Es ist der erste Dezember. Das ist nicht weiter schlimm. Ich freue mich allerdings wie ein Teenager, als ob Weihnachten wäre und ich gerade einen 10€-Gutschein von Primark bekommen hätte sowie den neuen großen Kleiderschrank, in dem ich meine bald neuen Klamotten gerade so unterbringen werde. Dabei ist nur Buch-Date, in dieser Ausgabe ausgerichtet beim wortgeflumselkritzelkram. An dieser Stelle dir vielen Dank für das Organisatorische. Ich weiß, wie anstrengend das sein kann.

Das Buch-Date, zur Erinnerung, ist eine Erfindung von wortgeflumselkritzelkram und mir. Es geht darum, Bücher zu empfehlen. Und empfohlen zu bekommen. Und Rezensionen zu schreiben. In dieser Ausgabe haben Tante Tex und ich uns Bücher empfohlen. Ich habe mich für „Der Fall Jane Eyre“ von Jasper Fforde entschieden. Wie es mir damit ging? Sehr gut. Wie es allen anderen ging, werdet ihr im Sammelbeitrag lesen können, wo nach und nach alle Besprechungen veröffentlicht werden.

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Quelle: Verlags-Homepage

Inhalt lt. Verlags-Homepage

Können Sie sich eine Welt vorstellen, in der Literatur so wichtig genommen wird, dass es eine Spezialpolizei gibt, um sie vor Fälschern zu schützen? Als Geheimagentin Thursday Next ihre neue Stelle in Swindon antritt, ahnt sie schon, daß ihr die größte Herausforderung ihrer Karriere bevorsteht: Niemand anderes als der Erzschurke Acheron Hades hat Jane Eyre aus dem berühmten Roman von Charlotte Brontë entführt, um Lösegeld zu erpressen. Eine Katastrophe für England, das mit dem seit 130 Jahren tobenden Krimkrieg schon genug Sorgen hat. Aber Thursday Next ist eine Superagentin: clever und unerschrocken. Und wenn sie wirklich mal in die Klemme gerät, kommt aus dem Nichts ihr von den Chronoguards desertierter, ziemlich anarchistischer Vater, um für ein paar Minuten die Zeit anzuhalten.

 

Lese-Motivation

Ich gebe zu, ich habe arg mit dem Stephen Baxter geliebäugelt. Dann dachte ich mir allerdings: „Den lese ich ohnehin irgendwann.“ Im Falle von Jules Verne galt: „Den habe ich auf dem SuB liegen und werde ihn diesen Winter ohnehin lesen.“ Man könnte also sagen, „Der Fall Jane Eyre“ war nur dritte Wahl. Aber das wäre ungerecht. Ich fand alle drei Bücher ansprechend. Und ich musste irgendwie eine Entscheidung treffen.

Abgeschreckt hat mich einen kurzen Augenblick zwar, dass sich der Roman mit typisch englischer Literatur beschäftigt, aber das nahm ich hin. Ja, ich mag sie alle nicht, von Dickens über die Brontes bis hin zu Austen. Aber Literatur über sie, in diesem kuriosen Setting, wollte ich mir nicht entgehen lassen.

 

Kuriositäten

In diesem Roman gibt es so viel zu entdecken. Es gibt eine Brille, durch die man allerlei fliegende Gegenstände betrachten kann, eine Art Augenschoner, dessen Design eine Anspielung auf die wunderbaren alten Windows-Bildschirmschoner ist. Es gibt Shakespeare-Aufführungen, die ähnlich gefeiert werden wie Vorführungen der Rocky Horror Picture Show im Kino. Von Charakteren, die Paige Turner und Jack Schitt heißen, will ich gar nicht erst anfangen.

Überhaupt. In diesem Buch geht es um Literatur. Die Gesellschaft, die man als Leser kennenlernt, liebt sie. Auch die scheinbar bildungsloseste Person kennt und verehrt Shakespeare – und bezieht Position im Glaubenskrieg, ob Shakespeare seine Stücke wirklich selbst geschrieben hat. Und wenn nicht, wer dann. Es gibt Literaturagenten, die literarische Verbrechen verhindern (statt sie an Verlage zu verkaufen, wie das Literaturagenten zuweilen tun 😉 ) und es gibt eine ziemlich undurchsichtige Story, denn das Beste an diesem Buch:

 

Glanzleistungen und Schwächen

Diese Welt ist einfach da. Fforde erzählt seine Geschichte, als ob sie in der Realität spielt. Seine Erzählerin hinterfragt als Teil der Erzählwelt die Welt nicht. Sie erklärt auch nicht. Oder wenig. Das macht die Sache reizvoll, denn man steht als Leser oftmals ratlos vor dieser vertrauten und doch unbekannten Welt. Man wünschte sich, an die Hand genommen zu werden. Aber Fforde ist konsequent in seiner Wahl: Ein Ich-Erzähler erklärt keine Selbstverständlichkeiten. Mehr über die Welt erfährt man nur über andere Dinge: Fernsehen, Erinnerungen, Gespräche. Ihr kommentiert euren Alltag ja auch nicht, nach dem Motto: „Das ist das Polizeipräsidium. Polizei ist die Behörde, die Verstöße gegen Gesetze verfolgt.“ Ihr lauft einfach am Polizeipräsidium vorbei.

