Instagroupies

Über Den Fußball-Profi Ilkay Gündogan war jüngst zu lesen, er spreche keine Frauen auf „offener Straße“, in Cafés oder Bars mehr an. Stattdessen achte er darauf, wer ihn auf Instagram likt. Und wenn ihm eine gefiel, schrieb er ihr. Lose Gedanken zu Selbstdarstellung und der Unschuld Sozialer Medien.

Das hier ist keine Abrechnung mit dem Online Dating. Im Gegenteil finde ich es spannend, wie sich das Flirten den digitalen Raum jenseits der Schmuddelecke erobert.
Ich weiß aber nicht, ob Instagram der richtige Ort dafür ist. Wer auf Instagram ist, stellt sich selber dar. Okay, das tun Menschen auf Partner-Suche auch, aber sie tun es anders. Krasser. Also auf Instagram.

Oder auch nicht. Ich habe eine Weile mit Tinder herumgespielt, eigentlich eher, um die App zu verstehen, als wirklich ein Interesse daran zu haben, Menschen kennen zu lernen. Was ich an Tinder unbefriedigend finde ist die verschenkte Gelegenheit, zumindest ein paar Informationsbrocken zu bekommen. Tinder ist sicher nicht der Gipfel der Oberflächlichkeit. Aber für mich als textorientertem Menschen ist die App zu schlicht. Ich möchte, bevor ich jemanden nach rechts swipe, zumindest drei oder vier Informationen haben, allein schon, um nach dem „Hi, wie gehts, was machscht?“ einen Anknüpfungspunkt zu haben, selbst wenn man „Nüscht“ macht.

So gesehen ist Tinder Selbstdarstellung, weil es allein auf eine Komponente fokussiert. „Klassische“ Portale arbeiten mit Fragebögen, die sich den Anschein von Wissenschaft geben oder sie arbeiten mit Profilen, die man lesen kann. Ich lese gern Profile. Ich habe zwar anschließend das Gefühl, mit dieser Person auf keinen grünen Zweig zu kommen (weil sie mir den falschen Ausschnitt von sich präsentiert hat) oder bin so eingeschüchtert, dass ich mich nicht traue, zu schreiben. Aber das ist mein Problem. Und da wir alle Narzissten sind, checken wir doch – sofern die Funktion gegeben ist, wer da unser Profil besucht hat. Die mutigen Menschen fassen dann nach. Ich liebe mutige Menschen.

Auf Instagram stellen Leute hingegen ihr ganzes Leben dar oder zumindest ihr Herzensthema. Es ist also breiter. Wer sich meinen Account anschaut, bekommt wahrscheinlich einen etwas verqueren Eindruck von mir, da gibt es Wahlplakate, mich mit Halskette und ein UNO-Spiel. Ich weiß nicht, ob Ilkay Gündogan das so spannend fänd, obwohl wir bestimmt total super zusammen passen würden. Wie wirkt aber so ein Lifestyle-Instagram-Account, der für die Promotion von Beauty-Produkten da ist? Ich denke mir, dass „Influencer“ und solche, die es werden möchten, immer eine gewisse Oberflächlichkeit transportieren, die ihnen gar nicht inne ist. Die sie zwar auf diesem Kanal ausstellen, der aber ein Hobby ist. Jemanden auf Instagram anquatschen ist also wie jemanden in einem Schminkseminar kennen lernen, nur dass die schizophrene Situation entsteht, dass man selbst gerade in einem Buchladen ist, weil man Bookstagrammer ist.

In diesen verschobenen Lebensrealitäten ist für das Dating nur wenig Platz, wie ich finde. Gleichzeitig nimmt es für mich dem Netzwerk seine Unschuld, weil hinter vielen Instagram-Accounts eine Absicht steht, die dem Kennenlernen eines Partners zumindest hinderlich ist. Man lernt sich letzten Endes beruflich kennen (Selbstdarstellung ist ein Beruf, selbst wenn man nicht dafür bezahlt wird), ohne das so genau im Hinterkopf zu haben. Gleichzeitig muss derjenige, der auf Instagram ganz unschuldig unterwegs ist und gar kein Interesse an Kontaktanfragen hat, sie vielleicht sogar aufdringlich findet, sich fragen, ob ein Abonnement nicht auch eine Bewerbung ist. Natürlich ist ein Kompliment, ein Flirt schmeichelhaft, aber nicht von jedem. Und nicht in jeder Situation.

