Herzlich Willkommen zu Phase 2 des Buch-Dates. Heute darf ich Wili Bücher empfehlen. Das riecht nach einer Herausforderung, nach einer appetitlichen Herausforderung, einer kulina … Ihr wisst schon. Wili betreibt nämlich kein Rezepte-Blog, sondern sie schreibt kulinarische Geschichte und Geschichten auf.

Doch bevor ich zu sehr vor der großen Aufgabe erzittere, werfen wir doch einen Blick auf das, was Wili mir über ihr Leseverhalten mit auf den Weg gegeben hat:

Die drei letztgelesenen Bücher:

Alexandre Dumas – Die Kameliendame / Rafik Schami- Sophia oder Der Anfang aller Geschichten / Irvin D. Yalom – Wie man wird, was man ist. Memoiren eines Psychotherapeuten

Dein Lieblingsgenre:

Gesellschafts- und Entwicklungsromane / märchenhaftes und verspieltes / Krimis

3 liebste Autor*innen:

Rafik Schami / Jacques Berndorf / Andrea Hirata

Was ich überhaupt nicht lesen mag:

Horror, Grusel, Thriller, schwarze Dysopien oder bitterbösen Sarkasmus

Ich entspannte sofort, als ich das las: Mit Dumas ist klassische Literatur vertreten, Irvin D. Yalom ist mir als bedeutender Vertreter der Psychoanalyse in Erinnerung geblieben, Jacques Berndorf kenne ich als Eifelkrimi-Autor. Wili, so wurde mir klar, hat zwar Anspruch an ihre Bücher (denn auch wenn man Regional-Krimis trivial finden kann, die Eifel-Krimis sind meinen kurzen Hineinlesern nach zu urteilen, sehr amüsant geschrieben), ist aber offen für eine große Bandbreite an Büchern. Ich sinnierte also ein wenig und schnappte mir die Begriffe „Gesellschafts- und Entwicklungsroman“ sowie „märchenhaftes und verspieltes“, das ich ein wenig in Richtung „Magischer Realismus“ erweiterte.

Liebe Wili, ich hoffe, du findest in meiner kleinen Auswahl an Titeln etwas für dich. Ferner hoffe ich, dass du nicht bereits alle drei Titel kennst, aber dann lege ich natürlich gerne nach. Ich spare mir die Inhaltsangaben im traditionellen Sinne, die darfst du gern hinter den Links nachlesen. Stattdessen erzähle ich dir kurz, was mich an diesen Büchern begeistert hat, in der Hoffnung, dich anzustecken.

 

John Irving – Das Hotel New Hampshire

John Irving ist Absurdität und ein Meister der fabulierenden Phantasie, obwohl er immer realistisch bleibt. So realistisch wie man sein kann, wenn ein Roman wie folgt möbliert ist: Eine amerikanische Großfamilie, die nach Wien auswandert und führt ein Hotel führt. Ein Hotel voller Nutten und einer anarchistischen Zelle. Ein Hotel, in dem ein Bär lebt. Das Hotel einer Großfamilie, zu der ein ausgestopfter Hund gehört. Und ein Baseball-Schläger als Ersatz für einen Blindenstock spielt auch eine Rolle.

„Das Hotel New Hampshire“ ist, das sollte man aber nicht missverstehen, ein durchaus tragisches Buch. Es gibt so manche Schicksalsschläge zu ver- und Traumata aufzuarbeiten. Es geht um Gewalt, es geht um den Tod, es geht auch um Vergewaltigung, die ganz großen und schweren Themen. Dennoch ist es ein positives Buch, denn es erzählt die Geschichte eines Mannes, der sich nicht unterkriegen lässt und seine Träume immer wieder umzusetzen versucht. Es ist ein Buch, das an manchen Stellen erschüttert, dass aber von großer Liebe für die Menschen (insbesondere für die Sonderlinge) und ihren Weg durchs Leben getragen wird. „Das Hotel New Hampshire“ ist meiner Meinung nach das beste Buch, das John Irving je geschrieben hat (und vor allem im Vergleich zu seinen beiden letzten Büchern ist es um Welten besser).

 

Thomas Glavinic – Das Leben der Wünsche

Darüber habe ich sogar mal geschrieben. Ein Buch, das ich zu Studentenzeiten gelesen habe. Das hat nichts mit dem Inhalt zu tun, aber wenn du es genauer wissen willst oder besser: Was ich damals über dieses Buch gedacht habe, findest du im verlinkten Beitrag.

Ansonsten gilt: Glavinic ist zwar eine kontroverse Person, aber er begeistert mich in seinen Romanen damit, wie er mit der Realität spielt: Erst lässt er in seinen Romanen die Grenzen zwischen dem „was im Roman wirklich passiert“  und „dem was der Protagonist sich einbildet“ verschwimmen und geht dann konsequent weiter, um die Grenzen zwischen Erzählung und Wirklichkeit zu verwischen.

