Wer sich schon immer gefragt hat, wie Gotham zu dem verlotterten Drecksloch wurde, das es in den Batman-Filmen ist, wird enttäuscht sein von der ersten Staffel Gotham. Wer sich allerdings gefragt hat, wie Gotham zu dem verlotterten Drecksloch mit hoher Superschurkendichte wurde, das es in den Batmanfilmen ist, wird Gotham mögen.

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Die Guten. Die Bösen. Die Anfänge. Als sich der junge Detective James Gordon in Gotham City vornimmt, seine von Kriminalität bedrängte Metropole zu alter Größe zurückzuführen und für Recht und Ordnung zu sorgen, ermittelt er im Fall eines ermordeten Prominentenpaares: Dem völlig verstörten überlebenden Sohn Bruce Wayne verspricht Gordon, dass er den Mörder aufspüren wird. Diese Verpflichtung entwickelt sich zur Besessenheit, und Gordon wird teuer dafür bezahlen Dies ist die realistische und spannende Atmosphäre, in der Gotham angesiedelt ist. Als Vorlage dienten die seit Generationen beliebten Figuren aus den DC Comics. Diese packende Serie entwickelten die Macher von The Mentalist, CSI, Nikita und Gossip Girl zu diesem Zweck erforschten sie die tiefsten Winkel der Batman-Mythologie, um die zwielichtigen und korrupten Machenschaften aufzuspüren, die von den wahren Machthabern in Gotham City verantwortet werden: Aus ihnen entwickeln sich die berüchtigtsten Bösewichte der Welt. Tauchen wir also ein in die Umstände, aus denen so bizarre Schurken wie Catwoman, der Pinguin, der Riddler, Two-Face und der Joker hervorgingen, denn dieses ganz neue Kapitel ist noch nie erzählt worden.

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Superschurkereien: Der Pinguin

Der Pinguin ist der „König des Verbrechens“ von Gotham und Chef der Unterwelt. Das vergisst man gern, weil er weniger Strahlkraft besitzt als der Joker. Der Pinguin ist schmierig und lächerlich, wenn er in den Filmen auftaucht. Das ist ein ganz erstaunlicher Fall von wirksamer Propaganda in den Geschichten, die sich auf die reale Welt auswirkt. Ja, der Pinguin wirkt lächerlich und schmierig. Der Pinguin ist in begrenztem Maß auch lächerlich und schmierig. Aber der Pinguin ist intelligent und ein notorischer Intrigant. Er leidet extrem darunter, dass er lächerlich und schmierig wirkt, setzt es gleichzeitig aber gezielt als Waffe ein, um in Gothams Unterwelt Karriere zu machen. Dass seine Filmauftritte diese Dimension unterschlagen, zeigt dass die Drehbuchautoren ebenfalls auf den Pinguin reinfallen. Er sitzt wahrscheinlich in einem Comicbuch und kichert darüber, wie sehr Tim Burton ihn damals unterschätzt hat.

In der Tat ist die Geschichte des Aufstiegs vom Pinguin das Spannendste an Gotham. Er wird umfassend rehabilitiert, seine Perfidie und sein verschlungener Weg zur Macht trägt die Serie. Wir verfolgen ihn, wie er die Rivalität der beiden Mafiaclans in Gotham ausnutzt, um mal mit dem einen, mal mit dem anderen Clan zu kooperieren und dabei immer loyal zu wirken. Dass er dabei seine ganz eigenen Ziele verfolgt und ein mindestens dreifaches Spiel spielt, bemerkt auch am Ende niemand. Bis zum Schluss bleibt der Pinguin in den Augen der „großen Fische“ ein unbedeutender Kriecher. Und nur der Zuschauer sieht, wie der Pinguin die Fische für den Verzehr vorbereitet.

