Ich wurde getaggt. Taggen ist im Prinzip das Gleiche wie „Mit dem Liebster Award beworfen werden“, aber auch irgendwie anders, weil diese Tags häufig unter einem Motto stehen. Und ich bitte herzlich darum, nicht von mir zu verlangen, nun auch noch Tags von Stöckchen zu unterscheiden. Lieber will ich wortgeflumselkritzelkrams Wurf aufgreifen, sage artig danke und stelle mir die Frage: Wenn ich ein Buch wäre, was wohl für eines?

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Du bist nun ein Buch. Unter welchem Genre finde ich dich, in meinem Lieblingsbuchladen?

Ich finde eigentlich, die Frage nach dem Genre eines Romans, so man sich festgelegt hat, kein Sachbuch zu werden, sollte sich am Schluss erst stellen. So viel ist klar: Ein Sachbuch werde ich nicht. Auch keine klassische Biographie, dafür habe ich zu viel Spaß am Erzählen und nehme mir zu gern die Freiheit heraus, an der Wirklichkeit zu drehen, damit sie wahrer wird. Aber versuchen wir es einmal:

Ich als Buch würde wohl einige Ähnlichkeiten zu einem Bildungsroman haben, denn ich denke gern nach und stelle mir Fragen. Andererseits fühlt sich mein Leben derzeit ein wenig wie ein Coming-of-Age-Werk an. Und das mit beinahe 30 … Also wäre der Teil wohl ein Selbstfindungsbuch. Ich hoffe, am Ende, wenn das Buch fertig ist, stehe ich deshalb irgendwo bei den Entwicklungsromanen. Da würde ich mich wohl fühlen. Oder ihr stellt mich gleich zu den Klassikern. Da passe ich hin.

Ein Buch existiert nicht ohne seine Leser. Wie lautet dein Klappentext, um die Leser neugierig auf dich zu machen?

„Das Leben, unendliche Weiten … Dies sind die Abenteuer des Zeilenende, Schelm und Philosoph, in einer Welt voll Irrsinn und Schönheit. Es ist unsere Welt und doch ganz anders. Das Zeilenende dringt in Sphären der Wirklichkeit vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Freuen Sie sich auf ein Abenteuer voller Glücksmomente, tragischer Schicksalsschläge und völlig überflüssiger Star-Trek-Zitate.“

„Lesen Sie dieses Buch: Widerstand ist zwecklos.“(Friedrich Schiller)

In dir stecken viele Persönlichkeiten, mehrere mächtige & schmächtige. Wie heißt dein Protagonist / deine Protagonisten, wenn sie nicht deinen Namen tragen?

Das verrät der Klappentext schon, denke ich. Ich bleibe meinem Alias treu und heiße in Roman wie in Wirklichkeit der Einfachheit halber Zeilenende. Das ist mir zur zweiten Natur geworden und damit völlig in Ordnung. Es ist mir wahrscheinlich ähnlicher als ich es mir selbst je sein könnte.

Die Persönlichkeit hängt vom Charakter ab. Nenne drei Eigenschaften von dir, die dich am besten beschreiben und dich dem Leser näher bringen, oder vor denen er zurück schreckt und sich ein anderes Buch schnappt.

Nachdenklicher, schweigsamer Phantast trifft es ganz gut, denke ich.

Ich denke, ein Hauptpunkt wurde vergessen. Oder ist er nicht egal? Du als Buch brauchst schließlich einen Titel. Wie heißt du?

In guter alter Romantradition wäre es ein langer Titel:“Von einem der auszog, die Welt zu verstehen, auf die Nase fiel, erkannte, dass es keine Welt gibt und sich kurzerhand seine eigene schuf. Mit Exkursen in Bereiche der Philosophie, von denen Sie noch nie etwas gehört haben und praktischen Kochrezepten für jeden Tag.“ Und einen Untertitel hätte ich auch noch, aber nach dem wurde ja nicht gefragt. Wenn jemand aber einen Vorschlag hat, gern her damit. 🙂

Es tummeln sich doch schon genug Liebesgeschichten in anderen Büchern. Oder sind es doch nicht genug? Wie sieht es denn in dir drinnen aus?

Philosophie heißt die Liebe zur Weisheit. Das heißt aber noch lange nicht, dass es in meinem Buch eine kitschige Romanze geben wird. Mal ehrlich, wer will so etwas denn lesen? Ich bin hier bislang gut damit gefahren, mich über die Liebe höchstens einmal lustig zu machen und so wird es auch in mir als Buch zwar ein Kapitel geben, das mit der Liebe abrechnet, aber das war es auch schon. Arbeitstitel:“Reißt die Herzen heraus und zertrampelt sie: Freiheit statt Liebe“

Wir trauern, wenn unser Lieblingscharakter in einem Buch stirbt. Er, oder sie, ist uns so ans Herz gewachsen, dass wir nicht anders können. Aber du tust uns das nicht an – oder?