Das führt natürlich zu Problemen. Damit meine ich nicht meine Erwartung, dass Zeitreise-Elemente in dieser Geschichte eine Rolle spielen, was nicht so war. Zumindest nicht in diesem Maße. Oder dass Thursday Next eine Geheimagentin sein soll … Naja …

Es ist eher der Stil. Fforde lässt seinen Schurken sagen „Er sei einfach moralisch anders gepolt“, dennoch versteht er sich als Verbrechergenie. Das Dumme ist nur: Der Antagonist tritt erst in der zweiten Hälfte des Buches so recht in Erscheinung. Und Acheron Hades ist es, der für den Drive in dieser Geschichte sorgt. Sprachlich ist Fforde das Gegenteil seiner kuriosen Einfälle und seiner durchaus spannenden Handlung. Natürlich, er ist seinem Programm treu, aber er plätschert in bester englischer Tradition einfach vor sich hin. Seine Einfälle glänzen wie Juwelen, der Rest ist Ödnis. Seine Schilderungen der fremden Welt, weil sie sich nicht an Outsider richten, bleiben ohne Bilder, lösen keine Begeisterung aus.

 

Geschichte

Das ist ein hartes Urteil, das ich dreifach relativieren möchte: Ich mag diesen Stil grundsätzlich nicht, es passt zum literarischen Konzept und ich habe vor diesem Buch viel Nietzsche gelesen, inklusive „Ecce Homo“. Nietzsche ist, bei aller Abscheu, die ich ihm gegenüber hege, ein Sprachgenie, ein begnadeter Erzähler und ein mitreißender Autor, der Bilder im Kopf zu erzeugen weiß. Deshalb hatte Fforde es von Anfang an ziemlich schwer.

Die Geschichte selbst ist allerdings irrsinnig komisch: Ein Meisterverbrecher stielt ein Manuskript, entführt literarische Figuren und Thursday Next reist durch die Literatur. Sie begegnet dabei in der Realität kurioseren Dingen (Bücherwürmer, Vampire, Luftschiffen und Plasmagewehren) als in der Literatur selbst. Wenn die Literatur normal ist, wie krass ist bitteschön dann die Realität? Und wie großartig ist diese Idee?

Überhaupt, Geschichte. Dieses Buch liest sich mit bitterem Unterton. Denn es herrscht Krieg auf der Krim. Der historische Krimkrieg wurde nie beendet. Und als Leser musste ich mich zwei oder drei Mal daran erinnern, dass Fforde damit den historischen Krimkrieg meinte. Aber das Buch kann ja nichts dafür, dass ein paar Jahre nach Veröffentlichung die Krim wieder besetzt ist. Dennoch ist es faszinierend, wie einen ein Buch auf dem falschen Fuß erwischen kann, wenn es bloß mit der Geschichte spielt. Und dann von der Realität eingeholt wird.

 

Fazit

Bei aller Schwäche setzt dieses Buch ziemlich viele Glanzpunkte. Nach der Hälfte ist man im Sound drin und hat die Barriere zur Ich-Erzählerin leidlich gut überwunden. Ab da geht die Geschichte flüssig von der Hand und es wird richtig spannend, ich sage nur Jane-Napping. Außerdem erfahren wir endlich, wer der Verfasser der Shakespeare-Dramen ist. Jasper Ffordes Einfälle sind so abgedreht und werden mit solcher Selbstverständlichkeit erzählt, dass sie noch einmal doppelt so abgedreht für Leser unserer Realität wirken. Und der Schwung ist so mitreißend, dass die zweite Hälfte des Buches – als ich auch begriff, warum das Buch so ist, wie es ist – dieses Buch ganz knapp auf Platz 4 meiner Bücher des Jahres katapultiert hat. Aber auch nur, weil ich die Mars-Trilogie nicht trennen will.

