Endspurt ist angesagt in Sachen 7 Bücher für 2017, denn heute gibt es tatsächlich die Besprechung zum sechsten Buch dieser Reihe. Und unter uns Pastorentöchtern: Das siebte Buch habe ich auch schon gelesen. Ob ich mich darüber genau so geärgert habe wie über „Atlantis“ von Hans Dominik, verrate ich euch aber in einem gesonderten Beitrag.
Inhalt lt. Verlags-Homepage
Im Jahr 2000 ist die weltpolitische Lage angespannt. Das vereinigte Europa steht Afrika und Amerika gegenüber. Nun soll ein gewagtes Projekt einen Seeweg zwischen Atlantik und Pazifik schaffen. Namhafte Forscher warnen vor tiefgreifenden geologischen Veränderungen, trotzdem wird der Bau durchgeführt. Nach einer Sprengung geschieht das Unfassbare: Das lange verschollen geglaubte Atlantis erhebt sich aus den Tiefen des Meeres.
Gute Geschichte
Die Amerikaner wollen den Panama-Kanal erweitern, indem sie entlang der Küste eine riesige Sprengung unternehmen. Die Sorge ist, dass die Kontinente dabei auseinander brechen, der Golfstrom versiegt und Europa eine Eiszeit droht. In letzter Sekunde, so scheint es, können sich Amerika und Europa darauf einigen, die Sprengung etappenweise durchzuführen, damit der Kanal nur erweitert wird. Doch es kommt natürlich anders, in Europa bricht Chaos aus, ein Exodus setzt ein und die politische Lage Afrikas wird dadurch ebenfalls auf den Kopf gestellt.
So weit, so interessant das Szenario. Faszinierend ist nicht nur die Überlegung, den Panama-Kanal aufzusprengen, sondern auch die Aktualität der Überlegung, was wohl passiert, wenn sich der Golfstrom ändert oder sogar versiegt. In klimatisch unsicheren Zeiten eine durchaus berechtigte Frage. Hans Dominik entwickelt ein plausibles Szenario (da ich den Realitätsgehalt der Annahmen nicht beurteilen kann, bleibt mir in der Science Fiction nur die Plausibilität) und berichtet davon in den dürren, nüchternen Worten eines gelernten Ingenieurs. Er beweist damit einmal mehr, dass sich technische Ausbildung und künstlerische Kreativität nicht ausschließen. Denn er schafft die Balance zwischen Geschichte und Fakten, er langweilt seine Leserschaft nicht mit einem Aufsatz sondern liefert eine Story.
Ebenso interessant sind seine Vorstellungen zur zukünftigen Welt. Das Buch entstand in einer Zeit, in der Europa den krassesten Nationalismus zwar hinter sich gelassen hatte, aber das Denken der meisten Menschen weiterhin stark nationalistisch geprägt war. Bei Dominik gibt es dennoch ein vereintes Europa und ein Afrika voller freier Staaten (obwohl Dekolonialisierung noch kein Thema war!) unter einem „schwarzen Kaiser“, der für die Gleichberechtigung der „schwarzen Rasse“ streitet. Und vielleicht die einzige Figur des Buches ist, mit deren Handeln man sich identifizieren kann.
Platte Figuren
Zugegeben, es ist kein Merkmal typischer Science-Fiction-Literatur, dass sie sich mit ihren Figuren viel Mühe gibt. Die meisten Helden dieses Genres sind recht eindimensional und die Schurken sind Schurken. Das ist zuweilen sehr erfrischend, denn die Apologie des Bösen nervt zuweilen. Ein böser Mensch darf böse sein, weil er böse ist. Ihn zu psychologisieren und alles auf seine schlimme Kindheit zurückzuführen nervt, ist übertrieben und ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Geisteshaltung, die sich durch Angst vor Entscheidungen am besten ausdrücken lässt. Statt Verantwortung zu übernehmen, geht man lieber zum Psychotherapeuten.
Von daher ist der Schurke Guy Rouse ein sehr sympathischer Charakter, ähnlich wie „Mabuse“ womöglich hypnotisch begabt, jedenfalls charismatisch. Er wird getrieben vom Streben nach Macht und Reichtum. Damit ist er aber der einzige Charakter, der so etwas wie Charakter besitzt. Die übrigen Figuren, seien es Christie, Tredrup oder Uhlenkort (die Helden der Geschichte) oder Juanita, laufen die meiste Zeit kopflos durch die Gegend und tun vollkommen unmotiviert aber aktionistisch irgendwas, was die Geschichte vorantreibt. Offenbar haben sie einen Plan, aber dem Leser erschließt er sich nicht. Was sie aber tun – und eine nervtötende Marotte des Autors zu sein scheint: Sie rufen ständig den Namen des Anderen. Wahlweise laut oder in Gedanken.
