Buch Nummer 4 von 7 meiner sieben Bücher für 2017 ist vorbei. Die Bestätigung eines Vorurteils – auf sehr merkwürdige Art und Weise.
Inhalt lt. Verlagshomepage
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts entdecken Wissenschaftler auf dem Mond einen Monolithen, der ein Signal in Richtung Saturn sendet. An Bord der Discovery macht sich eine Forschungsexpedition auf den Weg zum Mond, um das Geheimnis des außerirdischen Objektes zu lüften. Zur Besatzung gehört auch der intelligente Supercomputer HAL 9000. Doch als es zwischen HAL und der menschlichen Crew zum offenen Kampf kommt, ist das erst der Beginn einer Kette von Ereignissen, die die Geschichte der Menschheit für immer verändern werden.
Der Film und ich
Ich finde 2001 sehr spannend und zugleich unglaublich langweilig. Also den Film. Mein Sinn für Ästhetizismus endet da, wo er zum Selbstzweck wird und sich perpetuiert. Das bedeutet konkret: Ich kann mir dann ein minutenlanges Raumschiffballett anschauen, wenn es die Enterprise zeigt, weil sie meine große Liebe ist, wenn es die Spannung erhöht und damit Teil der Story ist (der Auftakt von „Star Wars“ hätte gern noch ein wenig länger sein können, „Spaceballs“ hat das sehr schön vorgeführt) oder wenn es aus künstlerischen Gründen eingebaut wird, wie in 2001. Letzteres allerdings nur, wenn der restliche Film sich solcher Kapriolen enthält. In dem Fall funktioniert eine solche Szene ähnlich wie ein Comic Relief in Shakespeare-Stücken. Bevor meine Gedanken aber zu weit abschweifen: Raumschiffballett gut, wenn sparsam. Raumschiffballett schlecht, wenn so wie in 2001.
Es ist nicht so, dass die Bilder dieses Films mich nicht faszinieren würden. Das Problem ist lediglich, dass ich nach etwa 30 Minuten den Faden verliere in diesem Film. Dass ich selbst am hellichten Tag und mit viel Kaffee im Blut vor dem Fernseher sitzen kann und einschlafe. Ich habe die Versuche nicht gezählt, ein paar Dutzend werden es im Laufe meines Lebens gewesen sein. Immer wieder bin ich eingeschlafen. Erst ein einziges Mal habe ich 2001 am Stück und wach gesehen.
Dementsprechend skeptisch war ich, was das Buch angeht. Andererseits hat soleras Rezension des Buches mich neugierig gemacht. Und auf meinem SuB lag es ohnehin herum. Zeit also zu prüfen, ob das Buch bekömmlicher ist als der Film (und um der Kritik auch die letzte Spitze zu nehmen: Ich vergöttere Stanley Kubrick – auch für 2001. Auch wenn ich mit dem Film nichts anfangen kann.)
Das Buch und ich – Pathos in 2001
Das Schöne an Science Fiction Literatur ist, dass sie sich meist nicht mit Ästhetizismen herumschlagen muss. Die Sprache solcher Romane ist schlicht, nüchtern, eher beschreibend als schwelgerisch. Es gibt natürlich Romane, die seitenlang fremde Welten entwerfen, bevor eine Handlung geschieht. In den guten Fällen, wie Kim Stanley Robinsons Roter Mars, geschieht das aber nüchtern und wissenschaftlich, damit interessant – und mit einem Wert für die Geschichte. Denn die Landschaft ist dort Protagonist.
Auch 2001 ist so ein nüchternes Buch, was umso erstaunlicher ist, wenn man den Ursprung des Buches sucht. Zuerst gab es nämlich eine Kurzgeschichte von Arthur C. Clarke, Kubrick und Clarke erarbeiteten daraus gemeinsam ein Drehbuch für den Film und Clarke machte anschließend einen Roman daraus. Die Verwertungskette ist super, das Buch ist streng genommen aber „nur“ ein Buch zum Film. Aber es hat seine erste Stärke dort, wo der Film seine Schwächen hat.
Auch Arthur C. Clarke spielt mit dem Pathos, dem Menschen als zukünftigem Herrscher des Planeten, weil er dafür die idealen Anlagen mitbringt. Eine gewisse Arroganz, die wahrscheinlich menschlich ist, liegt in seinen Formulierungen. Das Gute an Formulierungen ist, dass man sie überlesen kann, während „The Dawn of Mankind“ in seinem Zusammenspiel aus Bildern, Ton und Darstellung so dicken Kitsch über die Filmszene schmiert, dass man ihr nicht entkommen kann. Wo der Film also zu dick aufträgt, da ist das Buch angenehm, weil zurückhaltender.
Das Buch und ich – Verständnis in 2001
Ich hatte ein Problem mit dem Film. Weil ich immer eingeschlafen bin, habe ich stets das Gefühl, dass HAL zwar eine interessante Figur ist, aber seine Motivation habe ich nie begriffen. Was treibt einen hyperintelligenten Computer dazu, verrückt zu werden? In jedem Science Fiction Roman oder Film wäre das der Aufhänger gewesen für die Geschichte, die es zu erzählen gilt. Oder sie wird weggelassen, weil sie vom eigentlichen Kernthema ablenkt.