In „Das Leben der Wünsche“ zeigt sich Glavinic als ruhiger, fast schon unterkühlter Erzähler. Man könnte eher sagen, er ist Beobachter (grob vergleichbar mit Juli Zeh – mit dem gewaltigen Unterschied, dass Juli Zeh natürlich brutale Realistin ist) dessen, was Jonas in seinem Leben geschieht. Oder nicht geschieht. Glavinics Verwirrspiel ist der Versuch, das Märchen neu zu erfinden in dem Sinne, dass es auch ihm um das Dunkle und Unheimliche geht, das in unserer Welt steckt, unsere Ängste und die Ängste der modernen Welt in der Literatur greifbar macht, ohne sie dezidiert auszusprechen. Märchenautor Glavinic, das könnte man durchaus sagen, aber in der Tradition von E.T.A. Hoffmann.

 

Gustav Freytag – Soll und Haben

Der Bürgerliche Realismus wird zurecht mit Theodor Fontane verbunden, aber es ist nicht so, dass es nur Fontane gegeben hätte. Im Gegenteil, mit „Soll und Haben“ hat Gustav Freytag sicherlich den bedeutendsten Kaufmanns-Roman bis heute vorgelegt. In „Soll und Haben“ erzählt Freytag scheinbar nüchtern vom Aufstieg eines jungen Mannes, der nichts hat und durch seine Klugheit und seiner Hände Arbeit schließlich zu Wohlstand und Ansehen kommt. Freytag kreuzt es mit dem Abstieg einer Adelsfamilie. Das könnte kitschiges, großes Drama sein, aber es ist bürgerlicher Realismus und damit leise, nüchtern, ohne Pathos (zumindest von Seiten des Erzählers), davon abgesehen dass Freytag genau damit natürlich ein Plädoyer für die protestantische Ethik (im Sinne Max Webers) seines Protagonisten Anton Wohlfahrt hält. Freytag ist immerhin so nett, dass er die Adelsfamilie zu Opfern der „modernen Zeiten“ macht.

Dieser Roman ist großartig, weil er diese beiden Geschichten auf gelungene Weise miteinander verbindet und so eine Entwicklung beschreibt, die tatsächlich so gekommen ist: Die Ablösung des Adels durch die Kaufmannschaft als prägende Schicht „Deutschlands“. Es ist eine gute Geschichte und wirft einen spannenden Blick auf die umwälzenden gesellschaftlichen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Was den Vorwurf des Antisemitismus angeht, der mit „Soll und Haben“ immer genannt wird: Ja, man kann antisemtische Stereotype in diesem Roman finden. Ja, die Reproduktion solcher Stereotype in der Literatur trägt einen Teil dazu bei, dass sie nicht verschwinden. Aber nein, „Soll und Haben“ ist, zumindest meiner bescheidenen Meinung nach, nicht antisemitisch. Denn die Familie Itzig, die eine bedeutende Rolle in diesem Roman spielt, ist auch bloß Opfer der gesellschaftlichen Umstände ihrer Zeit. So gesehen zeigt sich auch hier bloß, dass Freytag ein scharfer Beobachter der Gesellschaft seiner Zeit war.

 

Liebe Wili, ich hoffe, du findest etwas, das dich anspricht. Ich wünsche dir viel Spaß bei der Auswahl und Lektüre.

15 Kommentare zu „Buch-Date: Meine Empfehlungen für Wili

      1. Wieso solltest du etwas falsch gemacht haben können 🤔🤔🤔
        Wir hatten gerade Muttertag und da bekam ich eine kleine Reise geschenkt 😍🤗😍 Das hat nun aber zur Folge, dass du erst am 14. oder 15. Juni erfahren wirst, was ich denn nun gelesen habe. VG Wili 🙋

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  1. Eine feine Empfehlung.
    Ich bin großer John-Irving-Fan… den würde ich auch zu 100% empfehlen… da ich aber dessen Bücher fast allesamt gelesen habe, würde ich persönlich mit „Das Leben der Wünsche“ beginnen.
    Was macht Wili?

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    1. Wobei, das habe ich ja anklingen lassen, „Straße der Wunder“ fand ich in der ersten Hälfte richtig zäh und schwach. Hinten raus war es für mein Empfinden hingegen zu plakativ. Ich habe so das Gefühl, er lässt nach.

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      1. Da hast Du freilich Recht… ich kam auch nur schwer in die Gänge. Ganz anders übrigens bei „In einer Person“, das ich bisher ganz übersehen nun aber mit Freude ganz nachgelesen habe. Herrlich. Liebe Grüße, Birgit

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