Jules Verne ist neben einigen anderen der Vater der Science Fiction. Und er ist „schuld“ daran, dass Science Fiction Geschichten erst so richtig gut sind, wenn sie ein realistisches und ein Abenteuer-Element enthalten. Dafür muss es gar nicht ins Weltall gehen, es reicht auch der Versuch, ins Erdinnere vorzudringen.

Inhalt lt. dtv.de

Der Traum eines jeden Professors: eine sensationelle Entdeckung und ewiger Ruhm! Ein rätselhaftes Runendokument scheint Professor Lidenbrock genau dies zu eröffnen, woraufhin er sich mit seinem Neffen und einem isländischen Führer auf eine phantastische Reise in die Unterwelt begibt. Was ihn dort erwartet, übersteigt jede Vorstellungskraft. Und auch für den gelehrtesten Geologen der Welt steckt die Erde noch voller Überraschungen!

Anmerkung: Ich habe nicht die abgebildete Ausgabe gelesen, sondern die Fischer-Ausgabe von 1968.

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Quelle

 

Science

Jules Verne verhandelt in der Reise zum Mittelpunkt der Erde die Erkenntnisse der Geographie und der Geologie. Da erfährt man allerlei zum Thema Vulkanismus, zur Struktur der Erdoberfläche und zu den Eigenschaften verschiedener Gesteine. Assistent Axel und Mündel Grauben machen sich ein Spiel daraus, sich unterschiedliche Eigenschaften von Mineralien abzufragen, der Professor Lidenbrock ist ein streitbarer Vertreter unterschiedlichster Theorien.

In der Reise zum Mittelpunkt der Erde diskutiert Verne insbesondere den Aufbau der Erde in Schichten. Die unterschiedlichen Erdzeitalter sind zu diesem Zeitpunkt schon geläufig und die kleine Expedition des Otto Lidenbrock orientiert sich anhand der Zusammensetzung der Schichten. Gleichzeitig setzen sie Manometer und Kompass ein, um genau wissenschaftlich festzustellen, wo sie sich befinden. Sie sind also Entdecker auf der Höhe der Zeit. Und die Reise zum Mittelpunkt der Erde dient natürlich wissenschaftlichen Zwecken: Wie sieht die Erde von innen aus?

Axel und der Professor sind zwar Verwandte, aber wissenschaftlich im Streit darüber, ob die Temperatur kontinuierlich zunimmt bis zum Erdkern, der flüssig sein muss (Axel) oder ob die Temperatur sich einem Plateau nähert (Lidenbrock) und, selbst wenn es unglaublich heiß wird, der Erdkern wegen des hohen Drucks fest sein muss. So gelingt es Verne, eine wissenschaftliche Debatte in eine Abenteuergeschichte einzuflechten – über eine Streitfrage, die heute entschieden scheint (flüssiger äußerer Kern, fester innerer Kern) – wenn auch nur indirekt, weil niemand bislang dorthin vorgedrungen ist. Und, um sich einen Spaß zu erlauben, verteilt Verne auch noch Seitenhiebe gegen die Hohle-Erde-Theorie. Für wissenschaftsgeschichtlich interessierte Menschen liefert Verne also wie immer ein kleines Glanzstück ab.

 

Fiction

Wie bei Verne üblich geschieht das aber nur so nebenbei. Den vor allen Dingen erzählt er die spannende Geschichte einer Expedition nach Island und ins Erdinnere. Es gibt einen stummen, aber hilfreichen einheimischen Führer, es gibt alle Probleme einer solchen Expedition. Unsere Helden müssen sich mit Wassermangel herumschlagen, dürfen faszinierende Entdeckungen machen, begegnen Dinosauriern und geraten in ein heftiges Gewitter auf hoher See – mitten unter der Erde. Verzweiflung wechselt sich ab mit hemmungsloser Begeisterung, Entdeckerdrang mit dem Wunsch, zurückzukehren. Verne erzählt im raschen Wechsel, sodass seinen Leser*innen nicht langweilig wird, ohne sie zu hetzen. Was eine eigene Kunst für sich ist.

 

Stil

Erzähler der Geschichte ist Axel, der Assistent und Neffe von Otto Lidenbrock. Gleichzeitig scheint Verne die Positionen von Otto Lidenbrock zu verteidigen, der mit Axel zumindest in wissenschaftlichen Fragen gelegentlich über Kreuz liegt. Außerdem hält Axel seinen Onkel für verrückt. Jules Verne gelingt es aber, auch den Otto Lidenbrock, bei aller Verrücktheit, als liebenswerten und sympathischen Charakter zu zeichnen. Das ist umso erstaunlicher, weil Axel alles andere als angetan von dieser Expedition ist.

