Tante Tex liegt zwar im Bett und kuriert eine Lungenentzündung aus – an dieser Stelle nachträglich gute Besserung – aber Zeit für ein neues Thema zum Story-Samstag hat sie dennoch. Am Story-Samstag schmeißt sie unschuldigen Blogger*innen Themen, Worte, Bilder und sonstige Dinge an den Kopf und verlangt dann, dass diese hochwertigen Content produzieren, der erheitert, nachdenklich macht oder einfach nur im Internet steht. In dieser Woche heißt es „Erbe“.

storysamstag
Was bleibt, wenn du gehst? Mit ein wenig Glück etwas materieller Besitz. Bescheidener Wohlstand, ein wenig Geld auf der Bank. Obwohl das Geld Zeit deines Lebens ein riesiges Thema war. Nicht, dass es an irgendetwas gemangelt hätte. Es gab genug zu essen, die Klamotten waren ordentlich und neu. Wenn es eine Marke sein musste, durfte es auch einmal eine Marke sein. Es gab reichlich ausgestattete Kinderzimmer mit Spielzeug, die Spielkonsole, Bücher so viele man wollte. Es gab einen Garten, auch wenn ich ihn rückblickend nie zu schätzen wusste. Ein eigenes Zimmer. Sommerurlaub am Meer, immer mindestens zwei Wochen. Mit Zelt und Wohnwagen, aber zwei Wochen Sonne, Strand und Eis. Sonne, Strand und Eis sind viel besser als sagen zu können, man sei auf Mallorca gewesen. Letzten Endes gibt es da auch nur Sonne, Strand und Eis. Aber nur eine Woche lang.

Das Materielle, ja. Vielleicht ein wenig Geld. Aber wenn nicht, dann nicht. Ich will dein Geld nicht erben. Wer Geld vererbt, hat nicht gelebt. In einer Welt, in der es Mühe macht, kostenloses Vergnügen zu finden, ist es legitim, sein Erspartes zu verprassen, um das Leben zu genießen. Ja, ich weiß … deine typische Mittelstandsangst, dass es nicht reicht, das beruhigende Gefühl, wenn der Kontostand schwarz und nicht rot ist. Aber man lebt nur einmal. Und wer dieses eine Mal nicht in vollen Zügen genießt, bekommt die Gelegenheit nie wieder.

Es wird ein Haus bleiben. Ein Haus, das ich nicht haben will. Das habe ich nie so klar gesagt, aber angedeutet. Denn das Haus hieße, an einen Ort zurückzukehren, von dem ich mich mit 19 verabschiedet habe. An den ich nie wieder zurückkehren wollte. In der Hinsicht war ich inkonsequent … Oder pragmatisch. Auf das Haus kommt es mir nicht an.

Was bleibt von dir? Die Entscheidung, zurückzukehren. Das bist ganz eindeutig du gewesen. Dein Pragmatismus hat abgefärbt. Sich der Realität stellen und sie hinzunehmen, damit umzugehen. Du nennst mich manchmal einen Träumer oder Spinner, weil ich die Welt nicht so sehe, „wie sie ist“. Dass ich den Idealismus deiner veganen Nachbarin verteidige, wo du ihr Inkonsequenz vorwirfst. Pflanzen seien auch Leben. Dass ich selber Idealist bin. Dass ich mir wünsche, die Welt sei anders und deshalb damit hadere. Aber ich denke dagegen an. Woher das kommt … Weißt du nicht. Glaube ich.

Dabei ist es das, was von dir bleibt. Von euch bleibt. Neben der Veranlagung zu schütterem Haar vielleicht. Und es bleibt auch dies: Kein Thema ist zu ernst, dass man nicht ein wenig Sarkasmus oder Spott hineinmischen könnte. Wohlwollend, liebevoll. Aber ja … Dein Pragmatismus, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen, ist immer Ausdruck eines Plans. Zumindest kommt es mir bis heute so vor. Du weißt, wo es langgeht, was zu tun ist. Du hast einen inneren Kompass und eine Landkarte. Darüber musst du dir keine großen Gedanken mehr machen, denn so lebst du schon doppelt so lange wie ich.

Mein Idealismus ist bloß die Suche nach einer Grundlage für meine eigene Karte, meinen eigenen Kompass. Ich weiß eben nicht, was ich will, nicht ganz. Ich will es auch noch gar nicht so genau wissen. Ich fühle mich jung, auch wenn ich schon eine ganze Weile erwachsen bin. Aber ich spüre, dass da noch viele Gelegenheiten sind, etwas auszuprobieren. Die will ich mitnehmen, mich ihnen stellen. Ganz pragmatisch, weil es sie irgendwann nicht mehr geben wird. Manche Gelegenheiten hat man nur, wenn man jung ist.

Kein Geld, kein Haus … Und selbst wenn doch: Landkarte und Kompass, die sollen bitte bleiben. Irgendwann werde ich dich nicht mehr anrufen können und dich fragen, ob ich mich in existentiellen Fragen richtig entscheide, du mir zuhörst und sagst:Ja. Dann will ich bereit sein und mich selbst fragen können. Dafür hast du gute Arbeit geleistet. Das wird bleiben. Und das allein zählt.

