Ich war zwei Staffeln lang kein Fan von Birgitte Nyborg und auch in der dritten und letzten Staffel von Borgen werde ich mit ihr nicht warm. Dennoch, nach mäßigem Auftakt bietet auch die finale Staffel sehenswerte Folgen.

Inhalt

Birgitte Nyborg ist in der freien Wirtschaft tätig, glücklich verliebt und will in die Politik zurück. Ihr langer und schmerzhafter Weg wird begleitet von zahlreichen Problemen und alten Bekannten. Währenddessen geht um sie herum das muntere Beziehungs-On und -Off weiter und es gibt eine Wahl.

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Sprunghaftigkeit

Ich habe selten einen schlechteren Staffelauftakt erlebt als den der dritten Staffel Borgen. Wir befinden uns einige Jahre in der Zukunft und Politik spielt keine Rolle, weder für Birgitte noch für Kasper und Katrine. Alles soll neu sein: Der Fokus liegt allein auf den Beziehungen der Charaktere zueinander, Birgitte hat ihren Wohnstil komplett verändert und erneut gibt es von mir Frisurenkritik: Meinen die das mit Kaspers neuem Haarschnitt und dem mangelnden Bart ernst? Das könnte gar nicht schlimmer aussehen … Dachte ich zumindest, bis ich ein paar Folgen später eines Besseren belehrt wurde.

Im Laufe der ersten Folge wird der Bogen schließlich doch zurück zur Politik gespannt, aber so überstürzt, dass es gewollt wirkt, nach dem Motto: „Zeigen wir die private Birgitte und fangen dann mit dem eigentlichen Thema der Serie an.“ Und kaum ist Birgitta mit ihrem Wunsch gescheitert, springen wir mitten hinein in die eigentliche Geschichte: Wenn ich nicht mitspielen darf, versuche ich euch das Spielzeug abzunehmen. Politisch gesprochen: Wenn ich bei euch nicht bestimmen darf, gründe ich eine Partei, um euch die Macht abzunehmen.

 

Idealismus oder Irrsinn?

Birgitte gründet also eine Bewegung. Deren einziger Programmpunkt heißt Birgitte. Sie findet schnell großen Zulauf, weil die Birgitte-Partei (Neue Demokraten, aber aus den nun folgenden Gründen die „Birgitte-Partei“) nicht für Inhalte steht und damit Projektionsraum für zahlreiche verschiedene Vorstellungen ist. Ihre Themen sind lediglich: Idealismus und Diskussion. Das klingt charmant, übersieht aber, dass sich gerade die wichtigen Gründungsmitglieder der Birgitte-Partei mehr für ihre Interessen (namentlich Posten) interessieren als für die Diskussion. Da werden Vorschläge und Konzepte erarbeitet, die akzeptiert werden sollen, aber die nie ernsthaft diskutiert werden – höchstens im kleinen Kreis. Die Linie der Birgitte-Partei legt damit allein dieser kleine Kreis der Gründer fest, genauer: Birgitte. Auch wenn der Widerspruch in der gesamten Staffel nicht thematisiert wird, ist es augenfällig: Die Birgitte-Partei bekommt Themen und Funktionäre, aber sie ist vor Allem ein Birgitte-Wahlverein. Und dann soll sie eine Wahl gewinnen.

Verdienstvoll an der Darstellung dieser Gruppierung ist, dass sie aufzeigt, welche Spannungen eine neu gegründete politische Bewegung auszuhalten hat. Neue Parteien gruppieren sich um ein bestimmtes Thema: Die Grünen um Umwelt, die WASG um den Versorger-Staat, die Piraten um die Netz- und die AfD um die Euro-Politik (auch wenn wir das fast schon wieder vergessen haben). Neben dem Thema strahlen sie vor Allem ein Gefühl aus: Hier kann jeder mitarbeiten. Das zieht unterschiedlichste Vorstellungen an: Die Grünen haben es geschafft, Realos und Fundies in einer Partei zu integrieren, die Piratenpartei ist wohl gescheitert, die WASG mit der PDS fusioniert, die AfD hat sich unter dem Druck der Projektionen von einer Wirtschafts- mindestens zu einer Partei der inneren Sicherheit gewandelt.

 

Politik

Nach diesem eher schwachen Auftakt gewinnt die Serie an Fahrt, denn es kristallisieren sich politische Themen heraus. Das erste große Thema ist das der Sexarbeit und hier entfaltet Borgen beinahe dokumentarischen Charakter: Portraitiert die verschiedenen Sichtweisen, verurteilt nicht und zeigt Bemühungen um ein Gesetz, ohne dass es (allein) durch parteitaktische Spielchen vorangetrieben wird.