Ich plane ja für mich selbst, ewig zu leben und bin vorsichtig optimistisch, dies auch bis zum Ende der Welt durchzuhalten. Was den Protagonisten angeht, wünsche ich ihm allerdings ehrlich gesagt, dass er am Ende entscheidet zu sterben. Aus freien Stücken, mit sich und der Welt im Reinen, ganz klassisch per Brückensprung.

Niemanden interessiert dein Titel, dein Klappentext, deine Charaktere oder dein Inhalt. Das Cover ist das einzig wichtige, schließlich muss das Buch auch schön im Regal aussehen. Wie siehst du denn aus?

Es sollte schön gestaltet werden, keine Frage. Vielleicht ein Schwarz-Weiß-Bild oder ein Scherenschnitt:Das Zeilenende, auf einem Brückengeländer sitzend, lässig an eine Strebe gelehnt, eine Zigarette in der Hand und den Blick vom Betrachter abgewandt, dem Horizont entgegen schauend.

 

Es ist alles gesagt und getan. Dem Leser wurde nun eventuell schon durch einen tragischen Tod oder eine aufkommende Liebe einiges vorweg genommen. Doch das macht nichts. Er gibt dir eine Chance, weil er dich ja mögen könnte. Wie sieht es mit deinem Schreibstil aus?

Eine weit gefächerte Frage. Klar ist, dass es einen auktorialen Erzähler geben wird. Einen, der ins Zeilenende hineinschauen kann und ihn und seine Taten beschreibt, deutet, kommentiert, aber auch immer die restliche Welt im Blick hat und bei Bedarf springt, vor- oder zurückspult, Einschübe und Überblendungen vornimmt und des Zeilenendes Dummheiten durchaus belehrend, aber in ironischem Tonfall als schlechtes Beispiel für Verhalten benutzt. Überhaupt wäre das Buch durchzogen von gelegentlichen sprachlichen und gedanklichen Kapriolen, die nicht allein das Zeilenende produziert, sondern auch der Erzähler. Und Ironie, ja, ironische Leichtigkeit, die selbst den tiefsinnigsten Gedanken des Buches ihre Schwere nehmen und sie an den Rand der Lächerlichkeit treiben, ohne sie hineinstürzen lassen.

 

Natürlich bist du nicht nur irgendein Buch. Du bist das Buch! Du erscheinst unter vielen verschiedenen Ausgaben und Formaten. Doch nur das Original, ist das wahre. Bist du ein Hardcover, E-Book oder Taschenbuch? Und warum?

Hardcover, Leineneinband, aber Kleinoktav, ggf. noch Oktav, weil das gut in der Hand liegt. Als bibliophiler Mensch will ich auch ein bibliophiles Buch sein. Der Titel ist zugegebenermaßen zu lang für eine Prägung in Goldlettern, aber wir könnten uns ja auf einen goldgeprägten Kurztitel einigen, der auf dem Buchrücken erscheint.

 

Wenn du ein Buch wärst, wer würde dich lesen?

Viele Menschen, weil ich nicht nur ein Kandidat für den deutschen Buchpreis und den Nobelpreis wäre, nein, auch zur Schullektüre und als Thema für Examenskolloquien in Germanistik und Philosophie wäre ich ein gefragtes Buch. Darüber hinaus wünsche ich mir allerdings, dass mich ein anderes Schicksal ereilt: Ich lande als repräsentatives Stück in jedem bildungsbürgerlichen Bücherregal, wo ich angesehen aber nie gelesen werde. Außer von jenen gelegentlich neugierigen Menschen, die es dennoch tun, heimlich und unbemerkt. Und die etwas für ihr weiteres Leben daraus mitnehmen. Warum sollte es mir besser ergehen als meinem lieben Freund Schiller?

 

Ein wirklich sehr schönes Stöckchen, wie ich sagen muss … Wäre das vielleicht etwas für dich, Random Randomsen? Oder eine gewisse Mama? Aber wie immer dürfen sich auch alle anderen daran bedienen. 🙂

31 Kommentare zu „If I were a book …

  1. Da sitze ich morgens im Zug und erfreue mich an der Vorstellung eines Buches mit Scherenschnitt und Goldlettern und dann – baemm – trifft mich ein Tag!!! Herzlichen Dank dafür und die wunderbare Bahnlektüre: Es war sooo schön zu lesen, Star Trek Zitate, Philosophen, die sich im Horizont verlieren und auf Herzen rumtrampeln – o.k., das Kapitel würde ich überspringen 🙂

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  2. Auch ich würde das Buch lesen, bin mir aber sicher, dass ich das auf eine Weise schon bereits mache. Tolles Konzept mit ueberzeugender Umsetzung.