Gleichzeitig frage ich mich, in was für einen traurigen Welt wir leben, in der man genötigt ist, Instagram als Groupie-Reservoir zu betrachten. Denn genau dazu macht Ilkay Gündogan Instagram, wenn er das Netzwerk nutzt. Ein Like ist damit auch immer potentiell eine Bewerbung um einen Partnerschaftsplatz. Der Follower schickt sie initiativ. Wenn auch unter Umständen unbeabsichtigt. Und gibt man als Star damit nicht zumindest die potentielle Chance auf, unerkannt zu bleiben?

Hat jemand Erfahrung mit Social Media Plattformen als Kontaktanbahnungs-Tool? Wie habt ihr das empfunden? Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr plötzlich per Social Media Plattform angeflirtet werden würdet? Geschmeichelt oder gestört? Zuletzt: Schon einmal von einem Star im Real Life angeflirtet worden, ohne ihn in dem Augenblick erkannt zu haben?

 

13 Kommentare zu „Instagroupies

  1. Mein erster Gedanke ist ‚Sucht man potentielle Partner denn überall?‘ Nun, ich denke, sowas kann sich ergeben, aber aktiv suchen würde ich nicht.
    Ich komme aus der Generation (wie du auch…), in der es plötzlich MySpace oder Lokalisten oder StudiVZ gab und natürlich lernte man da Leute kennen. Und wer ist nicht in StudiVZ in Gruppen eingetreten, nur weil sie witzige Namen hatten. Aber damals fehlte noch der Selbstdarstellungscharakter; man hatte tatsächlich ein Profil, um Leute kennenzulernen und war somit auch halbwegs ehrlich, denn man wollte ja keine „falschen“ Leute kennenlernen (und deren – okay, die eigene – Zeit vergeuden). Heutzutage kommt dieser Selbstdarstellungscharakter dazu. Es ist doch gar nicht mehr das Ziel, Leute kennenzulernen, sondern einfach nur, möglichst viele Follower zu haben. Wer das ist und warum sie folgen, ist einem egal. Jeder kann Jesus sein, du musst nur dein Jünger einlullen – toller Gedanke. Und natürlich präsentiert man dann nur die besten Seiten. (Wobei ich mir gerade vorstelle, dass so ein Foto vom Gesichtsausdruck, den man morgens beim Kacken hat, vermutlich richtig viral gehen würde…)

    Um die Fragen zu beantworten:
    Social Media Plattformen können ein Kontaktanbahnungstool sein, kommt aber drauf an. Bei Facebook z.B. stellen sich auch einige auch nur dar, andere kannst du anhand von Fotos, Kommentaren und ihren Likes aber schnell kennenlernen und entscheiden, ob man auf der gleichen Welle surft oder nicht.
    Wenn mich jemand anflirtet, fühle ich mich immer geschmeichelt, egal wo und wie. Denn nur, weil jemand eine Plattform verwendet, heißt das nicht, dass es ihn nicht genauso viel Überwindung gekostet hat und er jetzt nicht genauso nervös auf eine Antwort wartet, wie z.B. im Reallife.
    Nope, noch nie von einem Star angeflirtet worden und auch nie einen angeflirtet. Wobei ich Stars tatsächlich auch aufgrund des Stardoms abstoßend finde, sprich nicht als potentielle Kandidaten ansehe.

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    1. Wo ich den Unterschied sehe: Ging es bei StudiVZ nicht vor allen Dingen darum, Gleichgesinnte kennen zu lernen? Das war ein Ding für Leute, die das gleiche oder am gleichen Ort studieren, um sich auszutauschen und wurde dann zu einem Ding, wo man sich über gemeinsame Interessen austauschen konnte.
      Ähnliches gilt für MySpace – wenn auch mit abstrichen. Das hatte immer so einen leichten Dating-Charakter, aber vordergründig ging es doch um Musik. Oder habe ich nur nicht mitbekommen, dass alle Welt die entsprechenden Sozialen Netzwerke eigentlich für Verpartnerungen eingesetzt hat? *g*