Während unser Schurke also böse ist, haben unsere Helden keine Persönlichkeit, Motivation, Geschichte oder Hintergrund. Mit Wehmut denke ich an meine letzten Romane von Jules Verne zurück (hier geht es zu den Besprechungen von Reise zum Mittelpunkt der Erde und Von der Erde zum Mond), wo die Charaktere wenigstens erkennbar von Entdeckerdrang, Abenteuerlust oder aus Liebe getrieben wurden.
Hanebüchene Nebenpfade
Man könnte Hans Dominik die schwachen Charaktere verzeihen, wenn er sich nicht in tausend Nebenpfaden verlieren würde. Die Motivation der Helden, etwas zu tun, wird nie deutlich. Auch warum genau Guy Rouse den Panama-Kanal sprengen will, wird nie so ganz deutlich. Darüber hinaus gibt es den „Nebenschauplatz“ Afrika, wo ein Kaiser eine riesige Mine baut, um darüber Anerkennung und Gleichberechtigung für die „schwarze Rasse“ zu erlangen. Das spielt im Laufe der Geschichte eine wichtige Rolle, aber der gesamte Handlungsstrang darum erschließt sich nicht.
Ebenso wenig wird die Rolle der beiden Frauenfiguren Juanita und Christie so ganz deutlich. Beide haben eine Vorgeschichte, die sie an den Punkt bringt, an dem sie stehen, irgendwie wichtig, wenn auch nicht so wichtig, dass erklärt wird, warum sie wichtig sind. Stattdessen gibt es immer wieder ominöse Bezüge zur jeweiligen Vergangenheit der Beiden, die in keiner wirklichen Verbindung zur Geschichte und ihrer Gegenwart stehen.
Und dann ist da noch der zweite Haupterzählstrang, der sich auch im Titel findet. Warum das Buch Atlantis heißt, erschließt sich dem Leser erst auf den letzten Seiten. Er versteht durchaus, was geschieht, aber es geschieht hanebüchen, weil es mit der Geschichte nicht viel zu tun hat. Atlantis ist, so mysteriös es sich im Roman immer mal wieder andeutet, immer ein versteckter Erzählfaden, der für den Gang der Geschichte keine Rolle spielt, bis es am Ende als (zugegebenermaßen überraschend genutztes) Plot Device die Geschichte beendet.
Immer wieder stolpert der Leser in diesem Buch über Story-Versatzstücke, die unkommentiert bleiben, in ihrer Entstehung nicht erklärt werden (Stichwort: Piraten!) oder nicht gebraucht werden. Während des Lesens entwickelt es sich zum Ärgernis.
Nationalismus und Frauenbild
Nach all dem Negativen, was ich über den Zeitgeist in Hans Dominiks Romanen gelesen habe, war ich positiv überrascht. Die beiden Frauenfiguren sind weder schwach noch eiskalt berechnend. Juanita ist im Bann des Schurken gefangen, zeigt aber gelegentlich Aufwallungen eines eigenen Willens und Christie wirft sich zwar ihren Rettern an den Hals, steht aber die meiste Zeit der Geschichte über ihre Frau.
Auch der Nationalismus ist gar nicht so ausgeprägt. Das Geschwafel über „schwarze und weiße Rasse“ stößt dem modernen Leser zwar gelegentlich sauer auf und die Anerkennung der „schwarzen Rasse“ als gleichberechtigt wird als „Untergang der weißen Rasse“ stilisiert, aber es spielt im Roman keine große Rolle. Tatsächlich überrascht der „schwarze Kaiser“ dadurch, dass er vernünftige und maßvolle Forderungen hat, politisch klug agiert und weit vernünftiger in seinen politischen Entscheidungen ist als Amerikaner und Europäer – zumindest für den heutigen Leser. Allerdings – das gebe ich zu – beschlich mich beim Lesen ein ungutes Gefühl: Angeblich habe ich eine ungekürzte Taschenbuchausgabe gelesen, aber manchmal schien mir die Sache, obwohl Teil der Story, belanglos eingestreut, als ob doch jemand darin herumgekürzt hätte. Was bleibt, ist eher das Stereotyp vom deutschen Ingenieur, der mit überlegenem technischem Wissen die Welt rettet und die erstaunliche Tatsache, dass Hans Dominik Europa als Einheit imaginiert hat.
Kein Ende und ein Fazit
Das Ende des Romans kommt abrupt, überraschend und wirkt so, als ob der Autor sich schnell noch etwas einfallen lassen musste, damit die Geschichte gut ausgeht. Dafür nimmt er einen miesen erzählerischen Trick in Anspruch und gönnt dem Schurken (unabhängig davon, einfach um das Ende der Geschichte noch schlimmer zu machen) ein einfallsloses Ende ohne Feuerwerk.