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  3. Wahrscheinlich wäre das Buch auch ein wenig anstrengend. Aber ich finde, gute Bücher dürfen auch anstrengend sein. Man muss den Zähnen ja auch mal was zu tun geben, anstatt jeden Tag Toastbrot zu essen.
    Aber ehrlich gesagt, wäre ich wohl der Kandidat, der gerne auch repräsentative Stücke hat. Mein Bücherregal ist nicht nach Autor, Themen oder Inhalt sortiert, sondern nach Farbe.

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    1. Ich musste grinsen und an eine Stelle in „Draußen vor der Tür“ denken, wo Borchert durch Beckmann „Schwarzbrot statt Biskuit“ fordert. Danke dir für den schönen Vergleich. 🙂
      Und es ist völlig legitim mich als Deko zu gebrauchen und bei den schwarzen Büchern einzusortieren.

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  4. Vielen Dank! Eine klasse Idee, die ich gerne aufnehme. 🙂
    Anspruchslosigkeit ist jedenfalls deine Sache nicht. Mein Vorschlag – Schreibe einen netten Brief ans Nobelkomittee: „Gebt mir den Preis und ich schreibe Euch das passende Buch dazu.“ Dann kannst du gleich noch einen eigenen Verlag gründen: Nobelpreisliteratur on demand.
    Ganz interessant finde ich übrigens auch das ewige Leben mit „Verfalldatum.“ Etwas problematisch erscheint mir dagegen der Titel, der sich, mit Verlaub, ausnimmt wie ein verirrter Klappentext. Im Prinzip ist es ja das Buch Zeilenende. Und da „Zeilenende“ schon als Autor draufsteht, könnte als Titel ein schlichtes „dito“ genügen. 😉

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    1. „Der Abentheurliche SIMPLICISSIMUS Teutsch. Das ist: Die Beschreibung deß Lebens eines seltzamen Vaganten genant Melchior Sternfels von Fuchshaim wo und welcher gestalt Er nemlich in diese Welt kommen was er darinn gesehen gelernet erfahren und außgestanden auch warumb er solche wieder freywillig quittirt. Überauß lustig und maenniglich nutzlich zu lesen.“
      Was Grimmelshausen darf, will ich auch können dürfen! Auch wenn „dto.“ als Titel natürlich auch schick ist. Aber jetzt entschuldige mich, ich muss einen Brief aufsetzen. 😀

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  5. Na, Du als Buch müsstest unbedingt in meinem Bücherregal stehen. Nicht nur das, ich würde Dich natürlich auch lesen und ich bin überzeugt davon, dass ich am Ende der Lektüre rundum gebildet und zufrieden wäre. Es ist schließlich alles dabei, sozusagen von jedem etwas. Es würde ein wundervolles Lesevergnügen sein. In einem Auge hätte man ein Lachen, in dem anderen eine Träne, wobei es sicher auch fließende Übergänge von einem ins andere Auge gäbe, mein philosophisches Wissen wäre mal wieder mächtig durcheinandergewirbelt und sogar durch die Politik wäre ich hin und her gestolpert und nebenher würde ich all die vielen Koch- und Backrezepte ausprobieren und an manchen vielleicht sogar mit Dir gemeinsam verzweifeln 😉 Der Titel – soooo schön 😀 Ich wüsste nur zu gern auch noch den Untertitel. Und noch was: Wann gibt es die erste Leseprobe? Ich hätte gern den Teil mit den Backrezepten 😉

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    1. Das Buch für jede Lebenslage … Dankeschön. Ich werde ganz rot. Ich habe mittlerweile die Rezepte tatsächlich im Blog oben auf einer Seite. Aber freu dich lieber auf den Dezember, da wird es weihnachtlich. 🙂

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  6. Dieses Buch will ich lesen.
    Aber eigentlich tue ich das ja schon. Ich lerne Tag für Tag einen völlig fremden Menschen ein kleines Stück mehr kennen. Natürlich erzählt er mir nur das, was er möchte. Dennoch lässt der Mensch Zeilenende mich und viele anderen Tag für Tag in seinen Kopf schauen. Für dieses Gedankenteilen nehme ich es auch in Kauf, nicht in schönen Buchseiten blättern zu können. Dafür endet es auch nicht nach ein paar hundert Seiten :).
    Ein feines Stöckchen – ne, Tag…was auch immer – hat man dir da zugeworfen.

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    1. Vielleicht eine der spannendsten Dinge im Netz. Und vom wirklichen Leben gar nicht so weit entfernt. Ich glaube nach wie vor fest daran, dass man auch „reale“ Menschen nicht besser kennen lernen kann, nur weil sie vor uns stehen.
      Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es werden noch viele vergnügliche Schreib- und Lesestunden für uns. 🙂

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