Erst dank des Buches habe ich begriffen, was Hals Problem war. Ich kann es immer noch nicht so ganz nachvollziehen, aber ich verstehe zumindest in Ansätzen, was ihn bewogen hat. Gleichzeitig ist Clarke damit ein Meisterstück gelungen. Denn wie auch der Film von Kubrick erzählt er natürlich keine typische Science-Fiction-Irrer-Computer-Geschichte, sondern auch 2001 ist ein Versuch über die Anlagen, die Fähigkeiten und das Potential der Menschheit. Clarke allerdings kann die Geschichte vom durchgedrehten Computer darin einbinden.
Es geschieht im Buch natürlich nicht explizit, aber wir erfahren durchaus, dass HAL den Widerspruch in seiner Programmierung nicht aushält. Er ist eine Künstliche Intelligenz, aber er kann nicht lügen. Oder vielmehr: Er kann lügen, kann es aber nicht ertragen. Ganz im Unterschied zu den Menschen. Damit öffnet Arthur C. Clarke in seinem Buch Überlegungen, die der Film nicht zulässt. 2001 als Film ist vollständig auf der Seite der Menschheit, ihrer schon vorhandenen Größe und ihrer Fähigkeit zum Guten. 2001 als Buch deutet die Frage an, ob die Menschheit wirklich so gut ist, weil sie kein Problem mit Täuschungen hat und bietet zugleich die Gegenthese an: Es gehört zum Menschsein dazu, nicht immer aufrichtig zu sein, die Wahrheit zu sagen, sondern auch an den eigenen Vorteil (nicht den individuellen Vorteil!) zu denken. So hat Intelligenz begonnen, cleverer zu sein als alle anderen. Im richtigen Maße dosiert, gehört es zum Menschsein dazu – so ließe sich Arthur C. Clarkes Verwendung dieser Episode lesen. Und bietet damit sehr viel mehr Tiefe an als der Film, obwohl die Geschichte auf gerade einmal 220 Seiten sehr viel schmaler daherkommt als die 240 Minuten Film.
Fazit
Das Buch hat es geschafft, mich für die Story zu begeistern, was dem Film dank seiner speziellen Ästhetik nie gelungen ist. Ich weiß jetzt, warum ich immer wieder versucht habe, den Film 2001 zu sehen, obwohl er mich doch gelangweilt hat. Er versucht sich an der ganz großen Erzählung der Menschheit und ist damit sehr puristische Science Fiction weit jenseits der Frage nach der Technologie (die in Science Fiction wichtig, aber immer nur ein Teilaspekt ist).
In Erzählstil wie in der Konstruktion der Geschichte kommt das Buch schlicht und unprätentiös daher, beinahe schon berichtend statt erzählend. Das sorgt dafür, dass nie Längen aufkommen, sondern sich das Ganze gut bekömmlich lesen lässt. Das Ende ist natürlich genau so esoterisch wie das Ende des Films – aber da es ja Fortsetzungen gibt, die die Esoterik auflösen können, bin ich da gnädig und spreche eine klare Lese-Empfehlung aus, für alle die den Film kennen und lieben, aber auch für alle, die Science Fiction lieben und mit dem Film dennoch nichts anfangen können.
Das klingt toll. Ich mag „2010“ (als Film) ja auch fast lieber als „2001“, obwohl ich diesen durchaus spannend und sehenswert finde, wenn auch anstrengend. Vielleicht lese ich in die Bücher einmal rein…
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An 2010 habe ich mich bislang nicht herangetraut, da stand immer 2001 im Weg. Aber jetzt, wo ein paar Vorurteile ausgeräumt sind, werde ich mich doch heranwagen.
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Clark war immer einer meiner Lieblinge und hat Techniken beschrieben die es sehr viel später geben sollte und so ist ja auch das Clarksche Gesetz entstanden. Das der Film 2001 teilweise Längen wie bei einem Baywatch Streifen hat ist wohl dem Regiseur und der damligen Verliebtheit in dieses Thema geschuldet. Ab einem gewissen Alter blendet man die gedeeeeeehnten Abschnitte aus und freut sich auf die Textpassagen 😉
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Genau, in diesem Alter bin ich auch angekommen 🙂
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Das Schlimme ist: Ich mag bspw. die gefühlten 120 Minuten Kamerafahrt um die Enterprise in Star Trek – Der Film, die für ihre Länge gern verdammt wird. Und ich mag die übrigen Filme von Kubrick (außer Eyes Wide Shut, wegen Tom Cruise) … Aber mit 2001 schafft er mich immer noch. Auch nach der Lektüre des Buchs. *g*
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Das kann ich alles nachvollziehen. Ich lese auch gerade mit großem Vergnügen Kim Stanley Robinson in hoher Dosis.
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Lies unbedingt die zumindest nächste Fortsetzung (2010), die schließt den noch nicht geschlossenen Kreis des ersten Bands. Die zwei weiteren Bände sind dann nur schöne, aber nicht mehr zwingend gebrauchte Ergänzungen.
Ich hatte mir aber schon gedacht, dass der erste Teil dir sicher gefallen würde. Der ist in seiner schlichten Eleganz einfach fantastisch!
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Dank dir noch mal für die Anregung. Und 2010 ist irgendwann demnächst dran. Ebenso wie der Wüstenplanet … Und alles andere, was ich dringend lesen muss. ^^
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Zu diesem Kultbuch/Film habe ich gerade was Interessantes gelesen: https://kinogucker.wordpress.com/2017/04/24/the-making-of-stanley-kubricks-2001-a-space-odyssey/
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