Das ist umso ärgerlicher, weil zugleich unheimlich viele Fragen offen bleiben: Was ist jetzt mit Atlantis? Wie geht es in Afrika und Europa weiter? Wer ist dieser J. H. eigentlich genau? Welche Pärchen bilden sich?
So gelungen also die Idee von „Atlantis“ ist und so spaßig die einzelnen Science-Fiction-Elemente dieses Romans sind: Große Erzählkunst sieht anders aus. Sie vermeidet zumindest die konsequente Verärgerung des Lesers. Ob das an den etwa 90 Jahren zwischen Erstveröffentlichung und heute liegt? Da es auch erzählerisch ansprechende und zugleich gute Science Fiction im Greisenalter gibt, eher nicht. Hans Dominik mag also ein wichtiger Wegbereitet der Science Fiction in Deutschland gewesen sein, den Klassikerstatus hat er in meinen Augen aber nicht verdient.
Interessante Rezension, eigenartiges Buch wie mir scheint.
Das Wort „hanebuechen“ wurde auch vor 90 Jahren zuletzt auf einem Blog verwendet *gg*
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Ja, es ist in der Tat ein eigenartiges, zumindest aber ein sehr eigenes Buch. Aber ich muss dich der Lüge überführen: Dieser Beitrag hier ist bereits der sechste allein auf meinem Blog, in dem das Wort „hanebüchen“ vorkommt. 😀
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Hans Dominik! Ich werde ja ganz nostalgisch. Über den habe ich damals meine Magisterarbeit geschrieben. Dass ihn überhaupt jemand kennt!
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Ich bin sogar geneigt zu sagen: „Zurecht!“ Diese Marotte, ständig „Uhlenkort!“ lesen zu müssen, war das Schlimmste (neben der recht eigenwilligen Story-Entwicklung). Ist das Dominik-typisch oder sollte ich ihm doch nochmal eine Chance geben?
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An Uhlenkort kann ich mich nicht mehr erinnern, und die Bücher, doe heutzutage verkauft werden, wurden überarbeitet. Bei den Originalen, die in den Zwanzigern, Dreißigern und Vierzigern erschienen, konnte man immer prima erkennen, ob und mit wem die Deutschen verbündet waren.
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Das macht die Sache glatt wieder reizvoll. 🙂
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Aber dazu musst du die Originale lesen …
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Stimmt … Hat er eigentlich im Laufe der Jahre auch alte Bücher umgearbeitet für neue Auflagen?
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Er starb 1945 und hat nichts mehr überarbeitet. Lies mal zum Thema Rassismus hier: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hans_Dominik
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“ …Ausdruck einer gesellschaftlichen Geisteshaltung, die sich durch Angst vor Entscheidungen am besten ausdrücken lässt. Statt Verantwortung zu übernehmen, geht man lieber zum Psychotherapeuten.“
Aus Sicht eines bekennenden Entscheidungsneurotikers ist das harter Tobak! 🙂 Ich nehme es aber nicht persönlich… 😉
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Um es mit dem großen Philosophen Oliver Kahn zu sagen: „Eier, wir brauchen Eier!“ … Aber das Schöne ist: Du bist Teil der Mehrheit. Das ist doch viel wert. Und der Verfasser dieses vernichtenden Gesellschaftsurteils kann sich auch nicht von einer gewissen Eierlosigkeit freisprechen. 😉
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Klingt, als sollte jemand an Teil 2 schreiben? *Zu Zeilenende blick* 😀
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Wahrscheinlich verdient er den Klassikerstatus, weil es zu seiner Zeit noch nicht allzu viele SF-Autoren in deutschen Landen gab. Obwohl ich als Kind einige Bücher von ihm gelesen habe, die mir damals gut gefallen haben. Atlantis war allerdings nicht dabei
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Wenn alles, was irgendwo das Erste war, Klassiker-Status erhält, dann gehe ich gleich auch ein neues Genre erfinden. *gg*
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HEHE, Ich sage ja nicht, dass es immer berechtigt ist. Welches neue Genre hättest du dir den vorgestellt ?
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Das weiß ich noch nicht. Vielleicht irgendwas über Mumien, die auf Fesselspiele stehen und in einer Zukunft leben, in der sie sich gegen ein autoritäres Staatensystem auflehnen können. *g*
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Danke für die Rezension. Aber irgendwie werde ich mit dem Bich nicht warm. Von daher schön, dein Urteil zu lesen.
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Man muss ja auch wirklich nicht jeden Mist mögen, den ich so lese. ☺
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😂😂😂
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