Die Zauberei ist eine Buchkunst. So weit war uns das allen klar. Zauberer begegnen uns immerhin bevorzugt in Buchform, gleich ob sie Merlin, Harry oder Peter heißen. Und sie lernen ihre Zaubersprüche aus Büchern. Zumindest wenn sie Zauberei richtig einsetzen wollen und nicht dilettantisch in der Gegend rumhexen. Was aber, wenn die Bücher nun das Magische sind?

Inhalt lt. Verlags-Homepage

Isaac führt ein ruhiges Leben als Bibliothekar. Inmitten staubiger Regale und Kisten sortiert er Bücher und pflegt die größte Fantasy-Abteilung der Stadt. Was niemand ahnt: Das alles ist bloß eine Tarnung. Denn Isaac ist ein Buchmagier und Mitglied eines Geheimbundes, der seit Jahrhunderten die Menschen vor übernatürlichen Gefahren beschützt. Isaac kann die Magie der Bücher nutzen, um Gegenstände aus ihnen herauszugreifen – eine Gabe, die er bald dringend benötigt, um sein Leben zu schützen. Denn jemand oder etwas beginnt, systematisch Buchmagier zu ermorden …

buchmagier
Quelle

 

Einstieg

Dieses Buch weiß durchaus zu fesseln, zumindest mich. Weil es in einer Bibliothek beginnt, ein Mensch Bücher einscannt und schrullige Bibliotheks-Besucher beobachtet. Für einen bibliotheksaffinen Menschen ist das eine Einladung. Auch der eher klassisch orientierten Fantasy-Fan muss nicht lange warten, bis ein Trio von Schurken die Bibliothek aufmischt, alles in Schutt und Asche gelegt wird, der Held von einer unerwarteten Rettung den Arsch gerettet bekommt und beide vor einem großen Rätsel und Geheimnis stehen.

Dennoch weiß der Anfang zu überzeugen. Das liegt nicht am stereotypen Ablauf des Einstiegs. Wenn es ein Lehrbuch gäbe, das den Einstieg in einen durchschnittlichen Fantasy-Roman behandelte, gäbe es eine Checkliste, die man neben dieses Buch legen und abhaken könnte. Aber in den Details offenbart sich, dass „Die Buchmagier“ ganz spaßig werden könnte. Das liegt

  1. an der Idee, wie Magie funktioniert: Gegenstände – wie Waffen oder Heilmittel – werden aus Büchern gezogen.
  2. am Humor des Autors, der gleich zu Beginn den Sanguinarius Meyerii einführt, ein Typus Vampir, der beinahe unzerstörbar ist, glücklicherweise darüber hinaus vor Allem im Sonnenlicht funkelt und sonst keine besonderen Fähigkeiten hat.
  3. dem Hauptcharakter.

 

 

Die Magie

Die Funktionsweise der Magie ist das Besondere an „Die Buchmagier“, denn es ist eine Liebeserklärung an die Literatur und all die Bücherratten, die in ihrer Kindheit Bibliotheken leergelesen haben, die nachts unter der Bettdecke saßen, eine Taschenlampe in der Hand und in ihren Büchern schmökerten und damit Texte bedeutungsvoll machten.

Natürlich bedarf es für einen Text des Autors, der diesen Text schreibt, seine Fantasie in Gang setzt und eine Geschichte schreibt. Aber damit ein Text Bedeutung erlangt, muss er gelesen werden – und für die Leser*innen bedeutend werden. Diese Bedeutung kann zu Verehrung werden, man saugt manche Beschreibung regelmäßig auf und lernt sie auswendig … Oder wird von der Erzählung aufgesaugt, wenn man ein besonderes Talent dafür besitzt.

Durch das Lesen und Vorstellen lädt sich ein Text mit Magie auf. Wer magisch begabt ist, der kann das Portal durchbrechen, das ein Buch darstellt: Ein Buch ist der Zugang zur Welt im Buch. Buchmagier können im wahrsten Sinne des Wortes in Bücher hineingreifen, sei es um bewusst eine Streitaxt aus einem Fantasy-Roman zu ziehen oder um versehentlich in ein Buch zu gleiten, von einem Edward-Verwandten gebissen zu werden und das Leben als „Funkler“ verbringen zu müssen.

