Ich gehe einkaufen. Moderne Männer tun so etwas. Sie begleiten Mutter Zeilenende in den Supermarkt und erfüllen wichtige Aufgaben. Sie sitzen beispielsweise auf dem Beifahrersitz oder studieren die Einkaufsliste, während Mutter Zeilenende den Wagen schiebt. Vor allen Dingen aber beobachten sie.

Wenn es das Discount-Prinzip noch nicht gäbe, müsste man es für Mutter Zeilenende erfinden. Sie ist ein großer Fan. Das Ansinnen ihrer präferierten Discountmarkt-Handelskette, die Filiale zu renovieren und zukünftig mehr Waren in Regalen statt auf Paletten und in Kartons zu präsentieren, quittierte sie mit einem Augenverdrehen. „Was für ein unnötiger Aufwand. Da müssen die armen Angestellten die Weinflaschen und Colorados alle aus dem Karton räumen, obwohl ich mir die ohnehin herausnehme.“

Es ließe sich an dieser Stelle sicherlich erörtern, warum mir zum Einkaufsverhalten von Mutter Zeilenende in erster Linie Wein und Colorado einfallen. Es würde ihre Abneigung gegen die Regalsorgen verständlich machen, denn Mutter Zeilenende zieht es vor, den Rotwein gleich im Karton zu kaufen. Der sechs Flaschen enthält. Man nennt es wohl Damen-Sixpack.

Ich möchte nicht sagen, dass Mutter Zeilenende eine verfressene Säuferin sei. Eventuell lese ich ihr diesen Text nämlich vor, so wie vor einiger Zeit den über die Vorbereitung ihres Geburtstags. Es liegt allein daran, dass in besagter Filiale ihrer präferierten Discountmarkt-Handelskette gleich nach dem Kaffee der Wein und die Colorados warten. Andererseits ist es anstrengend für mich, ständig haufenweise Lakritzkonfekt zu essen, damit sie nicht zu viel davon nascht.

Den Artikel über ihren Geburtstag bezeichnete sie als „Ansammlung infamer Lügen und Unterstellungen“, während sie den Artikel über die schönste Zeit des Jahres gelungen fand. Ob das nun daran liegt, dass ich darin Herrn Zeilenende Sr. und nicht sie bloßgestellt habe, sei einmal dahingestellt. Sie dankt jedenfalls für die verspäteten Glückwünsche zum Geburtstag.  Ich hingegen bin bei diesen divergierenden Urteilen ein wenig irritiert, ob ich nun die Wahrheit sage oder lüge. Ich beobachte doch nur. So auch im Supermarkt.

Bei meinen Beobachtungen fiel mir eine Neuerung auf. Die Damen und Herren an der Kasse von Mutter Zeilenendes präferierter Discountmarkt-Handelskette tragen Uniform. So weit ist dies nicht überraschend. Doch ihre Uniform hat sich geändert. Teil der Uniform ist mittlerweile ein Knopf im Ohr, der die Damen und Herren an der Kasse von Mutter Zeilenendes präferierter Discountmarkt-Handelskette je nach Gesichtsausdruck wie Bodyguards, Geheimagenten oder gestresste Versicherungsvertreter im Außendienst wirken lässt.

Ich mache mir also an der Kasse so meine Gedanken. Kauft die lokale Prominenz mittlerweile auch bei Mutter Zeilenendes präferierter Discountmarkt-Handelskette ein und benötigt deshalb Personenschutz oder ist die Klientel von Mutter Zeilenendes präferierter Discountmarkt-Handelskette verdächtig, sodass sie überwacht werden muss? Handelt es sich womöglich um ein Terrornest, gelten Mutter Zeilenende und das Zeilenende womöglich als Gefährder? Ich überlege, den Damen und Herren an der Kasse von Mutter Zeilenendes präferierter Discountmarkt-Handelskette einen heißen Tipp zu geben. Wenn sie Terroristen jagen wollten, sollten sie in meinem Zimmer damit anfangen und einen gewissen Seamus O’Bär wegen Verfassungsfeindlichkeit verhaften.

