Vor zwei Wochen stand ich auf der Terrasse und dachte: Boah, es ist Herbst. Die Blätter der Bäume, die ich von dort aus sehe, waren doch vor ein paar Tagen noch komplett grün. Es wäre mal wieder Zeit, in den Wald zu gehen.

Die nächsten Tage gingen ins Land. Es blieb Herbst. Und viel zu tun. Und es war kalt. Richtig ungemütlich. Ich dachte: Boah, es ist Herbst. Ich mag den Herbst nicht. Ich blieb daheim oder auch nicht, erledigte dieses und jenes. Streunte ein wenig in der Gegend rum. Hatte am Wochenende andere wichtige Dinge zu tun. Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht, ich hätte nur herumgesessen und mit dem Herbst gehadert. Der letzte Sonntag war immerhin schön, aber da fand endlich ein oft verschobener Spielenachmittag statt. Wir mussten Zwerge aus einer überfluteten Mine retten. Keine Zeit für den goldenen Herbst.

Die Tage zogen ins Land. Vollgepackt mit erledigenswerten Dingen. Mit Beunruhigung stellte ich allerdings fest, dass die To-Do-Liste immer länger wurde. Nur partiell entspannend wirkte die Tatsache, dass ich die Kamera trotzdem in Händen hatte. Und nach einem lustigen Abend mit Feuerwerk, großartiger Gesellschaft, Kunst, merkwürdigem Publikum und ebenso merkwürdiger Musik (der deshalb zeitig endete, wie sich das für einen alten Mann gehört) studierte ich vorhin also meine Post-its. Aufschieben? Erstmal Kaffee kochen und auf die Terrasse.

Heute stand ich also auf der Terrasse und dachte: O bah, es ist November. Die Blätter der Bäume, die ich von dort aus sehe, waren doch vor ein paar Tagen noch komplett am Baum. Welche Diät schlägt denn so schnell an? Die will ich auch probieren!

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Aus schöneren Sommertagen

Bestandsaufnahme: Es ist kalt, es ist feucht, die Bäume sehen fast schon nach Winter aus und nicht mehr nach Herbst. Zeit, herbstliche Dinge zu tun. Der Stollen ist schon gebacken (was ein Spoiler für kommende Freitage ist) und eine gewisse Ratlosigkeit offen lässt. Lohnt sich der Gang hinaus in Park oder Wald überhaupt noch? Oder ist Herbst nicht die Zeit, wo man mit einem Buch auf dem Sofa sitzt und Kaffee schlürft? Wäre mal wieder Zeit für genussvolles Lesen, denn die letzten Wochen habe ich nur sehr fleißig Nietzsche gelesen. Ich war jenseits von Gut und Böse, habe die Genealogie der Moral aufgeschlüsselt, Nietzsche contra Wagner mit Punktsieg für Nietzsche erlebt, darauf den Fall Wagners und die sich anschließende Götzen-Dämmerung. Ich sah einen Menschen (das vielleicht verständlichste Werk des Herrn N.), blickte dem Antichrist ins Auge und bekannte am Ende mit Fritz dann doch: „Nur Narr! Nur Dichter!“ Aber mal wieder eine schöne Geschichte, das wäre es.

Aber: Ich finde meine Clownsnase nicht mehr. Und am Freitag ist es so weit. Ich glaube, raus gehe ich heute doch nicht.

10 Kommentare zu „Der Herbst geht

          1. Bei manchen Zeitgenossen beschleicht mich allerdings das Gefühl, dass sie nicht wirklich leben, sondern bereits zu „Lebzeiten“ gradweise verwesen. Ich muss aber zugeben, dass die „Verwesenden“ das (zu ihrem Vorteil) anders sehen. 🙂

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