 

Der Hauptcharakter

Diejenigen, die Buchmagie beherrschen, führen ihre Magietradition auf Johannes Gutenberg zurück, der im Buch nach wie vor lebt und Chef einer Organisation ist, die über die Buchmagie wacht. Weil man mit Büchern und ihrer Magie viel Blödsinn machen kann, versiegeln sie gefährliche Bücher (wie solche, in denen allmächtige Waffen beschrieben werden, damit niemand sie herauszieht) und passen auf, dass die Gestalten, die durch den versehentlichen Kontakt mit Buchmagie entstanden sind, nicht außer Rand und Band geraten.

Einer dieser Libriomanten ist Isaac. Und Isaac ist der zweite Grund, warum diese Geschichte cool ist. Isaac ist auf einen Registraturposten verbannt worden. Wie es dazu kam, trägt die Geschichte über weite Strecken ebenso wie seine Rehabilitation. Das als Solches ist sicherlich kein Wunder, auch das ist dem Leitfaden für mittelmäßige Fantasyromane entnommen.

Libriomanten haben allerdings gewisse Vorlieben. Es gibt einen Charakter, der wirkt Zauber üblicherweise aus Geschichtsbüchern und bedient sich im Kampf damit Musketen, etc. Isaac zaubert mit Science Fiction Literatur. Die Waffen seiner Wahl sind Strahlenkanonen. Und weil im Buch steht, dass sie funktionieren, funktionieren sie auch in der realen Welt, wenn der Benutzer nur fest genug daran glaubt. Selbst wenn ihre beschriebene Wirkung gegen die Gesetze der Physik unserer Welt verstoßen. Isaac als Protagonist eines Fantasy-Romans bringt damit die Science Fiction zurück in die Fantasy. Oder die Fantasy zurück in die Science Fiction. Er schafft zumindest einen interessanten Mash-up.

 

Das Störende

Auf der Checkliste des imaginären Ratgebers „So schreibe ich einen soliden Fantasy-Roman“ gibt es vier weitere Punkte abzuhaken. Sie lauten:

  1. Verzichte bei deinem Hauptcharakter auf ein reiches Innenleben. Du musst seine Gefühle nicht erforschen, solange er handelt und coole Dinge macht.
  2. Gestalte deinen Schurken möglichst flach. „Er ist böse“ reicht als Qualifikation für den Posten.
  3. Schaffe eine geheime Organisation, die möglichst unglaubwürdig ist.
  4. Konstruiere ein dämliches Ende.

An alle diese Regeln hält sich unser Autor. Außer Belesenheit und schwachen Nerven hat unser Held Isaac nämlich nicht viel vorzuweisen außer seinem magischen Talent, seiner Begeisterung für Science-Fiction-Romane und natürlich für seine Feuerspinne, die definitiv mehr Charisma hat als der Protagonist. Und das, obwohl sie nicht einmal sprechen kann. Ähnliches gilt für den Schurken. Dessen Motivation, schurkische Schurkereien zu begehen, hatte ich schon vergessen, sobald ich das Buch beendet hatte. Er war halt böse.

Was die geheime Organisation angeht, so lassen die geheimen Oberen der Libriomanten einige Fragen offen. Wohltuend ist, dass Hines darauf verzichtet, sie zu ehrfurchtgebietend zu zeichnen. Gutenberg (der Gutenberg) und co. sind eher schrullig. Allerdings ist Gutenberg so sehr als zugänglicher, gewöhnlicher Mensch dargestellt, dass man ihm nicht abkauft, der mächtigste Magier aller Zeiten, Oberhaupt eines Zauberernetzwerkes und Erfinder der Libriomantik zu sein. Es beißt sich vor Allem mit den Schilderungen durch andere Nebencharaktere, dass Gutenberg ein harter Hund, herablassend und wenig zugänglich sei. Er ist eher vom Typ „wohlmeinender Patriarch“.