 

Superschurkereien: Sonstiges

Gotham bietet ein ganzes Arsenal an Schurken auf. Wir treffen Poison Ivy, Catwoman, den Riddler, Two-Face, Scarecrow und auch eine Interpretation des Dollmakers, der mir in Arrow aber besser gefällt. Ob man dem Joker begegnet oder nicht, mag ich nicht beurteilen. Aber sie sind alle da. Gotham wirkt an mancher Stelle wie ein Film über ein Internat für angehende Superschurken.

Mit den Kindern haben sich die Macher von Gotham aber wirklich Mühe gegeben. Jeder angehende Superschurke bekommt seine eigene Geschichte, wie er zum Superschurken werden könnte. Gotham baut ihnen ein solides Fundament, dass sie zu fiesen Gegenspielern werden lässt, ohne sie in Stereotypen zu ertränken. Insbesondere die Geschichte um Poison Ivy gefällt mir ausnehmend gut als Erklärung, woher ihr spezielles kriminelles Potential kommt. Aber auch die Geschichte von Catwoman und Batman wird aufgegriffen. Diese Beziehung ist eine besondere, weil die beiden mehr sind als Held und Schurke. Auch das greift Gotham wunderbar auf und erzählt die Geschichte einer ungleichen Freundschaft.

 

Standardschurkereien

Auf dem Gebiet der Standardschurkereien muss sich Gotham dem direkten Vergleich mit Arrow stellen. Daran führt kein Weg vorbei, denn die Parallelen sind bei allen Unterschieden der Serie unübersehbar. Allein schon weil Starling City und Gotham City sich ähneln.

Auf dem Gebiet des schurkischen Alltags brilliert Gotham damit, dass es seine Herkunft aus Comics nicht verleugnet. Wo Arrow sehr um Realismus bemüht ist, dürfen die Schurken in Gotham ganz ungeniert Kinder mit Süßigkeiten fangen, Opfer von Schurkereien gehen mit Luftballons in die Luft und der russische Oberschläger der Mafia hat „Funky Town“ als Klingelton. Das ist mutig, weil es albern ist. Aber es trägt zum Unterhaltungswert der Serie bei.

Die Macher von Gotham bedienen sich aber auch der gleichen Ideen, die wir schon aus Arrow kennen. Es gibt einen Megakonzern und es gibt eine Verschwörung im Konzern, es gibt Menschen, die „The best for the city“ fordern und damit kaschieren, dass sie irgendetwas extrem Übles vorhaben. Und es gibt auch die Insel-Obsession. Während die in Arrow mit der Geschichte von Oliver Queen durchaus sinnvoll ist (aber überstrapaziert wird), hätte man die Ansiedelung von Irren auf einer Insel in Gotham durchaus unterlassen können. Es wirkt ein wenig ausgelutscht, weil es im DC Universe schon bekannt ist. Auch wenn Gotham eigene Akzente setzt, schienen die Macher an mancher Stelle einfallslos zu sein und dachten sich: „Hey, das hat bei dem Bogenschützen funktioniert, warum machen wir das nicht ähnlich?“

Einen dicken Minuspunkt gibt es für den letzten Standardschurken. Gotham zitiert zwar das klassische Schurkenrepertoire, aber vermeidet es sorgfältig, in die Klischeekiste zu greifen, bis zum letzten Gegenspieler von Jim Gordon. Mit dem holt man alles nach, was man sich die gesamte Serie über verkniffen hat und gönnt ihm einen Auftritt über drei Folgen. Ein unübersehbar attraktiver und reicher Mann mit einem Faible für SM-Spielchen vor dem Mord, der es auf junge Frauen abgesehen hat und auf dessen dunkle Charakterzüge man subtil hinweist, weil er Bilder von Stacheldraht und Gefängnisgittern in seiner Wohnung hat und den man bislang nicht schnappen konnte, weil er die geliebten Menschen von Polizisten tötet, wenn sie gegen ihn ermitteln. Das ist irgendwo zwischen 50 Shades of Grey und Criminal Minds, mit zu viel Voyeurismus und Plattheit. Bei so viel Unfug wundert es mich nicht, dass die Einschaltquoten in Deutschland gegen Ende der ersten Staffel nach unten gegangen sind.

