Verändern die Umstände uns? Verändern wir uns? Verändert sich alles? Und brauchen wir nicht eigentlich nur mehr Geduld?

Wenn ich über meine Stärken nachdenke, dann fällt mir als erstes meine engelsgleiche Geduld ein, die in jahrelangen Stahlgewittern (Zusammenleben mit jüngeren Geschwistern, Nachhilfegeberei in Mathematik, Praktika im Kindergarten, der Arbeit mit Ersties, Schüler*innen und Hochbetagten) … nunja … gestählt wurde. Ich bin sowas wie der Ernst Jünger der Postmoderne, nur ohne diesen pathetischen Manneskitsch.

Zugegeben, zunächst fällt mir ein, dass ich vorzüglich kochen kann, aus dem Stand einstündige Vorträge zu den absurdesten Themen halten  und mittlerweile leidlich unterhaltsam schreiben kann. Aber das gilt nicht als Antwort auf die Frage „Was sind Ihre Stärken?“ Und ich denke nach wie vor nur in den Kategorien von Vorstellungsgesprächsfragen. Deshalb hat das Thema ja seine eigene Reihe bekommen.

Tun wir für den Augenblick einmal so, als ob das mit der Geduld tatsächlich stimmen würde, dann könnte ich nämlich schöne Bilder bemühen: Ich verliere mein Ziel nicht aus den Augen (zielstrebig ist es also auch, das Zeilenende!), weiß aber, dass es auf dem Weg zum Ziel nicht immer der beste Gedanke ist, alle Hindernisse aus dem Weg zu sprengen. Manchmal lohnt sich auch ein Umweg – und wenn man am Ziel nicht kollabieren möchte, sollte man je nach Wegstrecke auch Pausen einkalkulieren. Geduld eben.

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Geduldig wie Stein wäre ich (und Ironie geht auch in Bildern)

Was mich selbst betrifft, müsste ich einschränken, dass ich mit mir selbst sehr unduldsam umgehe. Und wenn ich etwas nicht begreife oder hinbekomme, beschimpfe ich mich. Mitunter wüst. Was legitim ist, weil ich das oft als Ansporn brauche. Unzufriedenheit ist eine mächtige Waffe. Wir hätten bis heute keine Demokratie in Europa, wenn die Bevölkerung Frankreichs mit ihren absolutistischen Monarchen nicht massiv unzufrieden gewesen wären und so den Nährboden für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit geschaffen hätten.

Andererseits gibt es berechtigte und unberechtigte Unzufriedenheit. Dies hier soll kein politischer Beitrag sein, aber das reaktionäre Potential der populistischen Bewegungen in Europa macht mir auch deshalb Angst, weil Unzufriedenheit solch ein mächtiger Antrieb sein kann, ich die Unzufriedenheit aber für hochgeradig unberechtigt halte. Manchmal wünsche ich mir so etwas wie demokratischen Populismus, eine Angela Merkel, die einmal zurückpöbelt. Sie könnte meiner liebsten geistige Energiesparbirne sagen, dass sie sich einmal nicht so anstellen soll. Dank der Freizügigkeit in der EU werde sich glücklicherweise noch eine Rumänin finden, die sich nicht zu fein dafür sei, ihm den Tweed-Po abzuwischen, wenn er in ein bis zwei Jahren reif fürs Heim ist, weil … Ihr wisst schon. Ob das hilfreich ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber bei intellektuellem Dünnpfiff ist meine Dialogbereitschaft irgendwann erschöpft.

Auch ich selbst ertappe mich in letzter Zeit häufiger bei unberechtiger Unzufriedenheit. Schuld daran ist das Internet mit seinem Versprechen des 24/7-Support. So wie letztens, als ich eine Support-Anfrage über ein Kontaktformular stellte. An einem Freitag Abend. Und nach zwei Stunden regelmäßiger Kontrolle meines Posteingangs ins Bett ging, ein wenig frustriert. Um am nächsten Morgen noch frustrierter zu sein, weil immer noch keine Antwort eingetroffen war. Und bis Samstag Abend auch nicht kam. Auch am Sonntag nicht.

Nun befand ich mich zugegebenermaßen in der merkwürdigen Situation, desöfteren unter der Woche am heimischen Schreibtisch zu sitzen und dafür an den Wochenenden zu arbeiten. Meine Wahrnehmung von Wochenende und Werktagen ist ein wenig verschoben und es wäre nur noch eine Frage der Zeit gewesen, bis ich sonntagmittags vorm Supermarkt stehe und wutentbrannt die Hotline anrufe, warum die Filiale geschlossen sei, nur um festzustellen, dass eben … genau … Sonntag sei. Das Schicksal bleibt mir nun aber erspart.

In diesem Fall war mir dennoch bewusst, dass Wochenende sei. Am Montag morgen, als Frühaufsteher warf ich um kurz nach 6 einen ersten Blick auf meine Mails, war ich in Mordsstimmung, weil immer noch keine Antwort eingetroffen war. Ich verfasste einen pikierten Beitrag im Supportforum, sandte ihn aber nicht ab. Weil ich mich nun auch noch über meine eigene Ungeduld ärgerte und das Ansinnen, meinen Ärger an unschuldigen Support-Mitarbeiter*innen auszulassen. Menschen, die im Zweifel schon unglücklich genug darüber waren, dass man sie mit vorgehaltener Waffe dazu zwang, freundlich zu solch ungeduldigen Scheißkerlen zu sein, wie ich es einer war.