seamus24
Der Bär ist sogar supermarktbekannt für das Entwenden von Ü-Eiern

Da ich keine verdeckten Waffen an den Damen und Herren an der Kasse von Mutter Zeilenendes präferierter Discountmarkt-Handelskette erkennen kann, bin ich aber nach einiger Zeit wieder gelassen. Und weil die Damen und Herren an der Kasse von Mutter Zeilenendes präferierter Discountmarkt-Handelskette mir auch nicht die Frage stellen, ob mein Versicherungsschutz ausreichend ist, verwerfe ich meinen dritten Gedanken, wieso die Damen und Herren an der Kasse von Mutter Zeilenendes präferierter Discountmarkt-Handelskette Knöpfe im Ohr haben. Ich will mich realistischeren Spekulationen zuwenden, doch dann bitten sie schon um die Zahlung und wir verlassen den Kassenbereich. Im Weggehen meine ich, mehrere elektronisch verzerrte Stimmen gleichzeitig zu hören:

„Hier ist der Brotback-Automat. Es müssen frische Croissants nachgelegt werden. Streicht das frisch. Schmeißt die Croissants im Ausgabeschacht einfach noch einmal rein.“

„Achtung, hier ist die Gemüsetheke. In der Kohlkiste herrscht durcheinander. Irgend so ein Trottel hat eine Gurke hineingelegt. Und die Tomaten sind matschig. Sie tropfen auf den Boden.“

„Pfandautomat an Kasse 1. Jemand hat mich mit seinem Jahresverdienst gefüttert. Bitte um Leerung.“

Und dann die Stimme der Dame oder des Herrn an der Kasse von Mutter Zeilenendes präferierter Discountmarkt-Handelskette: „Hallo Susi, hier ist Kim. Kim ausm ALDI. Zielpersonen haben den Laden verlassen … Ja … Der Bekloppte mit der Mütze und die Mutter von dem Bekloppten mit der Mütze … Wir müssen jetzt erstmal aufräumen. … Nein, haben sie nicht. Ihr schließt also besser den Schnaps weg. Die kommen jetzt zu euch.“

21 Kommentare zu „Überwachen und Einkaufen

    1. Daskannswohllautsagn….min Jotte näi….min Jotte näi…. ( mit geducktem Oberkörper den Wagen vor mir her tänzel….gehetzt nach links und rechts in die Regale greif….auf direktem Wege die Kasse ansteuer….sich da etwas sicherer fühl aber trotzdem immer wieder ein schneller Blick nach links und rechts….immer auf der Hut….auch beim bezahlen und dann nixwieraus…. )….man weiss ja nie wann die wieder dort einfallen…. hashtagdatweissenie …. hashtagimmeraufderhut….

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  1. Ohrknöpfe? Die sind mir noch gar nicht aufgefallen. Hm, ich glaube, ich muss mal wieder einkaufen gehen. Sehr spannend finde ich übrigens beim Discounter auch die feinen regionalen und internationalen Sortimentsunterschiede, während ich aber auf größere Abweichungen zwischen einzelnen Standorten sehr ungehalten reagiere. Aus letzterem Grund stehe ich der Aufhübschung auch skeptisch gegenüber, weil das wichtige Merkmal von Discounter Verlässlichkeit und Austauschbarkeit sind. Schon ein geänderter Drehsinn kann verstörend auf mein Einkaufsgleichgewicht wirken. Wenn ich beim Einkaufen suchen will, kann ich auch gleich zu den andern gehen. Eine Verringerung der Bandbreite des Reinlichkeitsniveaus erschiene mir da punktuell nötiger.

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      1. Ja, Preis ist auch sehr wichtig, aber ich würde trotzdem nicht häufig irgendwo einkaufen, wo ich lange suchen muss. Ich finde, das gerade ist eine der Discounterstärken. ALDI linksdrehend, ALDI rechtsdrehend, ich weiß sofort, wo was ist und bin schnell wieder draußen, wenn ich will. Also meistens.

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