Liebe Tante Tex, danke für das Date. Fforde und ich werden uns wiederlesen, jetzt wo ich so richtig drin bin. 🙂

31 Kommentare zu „Mein Buchdate mit Jane Eyre, Jasper Fforde und Tante Tex

  1. Hach was bin ich froh, dass du anscheinend ganz glücklich warst mit der gegebenen Lektüre. Und einen neuen Autor konnte ich dir anscheinend auch gleich näher bringen, trotz von dir verschmähtem englischem Charme. Ich kann dich mit dem Dahinplätschern beruhigen. Jetzt, wo der Einstieg gemacht ist, sind nie nächsten Teile etwas temporeicher.
    Ich freue mich schon jetzt riesig aufs nächste Buch-Date Event. 😊

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    1. Ich bin, mit ein wenig Abstand, sogar zur Überzeugung gelangt, dass sich Fforde an der ein oder anderen Stelle darüber lustig macht, eben weil er stilistisch auch anders kann. Und ja, ich bin nicht nur „ganz glücklich“, das Buch war eines meiner Liebsten in diesem Jahr. Ich freue mich jedenfalls auf Band 2. 🙂

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  2. Liebes Zeilenende, danke dir (und ich bin froh, dass du beim nächsten Mal wieder das Organisatorische übernimmst – war doch sehr aufregend. Und an dieser Stelle auch an dich noch mal ein großer Dank, dass ich dich permanent mit meinen Mails nerven durfte 🙂 )

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  3. Jasper FForde schätze ich auch sehr, besonders seinen unglaubliche Einfallsreichtum!
    Allerdings habe ich „Der Fall Jane Eyre“ auf Englisch gelesen und war mir nie ganz sicher, ob es an meinen doch nicht so exzellenten Englischkenntnissen lag oder an der Geschichte selbst, dass ich einiges als ziemlich verwirrend empfand.

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    1. Ah, doppeltes Groß-F? Wieder was gelernt. Aber ja, das Buch ist in der Tat sehr verwirrend, ich habe auch ne Weile gebraucht, bis ich gecheckt habe, dass diese verwirrenden Sachen durch die Bank Anspielungen auf Popkultur sind.

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  4. Da hat dich Tante Tex zu einem ganz speziellen Leseerlebnis verführt. Aus der Nummer kommst du schwerlich raus. Auch wenn ich solche Serien eigentlich nicht sonderlich schätze und das Thursday Next Projekt inzwischen bei sieben Bänden angelangt ist – dem Ideenreichtum und der Fülle an Anspielungen (literarischer und sonstiger Art) kann man sich kaum entziehen. Wahrscheinlich verpasst man davon mindestens die Hälfte (und hat mit dem Rest noch mehr als genug) – und das macht die Serie für ein Wiederlesen besonders attraktiv. 🙂
    Ja, die Krim-Ironie – irgendwie unbehaglich, dass Zukunft andeuten kann, wer Vergangenheit meint. :/

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  5. Ui, endlich schreibt mal jemand was über Jasper Fforde! 🙂 Ich habe, wenn nicht inzwischen noch ein neuer Roman erschienen ist, alle Thursday-Next-Romane gelesen und fand sie überaus unterhaltsam! Wobei das Erlebnis beim Lesen des ersten Bandes natürlich ein ganz besonderes ist. Diese ganzen Einfälle und Anspielungen, die Tatsache, dass Literatur in dieser Welt so einen hohen Stellenwert hat, die Möglichkeit, in Romane „einzusteigen“ – wie hat das meine Fantasie beflügelt! 🙂

    Bzgl. der Sprache stellt sich erstmal die Frage: Hast du’s auf Deutsch gelesen? Laut dem Cover oben wohl schon. Ich finde es ja immer etwas schwer, die Sprache eines Autors in der Übersetzung zu beurteilen. Kann dir wirklich das englische Original empfehlen!

    Was ja bei meiner Lektüre übrigens ganz lustig war: Ich hab dieses Buch gelesen, bevor ich „Jane Eyre“ gelesen habe. Auch ein interessanter Einstieg, um darauf zu kommen, einen Klassiker zu lesen… 😉

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    1. Ich habe ihn auf deutsch gelesen. Ich gehöre zu den Menschen, die glauben, dass man Stil durchaus übersetzen kann. Ich finde britische Autoren auch im Original stilistisch tendentiell langweilig. Außer Lewis Carroll. Aber sein Einfallsreichtum hat in der Tat ein Denkmal verdient und das wird wohl nicht der letzte Beitrag über ihn gewesen sein. 😊

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  6. Genau das brauche ich für das Jahresende. Ich möchte natürlich endlich wissen, wer Shakespeares Dramen verfasst hat, und außerdem klingt es so wunderbar abgefahren. Wer braucht schon die Realität …

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  7. Hab den ersten Band gelesen und bin gerade im zweiten. Ist wirklich witzig. Ich liebe diese Romane, in denen einfach alles möglich ist, egal wie abgedreht.

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      1. Harmlosigkeit ist ganz meine Sache. Eine besonders stringente Handlung brauche ich eigentlich auch nicht. Wenn ab und zu ein Mammut auftaucht und einen Garten verwüstet, bin ich schon ganz zufrieden. Irgendwie muss es einfach insgesamt sympatisch sein. Vielleicht werde ich mich später versuchen in einen der Bände hineinzulesen, aber es ist wohl besser, sie vorher ganz ausgelesen zu haben, man will ja kein allzu großes Risiko eingehen.

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