 

Gotham und Jim

 

Gotham ist als Stadt super in Szene gesetzt. Starling City ist eine funkelnde Stadt, in der selbst die Armenviertel noch ordentlich sind, Gotham ist eine dreckige Industriestadt mit komisch gefärbtem Himmel, rostroten Häusern und optischem Dreck. Selbst die reichen Orte sehen schmutzig aus, lediglich in einigen Konferenzräumen geht es klinisch rein zu. Das ist überzeugend. Gotham ist nun einmal die Stadt von Dauerregen und 26h-Nächten.

Ein wenig verwirrt hat mich die Zeitebene, in der Gotham spielt. Die Optik trägt dazu bei, dass man sich weit in der Vergangenheit wähnt, die Handys (noch keine Smartphones) sind allerdings bereits allgegenwärtig. Bruce Wayne dürfte etwa zwölf Jahre alt sein, bis er Batman wird, vergeht also noch einiges an Zeit. Nimmt man Gotham als Grundlage für Batman, dann spielen die Abenteuer von Batman also in der (von uns aus gesehenen) Zukunft. Zeitlinien sind immer ein wenig schwierig, ich hätte mir allerdings gewünscht, dass man es hinbekommt, Batmans zukünftige Abenteuer in unserer Gegenwart anzusiedeln. Batman besteht seine Abenteuer in den Comics schließlich auch immer in unserer Gegenwart.

Mit Jim Gordon hat Gotham einen sympathischen und integeren Helden bekommen, der beinahe Oldschool ist. Er ist aufrecht, von Moral getrieben und beinahe unfähig, das Falsche zu tun. Er bekämpft nicht nur das Verbrechen, er erklärt auch der Korruption in der Stadt den Krieg und legt sich im Laufe der ersten Staffel mit allen wichtigen Eliten der Stadt an.

Das ist klassisches Storytelling, leidet aber, wenn man wieder den Vergleich zu Arrow zieht. Jim Gordons Gegenspieler sind Korruption und organisiertes Verbrechen. Auch der Kapuzenmann kämpft gegen das organisierte Verbrechen und Korruption. Von seinen Superschurkengegenspielern abgesehen ist sein immer wiederkehrender Gegner allerdings eine Droge. Da fällt die Mafia als Jim Gordons Gegner, die ganz klassisch ihre Finger in illegalen Geschäften wie Prostitution, Schutzgelderpressung, Auftragsmord und Nachtclub hat, ab. Der Konflikt ist solide inszeniert, aber mehr auch nicht. Während Arrow Verbrechen als komplexe Angelegenheit begreift, ist Verbrechen bei Gotham der böse Wille schlechter Menschen und damit unterkomplex. Aber dieses Urteil mag voreilig sein, denn zugleich erzählt Gotham sehr differenzierte Geschichten über die Entstehung von Superschurken. Aber zumindest in der Exposition fällt Gotham gegenüber Arrow ab.

Einen großen Bonuspunkt bekommt Gotham im direkten Vergleich allerdings schon. Oliver Queen ist knuffig-kaputt, sodass man ihn lieb haben muss. Jim Gordon ist „nur“ knuffig. Es ist für einen erwachsenen Mann vielleicht kein Kompliment, wenn man ihm in die Wange kneifen und sagen möchte, dass er ein guter Junge sei. Aber genau das ist Jim Gordon. Positiv gewendet ist er tatsächlich Oldschool. Das trifft auch auf die schicke Frisur zu. Und im Unterschied zu Arrow verzichten die Macher von Gotham darauf, ständig unmotiviert seinen nackten Oberkörper zu zeigen. Im Gegenteil: Jim Gordons „Nacktszene“ zeigt ihn sehr züchtig mit Unterhemd und Hose.

