Ich habe zu meinem Entsetzen festgestellt, dass ich mich bislang nur ein einziges Mal ausführlich zu Doctor Who geäußert habe in diesem Blog, während Star Trek zumindest in Nebensätzen ständig vorkommt. Das ist ein Skandal. Deshalb gibt es heute meinen Rückblick auf die neunte Staffel und eine Ehrenrettung von Peter Capaldi.

doctorwhoseasonnine
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Optik

Der Doktor ist immer noch alt, was für die achte Staffel eine Änderung der Geschichten bedeutete. Es wurde viktorianischer und lehnte sich erzählerisch wie optisch an Steampunk und Gothic Novels an. In der neunten Staffel ist dieses Konzept nicht mehr so stringent. Wir springen munter durch alle Zeiten und durchs Weltall, aber dem neuen Look bleibt die Serie zumindest dahingehend treu, dass die entscheidenden Momente der Staffel in Kulissen spielen, die an einen Charles-Dickens-Roman erinnern. Das passt wunderbar zu Peter Capaldis Doktor.

Dementsprechend ist auch die Opening Sequence zu Season 9 angepasst. Leider gibt es kein brauchbares Video dazu, aber die Elemente bleiben gleich, die Optik wurde aber schonend modernisiert und das Gesicht des Doctors nimmt einen prominenten Platz im Opening ein. Es erzeugt gewohnt gute Stimmung, lediglich bei der TARDIS hätte man sich ein wenig mehr Mühe geben können: Sie sieht in dieser Sequenz arg animiert aus und fügt sich nicht so recht in den Hintergrund.

 

Der Doctor

Ich war bei der Recherche für diesen Rückblick irritiert. Die neunte Staffel Doctor Who gilt offenbar als sehr gelungen. Sie wurde bei Rotten Tomatoes im SF/Mystery/Fantasy-Genre als bestbesprochene Serienstaffel 2015 ausgezeichnet, die Reviews im Netz überschlagen sich und halten die neunte für die beste seit der Wiederbelebung 2005. Andererseits habe ich immer wieder, gerade in persönlichen Gesprächen, das Gefühl, dass Peter Capaldis Inkarnation des Doctors überhaupt nicht gut ankommt.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Der Doktor war zwei Darsteller lang Sympathieträger, ein höflicher Bubi, der kindlich-begeistert durchs Universum sprang, mit seinem Sonic Screwdriver herumfuchtelte und keine Hobbys hatte. Peter Capaldis Doctor ist kein Bubi sondern alt. Für Sympathie tritt er zu arrogant auf und seine kindliche Begeisterung hat er hinter sich gelassen und – Sakrileg! – den Sonic Screwdriver durch Sonic Sunglasses ersetzt und sich ein Hobby zugelegt. Der Doctor ist jetzt Rockstar. Nichtsdestotrotz hat sein Doctor eine unglaubliche Szenenpräsenz und dominiert alles um ihn herum. In Staffel Neun geht es nicht um das Abenteuer, das die Tennant- und Smith-Ära ausgemacht hat, es geht um den Doctor. Deshalb sehen wir so häufig sein Gesicht, dem die Sympathie vergangener Zeiten völlig fehlt. Aber ohne dieses Gesicht wären die Storys nicht möglich. Als Fan des Chris-Eccleston-Doctor fühle ich mich mit diesem Unsympathen-Doctor aber wohl. Er ist ein ernstzunehmender Timelord.

 

 

Charaktere

Die neunte Staffel schlägt gut auf und bereitet zumindest mir Freude. Gleich zu Beginn gibt es ein Wiedersehen mit meinen beiden liebsten alten Bekannten, die dem Doctor das Leben gern zur Hölle machen. Und die ganze Staffel hindurch bleiben mir die Weeping Angels erspart – ich hatte mit meiner Prognose wohl recht, die Produzenten orientieren sich mit Peter Capaldi stärker an der Zeit vor 2005. Der Entscheidung gilt mein Dank, denn stattdessen erleben wir ein grandioses Miststück und erleben die komplizierten Verwicklungen, die zwischen dem Doktor und gleich mehreren seiner Feinde bestehen, in einem Punkt konzentriert.

Demgegenüber steht mit Clara ein nervtötender Companion. Clara kommt meinem Gefühl nach ähnlich schlecht weg wie die aktuelle Inkarnation des Doctors. Falls jemand nicht weiß, woran das liegt, hier die Antwort: Clara ist die immer sympathische, die gute, die reine, die heilige Figur in Doctor Who. Sie ist so makellos, so ohne Ecken und Kanten, dass Papst Franziskus sie problemlos auf der Stelle zur Schutzheiligen der Zeitreisenden erklären könnte. Und niemand mag solche Figuren. Clara nervt.

