Wenn ich ein Zauberer wäre, dann ein Ravenclaw, keine Frage. Wahlfächer Arithmantik und Alte Runen, UTZ-Kurse in … Ach, ich will euch nicht übermäßig langweilen. Es geht heute auch gar nicht um Harry Potter, sondern um Nathanael. Der ist nicht halb so sympathisch wie Harry. Und eine Schule gibt es auch nicht. Was gleich ein Pluspunkt für das Buch ist. Zaubererinternats-Nachahmerprodukte sind nämlich öde.

Inhalt lt. Verlags-Homepage

Dass Dämonen überaus heimtückische Wesen sind, ist dem Zauberlehrling Nathanael durchaus bewusst, als er den 5000 Jahre alten Dschinn Bartimäus beschwört. Aber Nathanael braucht einen mächtigen Gehilfen an seiner Seite. Denn er verfolgt einen äußerst gefährlichen Plan: Mit Bartimäus Hilfe will er das berühmte Amulett von Samarkand stehlen, das sich im Besitz des berüchtigten Zauberers Simon Lovelace befindet. Dieses Vorhaben bringt die beiden bald in tödliche Gefahr …

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Im Hintergrund übrigens „Die Landkarte des Chaos“ – auch eine Lese-Empfehlung, die aber hier auf dem Blog nicht erscheinen wird.

 

Die Handlung

Jonathan Stroud hat einen recht simplen, aber doch verschwörerischen Plot vorgelegt, der recht einfach zu durchschauen ist, wenn der Zufall – wie immer – gegen den Oberschurken ist. Nicht innovativ, aber gefällig, weil Stroud es schafft, seine Geschichte nicht nach Schema F abzuspulen. Einen großen Spannungsbogen oder Innovation in Sachen Handlung darf man nicht erwarten. Dass das Buch etwas hat, liegt an anderen Dingen.

 

Die Welt

Die Zauberer in diesem Buch sind nicht die Guten. Sie sind eine korrupte Elite, die keine eigentliche Macht haben, aber das Geheimnis der Dämonenbeschwörung kennen. Korrupt sind sie deshalb, weil sie gern nach oben buckeln und nach unten treten, gleichzeitig Ränke schmieden und eifersüchtig über ihren Einfluss wachen. Prestige drückt sich bei ihnen nicht in persönlichem Talent sondern in Posten aus. Und die sichern sie sich durch Beziehungen. Beziehungen werden gepflegt, zu den „Gewöhnlichen“ grenzen sich die Zauberer so gut es geht ab, das magische Wissen wird nur in persönlicher Meister-Schüler-Beziehung weitergegeben.

Stroud benötigt keine langen Erklärungen, um seine Welt zu entwerfen. Sie ist einfach da. Und so darf man als Leser*in selbst langsam merken, dass mit dem System etwas nicht stimmt. Das ist durchaus geschickt gemacht von Jonathan Stroud. Seine Erklärungs-Unlust stört allerdings an anderen Stellen. Neben den „Ebenen“, auf denen Bartimäus ständig späht (und deren Sinn völlig im Dunkeln liegt) ist das insbesondere die Rolle der „Gewöhnlichen“. Wir begegnen einer dieser Personen, die durchaus Kritik äußert. Wir erfahren zudem, dass es einen Widerstand gegen die Zauberer gibt. Dieser Widerstand bleibt allerdings bis zuletzt diffus und ungreifbar. Ein Ärgernis, weil sich die Geschichte in diese Richtung weiterentwickeln soll. Das wird deutlich. Aber Stroud gelingt es in seiner Welt nicht, einen Anreiz zu setzen, diese Geschichte zu erfahren. Es mangelt an Appetizern.

 

 

Nathanael

Auch der junge Zauberer Nathanael, Schüler eines bestenfalls mittelmäßigen Zauberers, ehrgeiziger und zauberergläubiger Schlauberger, ist kein Sympathieträger. Was doof ist, weil er einer von zwei Protagonisten ist. Nat ist arrogant, ehrgeizig und zutiefst verblendet. Er hält sich für etwas Besonderes und für großartig. Das ist er der Logik der Welt nach auch, aber nur zum Teil. Als Leser*in hat man gegenüber Nathanael immer einen Wissensvorsprung, ich konnte nicht anders als ihn als Opfer des Systems wahrzunehmen.

