Im Sammelsurium meines Kopfes kreist momentan so einiges um den Frühling in seinen verschiedenen Ausprägungen. Eines verstehe ich am Frühling aber nicht.

Ich gebe es zu, ich mag den Frühling nicht. Das hat Gründe. Im Frühling habe ich immer mit meiner Allergie zu kämpfen. Nicht mit irgendwelchen Pollen-Allergien sondern meine Hormon-Allergie. Wenn die Menschen verliebt … durch die Gegend wandeln. Damals an der Alma Mater sind sie gern auf der Spitze eines Berges gewesen, wo es burgbedingte Mauern gibt. Ich habe mir manchmal vorgestellt, wie ich jeweils eine Hälfte der Paare von der Mauer schubse, damit bei anderen Menschen die Hormone nicht mehr ausschlagen und mein eigener Ausschlag verschwindet. Von wegen „Süße wohlbekannte Düfte“, Pestilenz ist dein Name.

Nennt mich zynisch, aber ich mag den Frühling nun einmal nicht. Auf der Liste meiner liebsten Jahreszeiten liegt er auf Platz 4, knapp vor dem Winter, aber ansonsten reichlich am Ende. Das einzig gute am Frühling ist ja, dass er den Winter beendet. Aber die Nebenwirkungen? Besonders schön ist es natürlich, wenn sich so ein Rudel Jungmenschen zusammenfindet, so vor Hormonen sprühend und dann Konkurrenz-Situationen um knappe Ressourcen wie die kurzen Momente der Aufmerksamkeit seitens des Weibchens, wenn es mal vom Smartphone aufblickt. Aber gut, ist halt Frühling, nicht wahr? Die Bäume schlagen zwar noch nicht aus, die Bäumchen aber schon. Und die Blumen machen sich bereit zu sprießen. Nicht nur Tulpen, nein, auch der ein oder andere Narziss darf sich schon auf sein Veilchen freuen.

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Narziss (Symbolbild)

Das einzig gute am Verhalten solcher Menschenrudel ist, dass sich diese Situationen ankündigen, wenn man genau hinhorcht. Es ist recht friedlich, laut aufgedrehter Hip Hop dröhnt sanft über die Wiese und erstickt den harfengleichen Klang von Vögeln im Gebüsch ebenso wie den Vögeleien im Gebüsch – allerdings ohne Gebüsche … Lassen wir das. Jedenfalls sind diese Menschen laut, ausgelassen, fröhlich und übermütig wie junge Ziegen, die über eine Weide tollen, bis sich ein scharfer, meckernder Ton einschleicht, vielleicht weil eine der Ziegen vom Smartphone aufgeblickt hat und das Gefühl hatte, gerade ihre kurze Aufmerksamkeitsspanne umsonst eingesetzt zu haben, weil beide potentiellen Bewerber für eine Lehrstunde in Ornithologie abgelenkt waren … Hoffentlich nicht sich gegenseitig über Harfenklänge aufklärend, die Jugend von heute ist liberal. Jedenfalls wird das Gemecker einer beleidigten Ziege sofort hörbar schärfer. Und als alter Hase, der das Gras wachsen hört, höre ich natürlich auch die Veilchen wachsen.

Nein, ich mag den Frühling nicht. Das einzig Gute daran ist, dass der Winter vorbei ist und es damit wärmer wird. Aber der Frühling lässt mich auch immer perplex über die pötisch gestimmten Menschen in meinem Umfeld zurück. Denn ebenso wie die Hormone tritt bei ihnen im Frühling Eduard Mörike mit seinem blauen Band auf, das er seinerzeit für die schnellste Atlantik-Überfahrt mit Passagieren bekommen hat. Was das mit Frühling zu tun haben soll, verstehe ich bis heute nicht.

40 Kommentare zu „Von einschlagenden Veilchen und vögelnden Harfentönen

  1. Die Beschreibung des „Jungmenschen Rudels“ passt wahrlich sehr gut auch wenn heutzutage warscheinlich kein Hip-Pop mehr aus den Handys dröhnt sondern 187 und andere „Gangster Sachen“ auch wenn ich dies nicht so genau beurteilen kann gebe mich schließlich nicht mit solchen Leuten ab, da lese ich lieber.

