorvoll) steht, sollte unbedingt zugreifen.

Gruseln beim Lesen

Es ist Dienstag, es ist Allerheiligen, der Tag, wo der Toten gedacht wird. Also viel gruseliger als der gestrige Reformationstag. Día de los muertos zieht sich ohnehin vom Abend des 31. bis zum Ende von Allerseelen am 02.11. Von daher darf ich auch heute noch guten Gewissens Buchfresserchens Halloween-Frage beantworten: Mag ich Gruselbücher und was gefällt mir daran?

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Welches Buch darf es sein? [Buch-Date]

In der Auslosung zum Buch-Date habe ich alienaid zugesprochen bekommen. Sofort begannen meine Rädchen im Kopf zu rattern. Ich musste den ein oder anderen Ausflug in die Vergangenheit machen – und ich bedaure es ein wenig, gerade nur ungelesene Bücher um mich herum zu haben. Das machte die Sache nicht einfacher. Aber ich denke, ich habe etwas gefunden.

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Thomas Glavinic – Das Leben der Wünsche

Wer von uns hat sich nicht schon einmal vorgestellt, die Wunderlampe zu finden, daran zu reiben und vom Geist nach seinen drei Wünschen gefragt zu werden? Ich für meinen Teil habe mir das schon manches Mal gewünscht. Und jeder, der unbedacht, jung, ungestüm ist, wird wohl spätestens als Drittes den einen Wunsch haben: Dass sich alle Wünsche erfüllen. Jonas, der Protagonist von „Das Leben der Wünsche“ tut dies gleich zu Beginn und es ist absehbar, dass es in einer Katastrophe endet. Wäre er vorsichtiger gewesen, hätte er eine andere Antwort gegeben, eine die mir persönlich näher gelegen hätte. Aber wer weiß, ob der Wunsch, einfach unendlich viele Wünsche frei zu haben, am Ende besser gewesen wäre oder nicht eine andere Katastrophe ausgelöst hätte.

Jonas ist ein Durchschnittstyp. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, das eine an Kurzwüchsigkeit leidend. Er liebt seine Frau, doch die Liebe ist eine wandlungsfähige Sache, sodass er nebenbei eine Affaire mit einer ebenfalls verheirateten Frau unterhält. Sein Job erfüllt ihn nicht, seine Kolleginnen und Kollegen sind alle merkwürdig, um es vorsichtig zu formulieren. Und Jonas ist ein typisch modernes Subjekt: Er spricht ständig mit Menschen, er kontrolliert zwanghaft sein Telefon, ob er neue Nachrichten bekommen hat, dennoch ist er von der Wirklichkeit merkwürdig getrennt. Seine Leidenschaft für Photographie scheint mir ein Code dafür zu sein: Er hat das Gefühl, die Wirklichkeit nur greifen zu können, wenn er sie mit dem Auslöser für immer auf Zelluloid bannt. Wirklich zu leben scheint er nicht.

Seine Einsamkeit spiegelt sich in Glavinics Sprache. Gespräche verzichten auf Anführungszeichen, sind keine wirklichen Dialoge. Der Tonfall des Erzählers ist klar, er ist sachlich. Auch wenn er ständig Jonas folgt, seine Taten beschreibt und selbst seine Gedanken beschreibt (es gibt beeindruckende Streams of Conciousness, in der das Erzähltempo Jonas‘ Stimmung einfängt) – damit auch seine Gefühle preisgibt: Jonas bleibt ein vom Leser getrenntes Individuum. Bis zuletzt war ich mir nicht sicher, ob es ihn wirklich gibt.

Zweifel an seiner eigenen Existenz treiben ihn gelegentlich auch um, doch in erster Linie hat Jonas damit zu kämpfen, dass ihm merkwürdige Dinge geschehen. Sein Kind beginnt zu wachsen, seine Frau stirbt völlig überraschend, er wird in einen dunklen Wald gelockt, er entgeht nur knapp einem Flugzeugabsturz. Die Merkwürdigkeiten häufen sich, sie werden ausgefallener, und machen das Romangeschehen immer bizarrer. Offenbar erfüllen sich Jonas‘ Wünsche tatsächlich – oder sind es bloß Zufälle, die sich ereignen? Wenn es aber bloß Zufälle sind: Wieso geschehen dann gerade nächtens Dinge, die dem Leser Schauer über den Rücken jagen? Was ist dran an der surrealen Szenerie, dass die Stadt plötzlich überflutet ist und man wie in Venedig mit Gondeln fährt? Ist es real? Und wieso nimmt es Jonas‘ Umwelt so gelassen auf?

Glavinic spielt gekonnt mit der Frage nach Realität und Wirklichkeit, er stellt die Frage nach der Existenz und er erkundet das Unterbewusstsein des Menschen. Jonas bekommt gelegentlich nachts Anrufe. Das spielt in der Geschichte nur eine Nebenrolle, aber man erfährt nie, wer es ist? Ist es womöglich er selbst? Ist das das Dunkle, das Unbewusste, das „Es“, das sich rührt? Und welchen Anteil trägt es an den Merkwürdigkeiten, die ihm geschehen? Ist es überhaupt gut, wenn sich all unsere Wünsche erfüllen oder braucht es ein „Wollen“, das unsere Wünsche in die richtige Richtung lenkt? Damit erhält der Roman eine weitere Dimension, auf der man ihn lesen kann.

Das ist die Stärke dieses Romans. Man kann ihn als Gruselgeschichte lesen, als Liebesgeschichte, als psychologischen Versuch, als Beitrag zur Moralphilosophie, als Selbsterkundung, als Frage nach dem Verhältnis von Realität und Vorstellung oder radikaler als die Frage danach, ob es sowas wie Realität gibt. Es ist eine Geschichte über die Vereinzelung des modernen Subjekts, das selbst durch die Liebe nicht vollständig gerettet werden kann, wie das romantisierend gelegentlich geschieht. „Das Leben der Wünsche“ lässt (auch wenn das Ende ein wenig dick aufgetragen ist) den Leser mit Fragezeichen zurück, verwirrt, beklommen, vielleicht sogar ein wenig ängstlich. Ansprechend auf emotionaler wie auf intellektueller Ebene: Besseres kann einem Roman nicht passieren.