 

 

Themen

Die neunte Staffel Doctor Who wurde wegen der Themen gefeiert. Zurecht. Ein wenig auch zu unrecht. In der neunten Staffel wird über das Schicksal reflektiert: Was bedeutet es, dem Doktor zu begegnen, wie fühlt sich Einsamkeit an? Mit Sarah Jane Smith wurde das Thema für die Companions bereits intensiv beleuchtet und die Geschichte ihres Lebens ist einer der ganz starken Momente von Doctor Who gewesen. In der neunten Staffel wird das Thema variiert und beleuchtet die Einsamkeit des Zeitlosen. Während der Doctor immer weiter macht, seine Natur ist die Zeitlosigkeit, legen die Autoren den Fokus auf die Frage, was Zeit für menschliche Wesen ausmacht und finden eine sehr existentialistische Antwort darauf. Die neunte Staffel ist ein Sumpf von Beklemmung: Man spürt ständig Verlassenheit und Einsamkeit.

 

Darüber hinaus gibt Doctor Who einen Kommentar zu den Themen Flucht und Vertreibung ab, wird damit erstaunlich politisch und aktuell. Beide Themen brechen mit dem fröhlichen Ton der Smith- und Tennant-Ära. Dort war alles bunt und idealistisch. Auch die beiden Vorgänger-Doktoren waren tiefgründig, aber von unheimlichem Optimismus getrieben. Capaldi erlaubt es, diesen Optimismus abzuschütteln. Sein Doctor macht nicht weiter, weil alles besser werden wird, er macht weiter, weil er weitermachen muss, auch wenn seine Welt nicht Friede, Freude und Eierkuchen ist. Doctor Who ist in unserer Gegenwart angekommen, die geglaubt hatte, das 9/11-Trauma überwunden zu haben, nur um festzustellen, dass dessen Konsequenzen uns nun zu überrollen drohen und sich mit weiteren Krisen vermischen. Unsere Welt wird dunkler, das Fernsehen wird es auch.

 

Das Weihnachtsspecial

Da Doctor Who nun einmal aber auch komisch ist, kann eine Staffel nicht so deprimierend enden. Die Macher versüßen uns den Weltschmerz auf der Mattscheibe mit einem grandiosen Weihnachts-Special. River Song begegnet der neuesten Inkarnation des Doctors. Als Frau des Doctors muss sie ein gehöriges Trauma abbekommen haben – oder wird eines abbekommen. Die Sache mit der Zeitlinie ist bei River und dem Doctor kompliziert, um zu untertreiben. Mit dem Doctor verheiratet zu sein heißt nun einmal, mit verschiedenen Personen verheiratet zu sein. Die gute River muss das so verwirrt haben – oder verwirren – dass sie in diesem Weihnachtsspecial gleich mehrfach verheiratet ist. So entsteht ein grandioser Klamauk, in dem River die TARDIS klaut und mit Momenten brilliert wie Folgenden:

„Du willst meinen Kopf haben? Warum hast du nicht gefragt?“

„Lade Bestätigung hoch!“ Und er lädt die Bestätigung hoch, wörtlich genommen.

 

Fazit

Für die Menschen, die Doctor Who vor Allem wegen des schrägen Humors schätzen, ist das Weihnachtsspecial versöhnlich. Wenn es in der neunten Staffel Momente zum Lachen gibt, bleibt es meistens im Halse stecken. Die Unbefangenheit des Doctors ist mit Peter Capaldi vorläufig verschwunden. Für mich persönlich wird es an manchen Stellen der neunten Staffel tatsächlich zu existentialistisch und schwermütig, ich hätte mir zumindest den ein oder anderen „comic relief“ in bester Shakespeare-Tradition gewünscht. Denn die Stärke von Doctor Who ist meiner Ansicht nach, Klamauk und Tiefsinn miteinander zu verbinden. Andererseits war insbesondere Matt Smith ein sehr klamaukiger Doctor, es schadet also nicht, dass die Serie jetzt endgültig auf den Boden der Tatsachen gestellt wurde.

Was der neunten Staffel wirklich fehlte, war allerdings ein wirksamer roter Faden. Es gibt in der Tat eine Geschichte, die sich durchzieht und die auch mit der ein oder anderen Überraschung aufwartet, für eine perfekte Staffel Doctor Who fehlt neben der kleinen Portion Humor aber die Erkennbarkeit des roten Fadens. Er trägt die Staffel als Ganzes, es gelingt ihm aber nicht, die einzelnen Episoden gut miteinander zu verknüpfen. Da wundert es nicht, dass eine Stand-Alone-Episode wie Folge 9 in der Bewertung so sehr abfällt: Hier verbinden sich eine schlechte Geschichte mit der fehlenden Verbindung zur Rest-Handlung.

Das ist wie immer bei mir Jammerei auf hohem Niveau. Wem Doctor Who mit den Doktoren Nummer 10 und 11 zu quietschig war und die Ernsthaftigkeit vermisst hat, sollte Peter Capaldi eine Chance geben. Und für die Whovians gilt: Die Intensität, die ihr alle in der neunten Staffel gespürt habt, verdankt ihr dem unsympathischen zwölften Doctor. Habt ihn dafür zumindest ein wenig lieb.