Das ist nicht dramatisch, wenn er denn wenigstens Motive hätte, die über Rache und Ehrgeiz hinausgehen. Er will mehr lernen, ja. Aber warum? Und wie? Er tut es, so viel wissen wir, aber selbst dabei dürfen wir Nathanael nicht über die Schulter blicken. Er macht ständig Entwicklungssprünge, in die man sich neu hineindenken muss. Und sein Antrieb, einen fremden Zauberer zu bestehlen, gegen seinen Meister aufzubegehren, bleiben immer äußerlich. Es ist nicht nur so, dass Nathanael nicht zur Identifikation einlädt, sein Verhalten ist nicht einmal nachvollziehbar oder überzeugend.

 

 

Bartimäus

Wie gut, dass es Bartimäus gibt. Okay, der Dschinn ist auch arrogant. Aber er ist zugleich witzig und clever. Er findet es alles andere als lustig, von einem Halbwüchsigen beschworen zu werden, denn er blickt auf eine lange, erfolgreiche Dämonenkarriere zurück. Da ist es gewöhnungsbedürftig, zum „Opfer“ eines Halbstarken und seiner unausgegorenen Rachepläne zu werden.

Die ungewohnte Rolle macht Bartimäus sympathisch. Auch, dass er Fehler macht, obwohl er so mächtig ist. Weil er unterschätzt, in was für eine Sache er da hineingerät. Und dennoch, egal was ihm zustößt, Bartimäus hat einen Witz oder eine Anmerkung zu machen. Er macht sich über die Menschen lustig und gibt den Leser*innen einen Blick auf die Zaubererwelt, wie wir es als anthropozentrisch denkende Wesen selbst nicht wagen würden. Wir wollen uns ja doch immer eher mit den Menschen identifizieren.

Auch Bartimäus lädt nicht zur Identifikation ein. Dafür ist er eine Spur zu selbstverliebt. Aber er hat Sinn für Humor, versteht sich auf Ironie und ist ein wunderbarer Anekdotenerzähler. Manchmal hatte ich das Gefühl, er kommentiert das Romangeschehen selbst ironisch und verirrt sich ironisch auf eine Meta-Ebene der Erzählung.

 

Fazit

Das wäre auch der Punkt, der die Geschichte interessant macht. Bartimäus erlebt nicht nur, er kommentiert auch. Er ist ein Ich-Erzähler, der richtig Spaß macht und mit dem Er-Erzähler, der Nathanael begleitet, kontrastiert. Besser für das Buch wäre es, wenn Nathanael und sein Erzähler nicht so sehr abfallen. Aber die Figur Bartimäus und dieser besondere Perspektivenwechsel ist eine Erklärung, wieso „Das Amulett von Samarkand“ zumindest kurzweiliges, wenn auch nicht überragendes, Fantasy-Vergnügen bietet.

Diese Konstruktion ist sogar so gut, dass ich mich nicht über fantasytypische Logiklöcher aufregen musste. Die gibt es in diesem Buch natürlich auch. Ich bin hineingetreten. Habe aber nur den Kopf darüber geschüttelt, statt mich zu ärgern. Immer ein gutes Zeichen.

5 Kommentare zu „Dämonen und Zauberer

  1. Ich wollte dich schon dafür loben, dass du ein gutes Buch gelesen hast (witzig, davon hat heute eine Kommilitonin ebenfalls berichtet XD ), und dann das? 😦
    Die Entwicklung der Geschichte rund um den Widerstand braucht ihre Zeit, für die der erste Band schlicht nicht ausgelegt ist. 😉
    Und Nathanael bietet durchaus Identifikationspotential. Er ist verloren in einer Welt, die er noch lange nicht durchblickt, genau wie der Leser. Natürlich will er mehr erfahren und mehr lernen, und sich beweisen – er ist ein Kind/Heranwachsender. 😉
    Und sein Rachefeldzug, na, also, wenn dich ein berühmter Zauberer niedermacht, und dein eigener Meister lahm danebensteht, zuschaut, und alle Beteiligten wissen, was für eine Pfeife dein Meister ist, dann wäre vermutlich jeder stinkig. 😉
    Aber, und da stimme ich dir zu, Nathanael ist nicht unbedingt ein Sympathieträger. Dafür ist dann doch eher Barti da. 🙂

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    1. Nathanael ist ein überhebliches Arschloch mit einem ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex. 😉 Erinnere dich einfach mal dran, wie er wegen seiner entlassenen Lehrerin rumheult.

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      1. Wegen der hätte ich auch rumgeheult! 😳
        Aber gut, ein wenig überheblich bin ich auch, und minderwertig fühl ich mich gefühlt an drei von vier Tagen. Ob das was damit zu tun hat? :mrgreen:
        Ich war (deshalb?) deutlich weniger Streng mit ihm. 😉

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