Das Zeilenende fasst sich heute kurz und spricht über die Allmacht der Technologie an der Schwelle zur Singularität. Es geht um Zero von Marc Elsberg.

Inhalt lt. Verlagshomepage

London. Bei einer Verfolgungsjagd wird ein Junge erschossen. Sein Tod führt die Journalistin Cynthia Bonsant zu der gefeierten Internetplattform Freemee. Diese sammelt und analysiert Daten – und verspricht dadurch ihren Millionen Nutzern ein besseres Leben und mehr Erfolg. Nur einer warnt vor Freemee und vor der Macht, die der Online-Newcomer einigen wenigen verleihen könnte: ZERO, der meistgesuchte Online-Aktivist der Welt. Als Cynthia anfängt, genauer zu recherchieren, wird sie selbst zur Gejagten. Doch in einer Welt voller Kameras, Datenbrillen und Smartphones gibt es kein Entkommen …

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Technologie ist böse

Hier denkt ihr euch bitte das übliche Blabla darüber, dass Technologie des Teufels ist und dass es schlimm ist, was Facebook, Google und Co. so über uns wissen. Was auch Apple über uns weiß, es nur nicht abgreift. Aber die deutsche Automobil-Industrie hat auch sehr lange sehr erfolgreich behauptet, dass Diesel-Motoren eine saubere Technologie sind. Jedes Unternehmen, das Daten sammelt, ist potentiell gefährlich, wenn es einen intelligenten Algorithmus besitzt.

Doch warum eigentlich? Ein Strang von Marc Elsbergs Zero widmet sich dem Predicting, also der Vorhersage von Entscheidungen oder auch Bedürfnissen. Wer sich hin und wieder den Spaß gönnt, Werbeanzeigen im Internet zu beobachten, wird merken, dass die entsprechenden Algorithmen als Marketing-Instrument noch nichts taugen. Der Amazon-Algorithmus lässt sich mehr oder weniger gezielt irreführen, wenn man die Plattform vorwiegend als Suchmaschine und Nachschlagewerk benutzt. Die Werbeanzeigen im Internet wollen mir übrigens immer noch einen Fitness-Tracker andrehen. 🙂

Der zweite Strang widmet sich … Eigentlich dem Nudging. Dabei geht es um kleine Anstöße, sein Verhalten zu ändern und auf ein Ziel hin zu optimieren, das man nicht unbedingt kennt. Der freie Wille, so die Botschaft, wird dabei unterwandert. User, die sich nudgen lassen so wie die Teenager im Buch, machen sich zu willenlosen Werkzeugen wahnsinniger Wunderkonzerne wie Wacebook, äh Facebook.

 

Kein Zeigefinger aber alte Hüte

Das schöne an Elsbergs Buch ist, dass der Autor nie bewusst den moralischen Zeigefinger hebt und die Technologie anklagt. Wenn mich mein Gefühl nicht täuscht, ist Marc Elsberg durchaus neugierig auf neue Technologien und ihre Möglichkeiten, er denkt nur von Anfang an deren Missbrauchspotential mit. Und weist darauf hin. Er tut dies mit sorgfältiger Recherche. Die Technologie in Zero ist grundsätzlich möglich, in manchen Fällen sogar State of the Art. Dennoch gelingt es ihm, die Zusammenhänge so zu schildern, dass eine spannende Geschichte für jedermann (da stimme ich soleras Urteil zu) dabei herauskommt, der zumindest weiß, was Facebook ist und wie es funktioniert.

Dass diverse Konzerne meine persönlichen Daten ausbeutet, ist für mich nun aber ein alter Hut. Ich könnte ergänzen, dass Google in der Vorhersage von Grippe-Epidemien je nach Region mittlerweile besser ist als die entsprechenden Gesundheitsbehörden. Big Data ist spannend für Marketing und politische Ideologie, ebenso ist es reizvoll für Soziologie und jede andere empirische Wissenschaft. Und, was man nie ausblenden sollte: Man zahlt mit seinen Daten für eine Dienstleistung, man bekommt also eine Gegenleistung, die einem das Leben durchaus leichter machen können.

 

Fazit

Zero ist spannend geschriebene Lektüre, auch wenn mich das Thema sogar beinahe zum Gähnen gebracht hätte. Wer ein weniger entspanntes Verhältnis zu seinen persönlichen Daten hat als ich (ich teile sorglos meine Laufstrecken mit euch auf Twitter, wovor soll ich noch Angst haben?), wird Zero lesen und sich bestätigt fühlen. Wer das Thema noch nicht ordentlich durchdacht hat, was ein Konzern wie Facebook mit unseren Leben anstellen könnte, wenn er es nur wirklich wollte, der sollte unbedingt Zero lesen.

21 Kommentare zu „Zero – Ihr wisst, was ich tue

  1. Ohne das Buch zu kennen …. letztlich sind solche Themen immer Sache des Einzelnen: Wer weiß, dass mit Daten etwas angestellt werden kann, und dennoch die eigenen Daten freimütig verteilt, der braucht sich über nichts mehr wundern. Denn das Problem liegt zwar AUCH in den Verwendern der Daten, und in der Art, wie sie das tun, jedoch wer sich einem Risiko aussetzt, braucht sich nicht wundern, wenn einen das Risiko einholt.

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    1. Mehr oder weniger des Einzelnen. Facebook sammelt bspw. auch Daten über dich, obwohl du bei ihnen gar nicht angemeldet bist. Aber ja, es sind immer Beide in der Verantwortung.

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      1. Im Grundsatz hast du schon recht, dass immer 2 dazugehören. NUR – wenn ich schon weiß, dass der andere nicht mitmacht, dann ist es meine Aufgabe, mich danach zu richten. Ich werde doch meinem Gegenüber nicht einen Teil meines Wassers geben, wenn ich weiß, dass er es wegschüttet. Und insofern bin ich tatsächlich der Überzeugung, dass es letztlich NUR im der Verantwortung des Einzelnen liegt, was mit seinen Daten geschieht. Nicht im Sinne von selbstverstänlichem (ev. auch gesetzlich vorgeschriebenem) Verhalten anderer (Personen/Firmen), sondern im Sinne dessen, dass Wissen über die Verwendung von Daten einem ein normales Verhalten der Nichtweitergabe selbstverständlich auferlegen sollte. Oder aber die Weitergabe nur dann erfolgen darf, wenn unkritisch oder unvermeidlich. Bsp.: Eine 0815-eMail-Adresse.

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          1. Absolut.
            Wenn ich das allerdings weiß, dass er das tut, kann ich selber bestimmen, wieviel er bekommt, zum da hineinschreiben.
            Das ändert natütlich nix daran, dass er übergriffig wird (interessantes Wort 😜)

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