 

mankos

ein wenig zu existentialistisch

es fehlt dieser staffel ein wenig der rote faden: es gibt einen, aber er trägt die geschichten nicht

 

24 Kommentare zu „Endlich mal ein Beitrag zu Doctor Who!

  1. Ein Blog zu Doctor Who das ich dass noch erleben darf :,) Ich persönlich bin ein Großer Fan der Serie seit dem Achten Doctor (auch wenn der Fernsehfilm nicht so super war) aber wer ist eigentlich ihr Lieblings Doctor ?

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    1. Ich bin ein wenig später dran. Ich kenne mittlerweile auch ein wenig von dem „früheren Zeug“, wusste auch vorher schon, dass es Doctor Who gibt, zum Fan geworden bin ich aber erst mit dem Reboot und Christopher Ecclestone. In dem Fall gilt: „You never forget your first Doctor“ und der 9. ist bis heute mein Favorit. Dicht gefolgt tatsächlich von Peter Capaldi, der mich in der Rolle beeindruckt.
      Aber da wir im Netz und damit unter uns sind: Du darfst gern du sagen. Ich fühl mich eh schon alt. 😉

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      1. Eccelstone war schon ein Klasse Doctor und wir immer einen besonderen Platz ihn meinem Herz haben trotzdem muss ich sagen das Matt Smith meine Lieblings Inkarnation des Doctors ist

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        1. Nope … Arbeit wäre kein Problem, Urlaub ist genehmigt. Es geht eher drum, einen Strich zu machen. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob und wie ich darüber was schreiben … kann (ich habe es nämlich mal probiert und es ging nicht).

          Und ja, das klingt kryptisch. Aber ist kein Grund zur Beunruhigung. Nur vorerst nichts fürs Netz. 🙂

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  2. Oooh super, Beitträge zu Doctor Who finde ich immer gut xD

    Ich fand die quetischigen Doktoren 10 und 11 klasse! Deswegen musste ich mich erstmal eine Staffel lang an den ungewohnt grantigen 12. Doctor gewöhnen.

    In der 9. Staffel fand ich ihn dann allerdings richtig gut. Vielleicht, weil er da endlich „seinen Platz gefunden hatte“. Jetzt mag ich ihn gar nicht mehr missen, und freue mich total auf die neue Staffel!

    Nur Clara konnte ich auch nie so richtig mögen. Ich hab sie irgendwann an der Seite von Capaldi akzeptiert, weil sie da eine Art „Rolle“ hatte („She is my carer. She cares so I don’t have to“ :D), aber Du hast recht: Sie war einfach zu perfekt! :/

    Umso mehr freue ich mich auf die Neue, die scheint von einem ganz anderem Kaliber zu sein, so ein bisschen quirlig und das mag ich (aber was ich so im Internet mitbekomme, spaltet sie auch eher die die Gemüter…)

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    1. Ich bin gespannt auf den neuen Companion. Auch wenn es keinen cooleren gab als K-9. 😅 Seit dem Relaunch lasse ich hingegen nichts auf Donna kommen.
      Was Capaldi angeht: Geht es noch cooler als er mit der E-Gitarre als Rockstar? 😅

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      1. Jaaaa, Donna hat auch einen festen Platz in meinem Herzen! Weswegen mir (uns) die Neue wahrscheinlich so gut gefällt, die scheint ein bisschen nach ihr zu schlagen („Or as I call him – Doctor What?!“ xD)

        Cooler als Capaldi mit E-Gitarre als Rockstar? Vllt wenn er dann noch seine „Sonic Sunglasses“ dazu aufsetzt xD

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    1. Erstaunlich, das widerlegt meine Theorie, dass Capaldi was für die Ecclestone-Fans ist. Oder lag es vielleicht eher an den Nebenschauplätzen? Er hatte immerhin einen echt miesen Companion und ein paar grauenvolle Standalone-Folgen neben dem HAuptstrang. *g*

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      1. Ecclestone war sympathischer, „flotter“, seine Begleiterin hatte auch etwas sympathisches, aber Capaldi war mir insgesamt zu depressiv und unsympathisch und seine Begleitung irgendwie…komisch. Die haben mich irgendwie nie erreicht.

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  3. Mein Einstieg erfolgte mit Ecclestone und Companion Rose Tyler. Ecclestone mochte ich – Rose Tyler auch; aber das absolute Dream Team waren für mich David Tennant als Doctor & Companion Rose. Die beiden hab ich auch im Original ohne Zuhilfenahme von Untertiteln verstehen können. Donna war als Companion auch okay. Vielleicht, weil sie den Doktor nicht anhimmelt, so wie z.B. Martha Jones es tut.

    Mit Matt Smith konnte ich mich dagegen nicht so richtig anfreunden – da war mir dann Capaldi dann doch lieber.

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    1. Ich mag Donna vor allen Dingen, weil sie so handfest ist. Rose fand ich für den Einstieg als Companion auch ganz gut, weil sie so … Überwältigt von allem war. Sie konnte das am überzeugendsten von allen Companions sein. Das stimmt schon. 🙂

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