Ins Kopfschütteln gerät man aber so richtig erst, wenn man das Nachdenken beginnt. Wir erfahren im Laufe der Geschichte, dass es neben der Buchmagie auch „normale“ Zauberei gibt. Gutenberg hat die Buchmagie nämlich erst entdeckt, weil er als „normaler“ Zauberer bestenfalls durchschnittlich war. Nun ist es aber so, dass die Welt wegen der Buchmagie ins Chaos stürzt und allein ein Häuflein Buchmagier versucht, den Tag zu retten. Genau genommen Isaac und sein Sidekick. Man fragt sich da schon, wo denn die ganze restliche Zaubererschaft steckt. Sie wird nicht einmal erwähnt. Weltenbautechnisch ist das mindestens nachlässig, ich empfand es als ärgerlich.

 

Der Hauptcharakter

Als eigentlicher Grund, das Buch weiterzulesen, entpuppte sich neben der Magie aus Science Fiction Romanen für mich Lena. Lena ist eine Dryade und eigentlich Isaacs Sidekick in der Geschichte. Doch sie entpuppt sich als weitaus mehr. Im Unterschied zu Isaac ist sie mit einem reichen Innenleben gesegnet und muss einen Konflikt austragen. Lena ist Mutig, tragisch und tapfer. Ihrem Schicksal zu folgen ist weitaus reizvoller als Isaac auf seinem Feldzug gegen das Böse zuzuschauen. Wenn ja wenn der Schluss nicht wäre.

 

Schluss (des Blogartikels … Und des Buchs … Ohne Spoiler)

„Die Buchmagier“ ist solide Fantasy im guten Sinne des Wortes. Natürlich keine High Fantasy sondern eine Spielart der Contemporary Fantasy, die in unserer Gegenwart spielt und sich einer Parallelgesellschaft bedient, wie wir es aus Harry Potter, der Bis(s)-Reihe, etc. kennen. Das Ende versaut es ein wenig, weil es schamlos peinliche Männerphantasien bedient und so klischeehaft ist, dass ich leise quieken musste.

Andererseits schmälert es das Lesevergnügen insgesamt nicht. Die etwas mehr als 450 Seiten lassen sich gut in einem Rutsch lesen und man findet sich in der Geschichte gut zurecht. Die Ideen sind originell (ich würde es nicht mit der Tintenwelt-Trilogie vergleichen, auch wenn es Berührungspunkte gibt) und machen Spaß.

In der Tat ist es so, dass ich ein Stück des Buchs während eines Wochenend-Dienstes in der Bibliothek las. Als ich es für eine Kunden-Anfrage beiseite gelegt habe, schnappte sich die Kundin das Buch und las die Zusammenfassung auf dem Back-Cover. Ich erzählte ihr dann, was bisher so geschehen war und recherchierte für sie, dass wir auch ein Leih-Exemplar haben, das sie sogleich entlieh. Im Unterschied zu mir war die Kundin sogar Fantasy-Fan. Also scheint es seine Momente zu haben.

14 Kommentare zu „Zauberei mit Büchern

  1. Das klingt nach etwas, das in mein derzeitiges Leseprogramm passen würde. Magie, abstruse Ideen, Buchwelten… Vielleicht werde ich das Ende einfach nicht mitlesen.

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  2. Hab ich auch gelesen, vor Urzeiten, als ich noch dazu kam, und muss sagen: Ich war nicht übermäßig beeindruckt. Die Idee ist klasse, aber Hines macht viel zu wenig daraus. Die Motivation der Bösewichter hab ich auch sehr zügig wieder vergessen, und Isaac war jetzt auch kein so toller Charakter, dass er eine mitreißt…

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    1. Japp … Die Figuren kann man in der Pfeife rauchen, aber die Ideen des Autors waren gut. Ich bin da insgesamt nachsichtiger, weil ich genau das von Fantasy-Literatur erwarte (außer bei der ein oder anderen Ausnahme). Du hingegen bist ja Fan des Genres. ^^

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