Ein zweites politisches Lehrstück führt die Serie mit einem Experten vor, einer wirtschaftspolitischen Koryphäe. Er kennt alle Zahlen, entzaubert Statistiken und kann eigene Zahlen vorlegen, die für eine gänzlich andere Politik sprechen. Er handelt dabei aus Idealismus, aber seine Vergangenheit wird ihm zum Verhängnis. Borgen zeigt mit der Figur Sören Ravn einen Mann, der früher potentiell verfassungsfeindliche Ideale hatte, sich aber gewandelt hat. Das löst eine regelrechte Hexenjagd aus und demonstriert, wie unbarmherzig die Öffentlichkeit im Umgang mit alten Verfehlungen sein kann. Er ist das bewegliche Plädoyer dafür, dass jeder eine Chance verdient hat, seine Ansichten zu überdenken, zu verändern oder zu widerrufen. Und dann ein Recht darauf hat, sich nicht ständig für alte Sünden rechtfertigen zu müssen.

 

Egoismen

Ein wesentliches Anliegen der Serie ist es, die Einsamkeit der Macht zu erkunden. Birgitte hat trotz zahlreicher Probleme auch in der dritten Staffel niemanden, mit dem sie reden kann, sie hat sogar verlernt, ehrlich zu ihren Kindern zu sein und mit ihnen zu reden. Gleiches gilt für Torben Friis, den Nachrichtenchef von TV1, der privat wie beruflich unter starkem Druck steht (eigentlich der bessere Erzählstrang als Birgittes politische Bemühungen, aber in der Serie nun einmal nur Nebenhandlung), aber ebenso verlernt hat, mit anderen zu sprechen, zu diskutieren und so für Probleme, die alle betreffen, Lösungen zu suchen.

Andererseits hat Birgitte auch kein großes Interesse daran, mit anderen zu teilen. Mal will sie ihr Privatleben schützen, mal macht sie es bewusst zum Teil der politischen Agenda. Mal wirft sie einem Verräter (der auf albern klischeehafte Art überführt wird) vor, in der Politik ginge es nicht darum, etwas für sich zu bewegen und dann steht sie im Scheinwerferlicht und strahlt, weil man ihr applaudiert. Birgitte, zur Erinnerung, hat eine neue Partei gegründet, die darauf zielt, ihrer alten Partei das Wasser abzugraben, weil sie nicht mehr mitspielen darf. Das ist legitim, aber auch eine Form von Egoismus.

Wie Birgitte sagt: „Unser Ziel ist es, entscheidenden politischen Einfluss zu erlangen.“ Was sie nicht sagt, sich aber aus der Situation ergibt: „Auch wenn ihr alle Bedenken habt.“ Sie setzt die Themen und gibt die Richtung der Parteiarbeit vor, weil sie diese für richtig hält. Birgitte ist an Diskussion nicht interessiert, sondern etwas für sich zu bewegen, was sie als Arbeit für andere ausgibt. Und es ist ausgerechnet Birgitte, die keine Schmutzkampagnen und eine Trennung von Privatem und Politischen will, die eine persönliche Schwäche eines Konkurrenten ausnutzt, um ihn öffentlich zu diskreditieren.

 

Finalfazit

So schwach der Auftakt der Staffel, so großartig das Finale. Die letzte Folge von Borgen ist ein großer Wurf, unglaublich spannend. Auch wenn man wie ich kein Fan von Birgitte ist, fiebert man mit, als würde die Wahl tatsächlich stattfinden. Und ganz am Ende, auch das muss man ihr lassen, zeigt Birgitte tatsächlich einmal Größe.

Zieht man den Vergleich zur zweiten großen Politikserie, ist Birgitte wenig anders als Frank Underwood. Vielleicht hat sie mehr Skrupel, aber ehrlich gesagt ist Francis mir sympathischer. Das könnte aber auch daran liegen, dass Birgittes Nervpotential zwar nicht so hoch wie das von Carrie Mathison aus Homeland, aber doch beträchtlich ist. Die dritte Staffel Borgen ist aber trotz des Fokus der einsamen Streiterin auf dem Weg zurück zur Macht sehenswert, weil sie immer wieder genuin politische Themen aufgreift, weil sie (was in der Besprechung vernachlässigt wurde) die Boulevardisierung des politischen Journalismus thematisiert und natürlich wegen Hanne Holm, die bei jedem ihrer leider sporadischen Auftritte ein Highlight setzt, indem sie die Wahrheit ausspricht – brutal und zugleich zärtlich.

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