17 Kommentare zu „Erbe

  1. Das hat mich berührt!

    Ich habe neulich in irgendeiner Tauschbörse ein Foto gesehen, das wollte jemand alles vom verstorbenen Opa verkaufen, das alte Silber, die Sammlung von Fußballwimpeln, alte Alben u.s.w. Für mich war das ein Anlass nachzudenken: „Was soll bleiben?“ Besitz vermutlich nicht, dazu gebe ich mein Geld zu gerne aus, große Taten, dafür bin ich nicht gebaut, was also? Wenn ich heute an meinen Opa denke, denke ich an seine Liebe, an seine bedingungslose Zuwendung und an seinen Satz, wenn mich jemand geärgert hat: „Den trete ich in den Hintern bis er Radschlägt“. Auch wenn mein Opa keiner Fliege was böses tun konnte, war das doch seine Art der Solidarität.
    Lieben Gruß
    Ela

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    1. Danke sehr. 🙂 Es sind die Dinge, die man uns vermittelt, die bleiben. Davon bin ich auch überzeugt. Und das ist viel besser als eine Sammlung von Fußballwimpeln. Auch wenn das Loslassen solcher Dinge manchmal schmerzhaft ist.

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  2. Das stimmt mich zum frühen Morgen doch gleich recht nachdenklich. Was bleibt? Geld sicher nicht. Vermutlich Fotos, witzige Geschichten und mein Käsekuchenrezept. Aber ist es nicht das, was wir uns alle wünschen? Nicht vergessen zu werden? Wunderbarer Beitrag!

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    1. Manchmal bin ich ganz froh, wenn man mich vergisst. Wenn ich aus einem anderen Leben verschwinde, in dem ich mich nicht wohl fühle. Oder besser gesagt: Aus jemand anderes Leben, mit dem ich mich nicht wohlfühle. Und ich denke, nur Schaden anzurichten. Selbst wenn ich es nicht wollte.
      Genug der Depression: Wenn ein Käsekuchenrezept bleibt, ist viel gewonnen. Ich habe von der seligen Oma Zeilenende ein Rezept für Mohntorte. Dass das geblieben ist, macht mich glücklich. Neben Anderem.

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  3. Danke für diesen schönen Zeilen! Ein Text der mich sehr berührt. Erst gestern stark drüber nachgedacht und heut deine Zeilen hier gelesen. Wenn ich das nicht hier im Büro lesen würde, könnte die eine Träne schon runterkullern. Geld ist nicht wichtig und das möcht ich auch meinem Sohn beibringen. Es gibt viel wichtigeres im Leben und auch später seinen Lieben zu „hinterlassen“. Liebe Grüsse

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    1. Ja, ich habe deinen Text gestern auch gelesen und fand ihn wunderschön. Und er hat mich in dem bestärkt, was ich hier aufgeschrieben hatte. Denn ich bin bei solchen Texten immer skeptisch, ob ich sie veröffentlichen soll. Von daher, dank auch dir. 🙂

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  4. Menschen, die sich auf’s Erben versteifen, finde ich skurril. Die eigenen Eltern sind meist nicht soviel älter als man selbst (20 bis 30 Jahre), sodass man als 60jähriger von einem geerbten Haus auch nicht mehr soviel hätte. Dazu muss man häufig teilen, was in vielen Familien zu erbitterten Streits und häufig auch zu Brüchen führt. Und wofür das alles, damit sich der Staat danach noch seinen Anteil holt?

    Ich glaube, bei mir ist weder finanziell noch materiell viel zu holen. Im Endeffekt mache ich mir über das Vererben aber auch keine Sorgen. Wenn ich tot bin, ist mir scheißegal, was mit meinem Besitz passiert 😀

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    1. Ich kann es nachvollziehen. Das mit dem Erben. Das ist eine Frage der Prägung. Meine Großeltern haben wahlweise den zweiten Weltkrieg noch als junge Erwachsene miterlebt oder kommen aus kleinbäuerlichen Verhältnissen und haben es jeweils zu bescheidenem bürgerlichen Wohlstand gebracht (Haus, Auto, Pelzmantel für die Gattin, Sie kennen das). Sie waren immer großzügig, aber ich habe durchaus gemerkt, wie sie aufs Geld geachtet haben. Da wurden Kassenzettel im Supermarkt geprüft und aufbewahrt, Haushaltsbücher geführt, Verträge mit Skepsis betrachtet und auf Kredit schonmal gar nichts gekauft.
      Das hat auf meine Eltern abgefärbt. Ohne Zweifel. Und ich will mich davon auch nicht freisprechen. Die Aussicht, Geld zu bekommen, beruhigt unheimlich.

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      1. Das, was du beschreibst, tue ich auch. Hat das nicht einfach was mit „Auf’s Geld achten“ zu tun, damit man über die Runden kommt? Aber doch nicht mit dem Hintergrund, das Geld irgendwem zu überlassen, sondern einfach um zu überleben…

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