Im einführenden Interview mit den beiden Herausgeberinnen dieser Science-Fiction-Anthologie findet sich die treffende Erkenntnis, dass Science Fiction zu den literarischen Genres gehört, in denen der Roman nicht tonangebend ist. Sicher, es gibt viele Science-Fiction-Romane, gerade Romane lassen sich im Buchmarkt ja auch ganz gut verkaufen. Aber die Kurzgeschichte spielt eine mindestens gleichberechtigte Rolle neben der Romanform. Sie eignet sich besonders gut dafür, mit neuen Ideen herumzuspielen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob sie sich als Roman gut verkaufen. Manche Ideen lassen sich nur so knapp darstellen, dass eine Auswälzung auf 300 Seiten zu Ermüdung beim Leser/der Leserin führen könnte und die Kurzgeschichte lädt dazu ein, eine kleine Szene detaillierte auszumalen als es in einem Roman geboten scheint. Kurz: Die Science-Fiction-Kurzgeschichte hat ihren ganz eigenen Reiz und es ist schade, dass es mittlerweile nicht mehr so viele Magazine gibt, in denen noch welche veröffentlicht werden.
„Grenzflächen“ ist eine Anthologie, die sehr breit angelegt ist. Die Herausgeberinnen haben die Storys ausgewählt, die ihnen am besten gefallen haben, weil sie kluge Ideen, spannende Geschichten oder phantasievolle Settings bieten. Die Genregrenzen sind dabei nicht zementiert, wie bei den älteren Anthologien üblich, finden sich sowohl Geschichten, in denen klassische Sci-Fi-Themen verarbeitet werden, aber auch einige, die man heutzutage eher dem Fantasy-Genre zuschlagen würde. Es ist eine Versammlung an Geschichten der Phantastik.
„Grenzflächen“ den Beginn eines Aufstandes der Menschen gegen unterdrückerische Schneemänner, die sich verhalten, als sei die Menschheit nicht besser als irgendwelches Vieh, das man gnadenlos ausbeuten kann, wir erfahren in einer saukomischen Geschichte etwas über die Geschichte des Fahrrades, dessen platonische Idealform dafür gesorgt hat, dass auf einem fernen Planeten Lebewesen entstanden sind, die der Form nach Fahrräder sind, zugleich aber übernatürliche Kräfte besitzen, mit denen sie durch die Zeit reisen können, das Verhältnis von Mensch zu Computer, wenn der Mensch beginnt, den Verstand zu verlieren und elementare Bedürfnisse nicht befriedigt werden und gleich mehrere Geschichten, die sich um das Verhältnis vom Menschen zur Erde drehen, die drei lesenswertesten Geschichten, wie ich finde: Zum Einen die Frage, was passiert, wenn man den alten Traditionen nicht mehr folgen kann, weil die Gabe des Vergangenheitssehens verschwindet, stattdessen aber die so Begabten eine ungewisse Zukunft mit einer gehörigen Portion Leid erblicken, dann die Frage danach, ob die Erde ein Bewusstsein hat und ob man sich mit ihr verbinden muss, um wahre Glückseligkeit zu erlangen und schließlich die Frage was passiert, wenn auf einem hochtechnisierten Planeten nach und nach alle Menschen verschwinden und das Ende der Technik absehbar ist. Auch gehen, bleiben und dann: Versuchen, zur Selbstversorgung zurückzukehren oder hoffen, dass die Technik ewig hält?
„Grenzflächen“ bietet einen Rundgang durch verschiedene Themen der Science Fiction, immer mit dem Blick am Menschen, weniger an der Technik. Das Buch bietet viele Stunden des kurzweiligen, abwechslungsreichen Lesevergnügens und immer wieder einen erstaunten, zuweilen nachdenklichen Leser.