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      1. Ja, ursprünglich hatte es definitiv irgendeinen Charakter. Ich glaube, StudiVZ war einfach das Deutsche Facebook. Ich als Nicht-Student fand es gemein, denn man musste beim Registrieren eine Uni zwangsweise angeben – und so war man außen vor. Tjoar, deswegen hat sich Facebook ja dann einfach allgemein geöffnet… Und ich denke, das so die Social-Networks entstanden sind, aus Themen-Vernetzungen 😉

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  2. Grad mal geguckt, ob das Insta ist, was ich da auch irgendwoooo habe. Ja, ist es, nutze ich nur nicht, guck nur selten mal drauf wegen schöner Fotos (Food, Städte, Natur). Eine Zeitlang habe ich auf die üblichen Datingseiten verzichtet, weil mir FB oder auch das Blogland ausreichten 😉 . Mittlerweile hab ich mal wieder eine APP installiert -nein, nicht Tinder, die ist nix für Ü30 – aber nur weil nochmal ein wenig frischer Wind rein kommt. Trotz allem ist online flirten anders als real. Und da ich gern schnell ein reales Treffen präferiere, da die online-Welt sonst eine Nähe vorgaukelt, die nicht vorhanden ist, werde ich schnell als zu forsch abgestempelt. Aber besser als monatelang zu texten und sich ein Wunschbild aufzubauen, obwohl es dem gegenüber vllt nur um CS ging. Ob man den Zeugwart eines sehr bekannten Eishockeyvereins als prominent bezeichnen kann, bezweifle ich (das sah er aber anders ;-))) ). Den dann live zu beobachten, wie er mit offenem Mund Kaugummi kaute, war dann doch ziemlich abschreckend. Ja, ich weiss, total oberflächlich. So bin ich eben…auch.
    Liebe Grüsse aus einem ICE, in dem das WLAN mal funktioniert. 😀

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    1. Ich habe absolut nichts gegen Dating-Seiten, keine Sorge. *g* Und Zeugwarte sind wiiiirklich prominent. ^^
      Online flirten ist in der Tat … Anders. Wobei ich beim Schritt in die Realität immer hin und her gerissen bin. Monatelang texten … Einerseits beruhigt es den Geist, andererseits entsteht schnell ein falscher Eindruck. Aber wenn man sich zu schnell trifft, ergibt sich manchmal auch eine verkrampfte zweistündige Nerverei, die man sich mit ein wenig mehr Chatterei hätte sparen können. Auch wenn ich tendentiell für flotte Treffen bin, gehöre ich dummerweise zur Fraktion: „Will gefragt werden“ … Ich Prinzessin. ^^ Hast du ne Faustregel, nach wie viel Kontakt du dich triffst oder ihn in den Ofen schießt?

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  3. Natürlich klerne ich auch Leute ganz normal kennen aber meine jetzige Frau habe ich auch über ein norddeutsches Singleportal kennengelernt 🙂 Tja, und dieses Jahr feiern wir unser 11jähriges Beisammensein 🙂

    Das Problem bei diesen ganzen Sachen inkl der Single-/Partnerbörsen ist eigentlich nur, dass viele dort mit völlig falschen Erwartungen hineingehen. Ich klick 5 Leute und finde meinen Traumpartner… Je weniger Erwartungen man da hineinsteckt, desto besser ist letztendlich das Ergebnis.

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  4. Du kennst die Geschichte meiner aktuellen Beziehung 🙂 Da brauche ich glaub nicht mehr viel über Social Media und Content Konsumenten erzählen.
    Ansonsten war ich immer ein riesiger Fan davon, dass Menschen mit denen ich viel Zeit verbringe (eine Beziehung bringt das ja irgendwie auch mit), mehr mich als Mensch annehmen, denn als „Künstler“. Ich wäre also im Umkehrschluß auch mit „Groupies“ nie wirklich glücklich.

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    1. Dann ab auf Instagram, Ilkay folgen. 😉 Wobei die italienischen Delikatessenverkäufer auf Wochenmärkten auch immer super sind. Ich kaufe da manchmal eine Kleinigkeit, damit man mir schmeichelt. Klingt banal und du weißt, dass es ne Masche ist, aber eine aufrichtige … Und fühlt sich gut an. Zumindest für mich (tatsächlich eine der wenigen Situationen, wo ich mit Flirtereien ohne gespielt ironischen Unterton umgehen kann)

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