 

Fazit

Das war vor Allem sehr viel Vergleich zu Arrow. Es bietet sich an, weil Green Arrow und Batman, Starling City und Gotham City sich ähneln und weil beides aktuelle Serien im DC Universe sind. Fassen wir aber noch einmal die eigenen Qualitäten von Gotham zusammen:

Es ist eine klassische Geschichte über den einzelnen aufrechten Polizisten, der sich übermächtiger Korruption ausgesetzt sieht. Es ist zugleich eine Geschichte, die ihre Wurzeln in Comics nicht leugnet und deshalb ihren ganz eigenen Humor mitbringt. Zuletzt ist Gotham eine spannende Geschichte über die Entstehung von Batman und eine sehr differenzierte Betrachtung der Herkunft von Superschurken. Gotham ist nicht innovativ, bis auf die drei Folgen mit dem SM-Mörder ist es mindestens solider Durchschnitt, der spannend und optisch ansprechend erzählt wird. Die Entwicklung des Pinguin ist ein Meisterstück, das ohne Highlights auskommt, aber am Ende jeder Folge Lust auf die nächste Folge macht. Und das Handwerk eines guten Staffelfinales, an dem alle Entwicklungen scheinbar wieder auf Null gesetzt werden, beherrschen die Macher der Serie auch. Damit eignet sich Gotham als unterhaltsame Detektivgeschichte für zwischendurch ebenso wie für den Comicfan mit historischen Ambitionen. Sicherlich kein Must-See, aber ein Blick lohnt sich durchaus.

9 Kommentare zu „Der Kindergarten der Superschurken – Gotham Staffel 1

  1. Hmmmmmm, und schon wieder hast du mir einen Punkt auf meiner Wunschliste verschafft, doch aktuell sind wir noch nicht einmal ganz durch die vorletzte Staffel „Eureka“ durch, dann kommen noch die 2. Staffel „Breaking Bad“ und die ersten neun Staffeln „Akte X“ (die kenne ich noch gar nicht). Dann aber…

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  2. Wie unterschiedlich doch die Wahrnehmung ist – während ich Arrow gern als „Kleine- Jungen-Serie“ bezeichne, ist Gotham um einiges erwachsener, intelligenter – figuren-psychologisch viel dynamischer. Ein echtes Highlight im DC-Universum. Ich habe die Staffeln verschlungen und habe sogar ernsthaft überlegt, mir vielleicht doch einmal die neusten Batman oder Superman-Filme anzusehen (allerdings nach Enttäuschungen, wie Flash, Arrow und den albernen Batman-Filmen, konnte ich mich noch nicht dazu durchringen).

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    1. Der Kindergarten ist bloß eine Metapher. Ich will Gotham gar nicht absprechen, eine erwachsene Serie ist. Gerade im Vergleich zu Arrow. Aber von den Mechanismen des Storytelling her bedient sich Gotham aber klassischen Comic-Versatzstücken. Auch wenn die Serie dabei weiterhin sehr erwachsen bleibt. Als Superhelden-FanBOY finde ich deshalb wohl Arrow unterhaltsamer. 😊

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      1. Ich habe deine Metapher schon verstanden. Kleine -Jungen-Serie war auch nicht auf deine Überschrift bezogen, sondern eher auf den sehr einfachen Inhalt und der etwas flache Figuren-Reigen von Arrow. Aber wie gesagt, alles eine Sache der Wahrnehmung.

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  3. Staffel 2 steigert sich im Niveau noch einmal. Der Pinguin ist im Gotham Kosmos aber definitiv der spannendste Charakter. Ich mag bei der Serie vor allem den visuell anspruchsvollen Touch. Dieses dreckige (das du auch erwähnst) macht Gotham authentischer und orientiert sich wunderbar an den Nolan-Verfilmungen der Fledermaus…

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    1. Eine Serie über Gotham, die diesen speziellen Charme nicht einzufangen vermag, müsste sich auch zumindest heutzutage schämen. Ich denke, Tim Burton hat da Maßstäbe gesetzt.

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