Verne gelingt es, alle seine Charaktere sympathisch zu zeichnen, weil er hier und da sanfte Ironie und Spott verwendet – und natürlich durch die Übertreibung. Seine Charaktere fiebern, sie werden regelrecht manisch. Da wird von Oktillionen (das ist eine 1 mit 48 Nullen) Möglichkeiten gesprochen, alle Theorien werden gleichermaßen verspottet, ein kompliziertes Rätsel zu Beginn der Geschichte stellt sich als sehr simpel zu lösen heraus … Verne nimmt alle seine Charaktere sehr ernst, aber gleichzeitig nur halb ernst. Das macht ihn zu einem großen Erzähler – wie immer – auch in „Reise zum Mittelpunkt der Erde“.

 

Fazit

Die beste Abenteuergeschichte hat Jules Verne mit der Reise zum Mittelpunkt der Erde sicher nicht abgeliefert. Dafür kommen die Abenteuer-Elemente im Vergleich zum „Kurier des Zaren“ oder auch „Fünf Wochen im Ballon“ zu kurz. Auch die Wissenschaftsmomente kommen kürzer als in „Fünf Wochen im Ballon“ oder „Von der Erde zum Mond„. Dafür ist es von den genannten drei Romanen sicherlich der spannendste Entdecker-Roman. Und damit zeigt sich für meine Begriffe hervorragend eines: Der „Kurier des Zaren“ ist ein reiner, klassischer Abenteuer-Roman, aber für alle alle genannten Romane – der Kurier, der Ballon, der Mond, der Mittelpunkt der Erde, gilt:

  1. Sie tragen erkennbar Vernes Handschrift
  2. Sie sind gleich und doch sehr verschieden.

Tante Tex hat mir im Rahmen des Buch-Date auch dieses Buch empfohlen. Ich wollte es ohnehin lesen, deshalb hatte ich es nicht gewählt. Ich wollte ja Neues entdecken. Aber es wäre ebenfalls eine würdige Wahl gewesen.

Verne weiß gekonnt, jeweils einen besonderen Schwerpunkt zu setzen und den Rest „nebenbei mitlaufen zu lassen“. Das macht es spannend, sie alle zu lesen. Und deshalb sage ich nicht nur: „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ lesen, sondern „Verne lesen“!.

20 Kommentare zu „Auf ins Erdinnere!

  1. Ich bin vor ein paar Jahren im Hörbuch stecken geblieben, weil beruflich so viel los war. Nun ist dann wohl die Zeit gekommen: Ich lade mir das Hörbuch wieder auf’s iPhone!

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      1. Ok, ich werde berichten, nach dem anstehenden Wochenende bleiben nämlich keine „Space Troopers“-Episoden für mich zum Hören mehr übrig, bis dann im Februar *endlich* die 16. Folge erscheint… Sobald ich durch die Folge 15 durch bin, ziehe ich den Jules Verne auf mein iPhone.

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    1. Ich würde Verne auch nicht grundsätzlich einen SF-Schriftsteller nennen, Verne ist Abenteuer-Schriftsteller, der im Prinzip die ersten SF-Elemente erfindet. Die Gestrandeten werde ich mir anschauen. Von den „realistischen“ seiner Romane konnte mich erst Der Kurier des Zaren überzeugen, der allerdings auch erst im zweiten Anlauf (als ich ihn als Abenteuer-Roman begriff). Mit den Kindern des Kapitän Grant hadere ich bis heute immer mal wieder.

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  2. Zwar kenne ich nur einen Bruchteil des grauenvoll umfangreichen Werks von Jules Verne. Aufgrund der mir bekannten Titel würde ich deine Einschätzung teilen, dass Jules Verne in erster Linie als Abenteuer-Schriftsteller sehen. Die Verwendung von SF-Elementen beruht möglicherweise auf persönlichen Interessen plus der Tatsache, dass diese Elemente hervorragend in sein Abenteuer-Strickmuster passten.
    Zu dem von dir hier besprochenen Buch bin ich durch die Hintertür gekommen. Nämlich weil Rick Wakeman diesen Stoff in einem seiner ersten Soloalben verwendet hat, das, wenig überraschend, den Titel «Journey to the Centre of the Earth» trägt.

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    1. Krass, das Gesamtwerk, oder? Aber gut, die einzelnen Romane sind zum Teil nicht so dick und das Strickmuster verfängt. Aber der muss sich ja mit den ganzen Theorien nebenbei vertraut gemacht haben. *kopfschüttel*
      Seine SF-Elemente passen in der Tat gut in sein „Strickmuster“, denn sie ermöglichen ihm, noch mehr Spannung aufzubauen. Und nicht zu vergessen, sie passen in eine zutiefst fortschrittsoptimistische Zeit, die über Genres noch nicht viel nachgedacht hat.

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      1. Ich versuche mir vorzustellen, wie „gesammelte Werke in einem Band“ vom Format her aussehen würden. 😉
        Ich vermute mal, dass Jules Verne die fachlichen Recherchen aus Leidenschaft betrieben hat und er damit letztlich sozusagen zwei Ernten einfahren konnte. Die Theorien lieferten guten Stoff für seine Geschichten – und die Geschichten waren ein legitimer Vorwand (oder Grund) für eingehende Beschäftigung mit den jeweiligen Theorien.

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