Wann immer ich Gründe habe, die Montagsfrage des Buchfresserchens nicht zu beantworten, gebe ich einen Einblick in mein Seelenleben. Ich bediene mich dafür des so genannten Proust-Fragebogens. Alle bisherigen Antworten findet ihr hier, heute geht es um den Traum vom Glück.

Das ist so eine furchtbar weite Frage, dass ich vor ihr zurückschrecke. Ich sinniere darüber, ob ich sie beantworten kann. Denn Traum und Glück sind zwei starke Worte, die sich im Kern nur durch sich selbst beschreiben lassen: Glück ist das, was Glück ist. Ein Traum ist das, was ein Traum ist. Sobald ich anfange, „auszuweichen“, erkläre ich nur Aspekte des Ganzen und beschreibe mehr als dass ich antworte. Ich könnte davon erzählen, wie ich mir eine Wohnung einrichte, um dann über Wohnkonzepte zu sprechen. Denn als WG-Freund würde ich gar keine Wohnung für mich haben wollen, sondern eine großzügige Hausgemeinschaft mit netten Menschen.

Es destilliert sich aber aus diesem einzelnen Aspekt dennoch etwas heraus, das einen Hinweis gibt. Zum Glück gehört für mich nicht notwendigerweise eine Partnerschaft im herkömmlichen Sinne, wo man neben Tisch und Badewanne auch das Bett teilt, (was nicht heißt, dass das Bett nicht teilen kann, während Tisch und Badewanne großzügig sind) andererseits lege ich Wert darauf, meine Zeit mit anderen Menschen zu verbringen und wünsche mir drittens Rückzugsräume für mich, wenn ich sie benötige.

Aber ist das schon Glück? Okay, es ist mehr als eine Wohnsituation, es sagt auch etwas über die Nähe (und Distanz) anderer Menschen aus, die ich zum Glück brauche. Aber ist das alles? Da ist die Geldsache. Aber über Geld spricht man nicht. Geld hat man … Oder man gibt es aus. Davon abgesehen vermittelt der Kontostand zwar ein beruhigendes Gefühl, aber mehr als ein wenig Sicherheit bietet er nicht. Aber zum Traum vom Glück in einer kapitalistischen Gesellschaft gehört – wenn man keinen Aussteigertraum hegt (Gott bewahre!) – natürlich Geld.

Ich spüre, wie ich gedanklich wieder auf die Sache mit den anderen Menschen zurückkomme, weil ich darüber nachdenke, auch in meinem Traum vom Glück arbeiten zu wollen. Weil ich etwas Sinnvolles tun möchte. Vielleicht sogar etwas Bedeutsames. Nicht im Sinne von „Kriege anzetteln, Revolutionen in der Forschung auslösen, zeitlosen Klassiker schreiben“ … Für einzelne Menschen reicht es schon. Okay, viele Menschen. Ich freue mich nämlich immer über zwei Dinge

  1. Wenn ich Menschen zum Lachen bringen kann
  2. Wenn ich Menschen zum Nachdenken bewegt und zu einer Erkenntnis verholfen habe

Mein Traum vom Glück ist keine gesellschaftliche Utopie – oder doch? Ich würde mir eine Gesellschaft wünschen, in der nachgedacht und gelacht wird. In der wir uns gegenseitig zum Lachen und Nachdenken bringen, in denen jedermensch das Potential hat, bedeutsam zu sein für andere Menschen. Ganz gleich ob als „Influencer“ im großen Stil oder ganz privat, vielleicht nur für eine einzige Person. Mein Traum vom Glück ist ziemlich egoistisch: Alle Menschen sollten ein wenig so sein wie ich. 😉

seamus16
Seamus denkt das übrigens auch … Also dass es ein Traum wäre, wenn alle Menschen ein wenig so wären wie er.

29 Kommentare zu „Proust-Fragebogen: Ihr Traum vom Glück?

  1. Das klingt ja fast idealistisch 🙂

    Ich gebe zu, [mehr] Geld zu haben, wäre schon ein Traum von mir. Weil ich denke, dass man mit mehr Geld [mehr] Dinge tun könnte, die man wirklich mag. Ich mag meinen Job nicht unbedingt und ich putze auch nicht sonderlich gern. Ich würde den Job hinschmeißen und mir lauter selbstreinigende Geräte kaufen 😀
    Es ist deswegen ein Traum, weil es auch damit enden könnte, dass ich den ganzen Tag daheim hocke und nichts mehr tue. Aber das weiß ich – solange ich das Geld nicht habe – ja nicht 😉

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  2. Nun, mich hast du schon oft zum Lachen und Nachdenken gebracht, in dieser Hinsicht darfst du dich eindeutig zu den Glücklichen zählen. Andererseits ist es doch auch ein wenig seltsam, dass vieles von dem, was du als Glück beschreibst, immer nur in Abhängigkeit von anderen existiert. Ich zum Beispiel sehe meine eigene Zufriedenheit mit mir, das „Mir-genügen-Können“ (natürlich nicht *nur* das), als einen ebenso großen Teil des Glücks an.

    Und schon wieder hast du mich zum Nachdenken gebracht, alter Philosoph!

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    1. Klar ist es wichtig, mit sich im Reinen zu sein. Und ich bin im Zweifel auch lieber für mich als unter Menschen. Aber die anderen sind für mich grundsätzlich wichtig. Wenn es kein Du gibt, was ist dann noch ein ich? Ich finde es existentiell wichtig, ein Gegenüber zu haben, in dem man sich selbst erkennt. Ohne du gibt es mich nur so ungefähr.
      Und danke, das sind die schönsten Dinge, die man mir sagen kann ☺

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  3. Wo der gesunde Egoismus aufhört und an welcher Stelle er überhaupt angefangen hat – solange es in der eigenen Ideologie die Anderen noch gibt, ist es dann eine Sorge, die man haben sollte/darf?

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    1. Klar. Die „kritische“ Frage ist, ob die Anderen mir nur als Objekte dienen, in denen ich mich spiegele oder ob ich ihnen auch Raum gebe, sich in mir zu spiegeln. Da würde ich die Unterscheidung treffen.

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  4. Ach, lieber Zeilenende, du schaffst beides bei mir, manchmal seriel, manchmal zeitgleich, und immer wieder aufs Neue. Insofern: Gut gemacht! 🙂
    Und ich denke auch, ein paar Zeilenenden mehr täten niemandem weh, im Gegenteil. Ok, außer vielleicht Moritz, aber der verdient es nicht besser. 😀

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      1. Ne, im gegenteil, ich denke wir sorgen hier und da für Lacher. Und wer weiß, viele denken sicher darüber nach, warum sie sich das angetan haben und kommen manchmal zu der erkenntnis, weils fürn Lacher gut war.

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        1. Ich weiß, das ist das große Risiko des Lebens. Deshalb nominiere ich beim Liebster Award auch recht selten. Es gibt eben auch viele, die ihn zu oft gemacht haben.
          Für mich ist es immer eine dankbare Laber-Aufgabe, die mir Spaß macht. 🙂

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