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    1. Ich habe jetzt mal in die 187 Straßenbande hereingehört … Aber das ist definitiv Hip Hop. Zwar tatsächlich die etwas alberne „Gangster“-Spielart, aber definitiv Hip Hop. Nicht dass ich was gegen Hip Hop hätte … Aber bitte erwähne nie wieder schlechte Bands, die ich noch nicht kenne. Ich muss jetzt diesen Krach los werden. Und Cro ist dafür zu zahm. ^^

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  2. So schöne Blumen, welch liebliches Bild!
    So ein friedlicher, inspirierender Blogbeitrag!
    Ach, immer wenn ich das Wort Frühling lese, gerate ich in Verzückung und die Schrift verschwimmt mir vor den Augen, weil ich nur noch den fröhlichen Vogelsang höre 🙂
    Schön, dass du das auch alles so siehst, oder hätte ich mich am Zeilenende etwa verlesen?!
    Nein, den Frühling nicht mögen, das gibt es doch gar nicht! 🙂

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    1. Ich benutze dieses Bild regelmäßig, um mein Verhältnis zum Frühling zu beschreiben. Es hat sich bewährt. Ich verstehe es selbst nicht, wieso, aber es finden verhältnismäßig viele Menschen lustig. 😉

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      1. Es ist ein klasse Text. Das erste was ich heute morgen las. Und wie du siehst, ging es mir (und nicht nur das schubsen) den ganzen Tag durch den kopf. Ich überlegte auch in welcher Reihenfolge ich die Jahreszeiten nach den liebsten sortieren würde.

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          1. Ja. Am Sommer hängt mein Herz. Aber es ist der Wechsel der mir gefällt. Also etwas mehr Sommer, ansonsten alle tatsächlich gleich. Freuen und herbei sehnen tue ich aber nur den Frühling. Da merke ich, dass die Wärme fehlte.

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  3. Oh ja, die Jungmenschenrudel…die hiesigen hören noch Hip Hop wie ich gestern feststellte…und sie kommentierten auch jedes weibliche Wesen, welches sich in Zielgruppenalter und -reichweite befand. Ich kam davon, da much die Anwesenheit des Zwarghs als Mutti outete und selbige hätte ich auch von dem ein oder anderen Hormonvulkan sein können…hach ja, Frühling!!! ⚘⚘⚘

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  4. Ich hab mich auch schon immer gefragt, warum das blaue Band aus dem Gedicht blau ist. Müsste man eigentlich rausfinden können.
    Ich verweise frühlings immer gern auf die Ärzte: M&F. Die packen deine Beobachtungen (aber nicht das Mauerschubsen) sogar in Musik.
    Liebe Grüße
    Christiane

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  5. Also mir gefällt der Frühling ausgezeichnet. Die paar Hormone, die eine alte Frau noch so hat, können ein bisschen frühlingsgemäßes Anschubsen gut brauchen. Natürlich benehme ich mich altersgemäß unauffällig, also bitte nicht runterschubsen, falls du mich auf irgendeinem Turmgemäuer erblickst.

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    1. Man sollte vorsichtig sein, was alte Damen und Hormone angeht. Die älteste Frau, von der ich jemals angegraben wurde, war 101 … Die hatte schon ihren dritten Frühling hinter sich. 😉
      Ansonsten würde ich es nicht unauffällig nennen, sondern diskret. Und das ist eine Eigenschaft, die man in jedem Alter haben sollte. Dennoch danke. 🙂

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  6. Mh. Mh… Mhhhhh
    Also bei der Allergie bin ich dieses Jahr voll mit dabei. So krass war das noch nie. Geschniefe, verquollene Augen, permanentes Gerotze.
    Aber das Hormongedudel find ich ganz interessant. Lass dich doch mal davon mitziehen? Wer weiß, was kommt (oder wer…).
    Oder hast du Angst, mit rotallergierten Augen und Schnodderfaden eh nix abzubekommen 😀 *renn*

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