In Zeiten, als Hotlines noch das Supportmittel der Wahl waren, wäre das nicht passiert. Da hätte es eine Bandansage gegeben „Wir sind am Montag ab 8 Uhr wieder für Sie da“. Bei Mails hingegen? Eigentlich finde ich Mails super, weil ich sie so lange ignorieren kann, bis ich die Zeit habe, sie zu beantworten. Aber wenn ich der Absender bin, denke ich mir: „Warum ignorierst du mich seit zwei Stunden? Ich habe doch lediglich drölfzig schwer zu beantwortende Fragen, gespickt mit Fachbegriffen, gestellt!“

Ich finde mich in solchen Momenten ein wenig erschreckend. Und ihr so?

43 Kommentare zu „24/7

  1. Also, ich bin zum Glück ja so etwas wie die menschgewordene Geduld. Das brüllende Lachen meines Mannes und die ununterbrochen eintrudelnden LOL messages meiner Schwester am Handy ignoriere ich jetzt einfach mal ganz geduldig bis mir — die Hutschnur reißt und der Geduldsfaden hoch geht …. Aaaaah! Ist ja schon gut, ich gebe es zu: Geduld ist nicht meine Stärke, also eine meiner Schwächen, großen Schwächen, also, irgendwie fehlt sie mir zunehmend ganz. Aber schuld sind alleine die neuen Medien. Von daher habe ich größtes Verständnis, dass du entrüstet bist, wenn deine mails nicht sofort beantwortet werden, egal, wann du sie wegschickst und ich freue mich, dass du den Beschwerde“brief“ nicht geschickt hast. Denn es ist eine ziemliche Unart zu erwarten, dass jeder immer online ist.
    So, ich erwarte deine Reaktion auf dieses Kommentar in den nächsten Minuten 😉
    Einen schönen Samstagmorgen!

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              1. Ich sehe, ihr kommt auch ohne mich gut aus. Ich bin noch auf dem Heimweg von IKEA und brauche auch Baldrian. Mutter Zeilenende hat sich verfahren und ich sitze hilflos eingeklemmt zwischen Kartons hinter ihr. 😢

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  2. Ich habe mir mein Studium größtenteils mit einem Kundensupportjob verdient. Da wird man automatisch geduldiger, glaube ich. Außer bei dem Magentariesen, da bin ich sofort auf 180, wenn was nicht funktioniert. Ansonsten bin ich in der Beziehung tatsächlich geduldig und warte die obligatorischen 24-48h ab, die ja meistens als Bearbeitungszeit gelten…

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  3. Das mit dem 24/ 7 habe ich vor 10 Jahren hinter mir gelassen, zusammen mit drei Mobiltelefonen, die Nachts am Bett lagen. Ich habe jetzt Eines, das ständig aus ist und mir fällt nur selten ein Grund ein es mitzuschleifen wenn ich Haus und Büro verlasse, denn unterwegs bin ich beschäftigt und alles andere kann warten. Seit dem ich das so mache fühle ich mich wieder menschlich.

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  4. Gerade wieder erlebt…dummerweise vom McAfee zum Kaspersky gewechselt auf meinem Windoofs PC….wochenlang war ich gut beschäftigt mit irgendwelchen bekloppten Maßnahmen die Kaspersky, PC-Hersteller und Provider mir empfohlen….irgendwie mit der Ahnung das es eh nichts hilft….bis zur gestrigen Mail von Kaspersky das sie eine Woche lang nichts von mir gehört hätten und den Vorgang schliessen würden….ob denn alles o.k. sei mittlerweile….woraufhin ich denen eine Antwort verfassen werde im Stil von „Nee, es ist NIX in Ordnung….weiterhin friert der Bildschirm regelmässig ein und das Internet ist plötzlich weg….aber lass’n se ma! Nachdem ich sämtliche Pfade meines PC’s kenne die iiiiirgendwie mit dem Thema zu tun haben könnten hab ich nun ganz schlicht und ergreifend keinen Nerv mehr für weitere Spielereien!“

    Vom Typ her bin ich sehr geduldig und habe Verständnis selbst für die komischsten Vögel. Aber wenn mir dann mal der Geduldsfaden reisst kann ich auch recht barsch werden und meine Rechte, freundlich aber bestimmt, einfordern.

    Allerdings passieren mir so Hardcore Sachen eher selten, aber wenn dann auf virtueller Ebene oder in Hotlines, wo schlecht geschultes Personal sitzt, die selbst unter Druck arbeiten und nur auf Profit gedrillt sind….Kommunikationstraining o.ä. wird offensichtlich nur auf säuselnd-aggressive Techniken hin vermittelt….Empathie, ja-a auch das ist per Telefon möglich, ist dort ein Fremdwort….hm….

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      1. Na der wird dann aber auch Zeit! Ja, Krankenkasse hatte ich auch vor ein paar Monaten….da bin ich dann beim gefühlten 3393 Mal pampig geworden….

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  5. Ich bin gemischter Gefühle 😀

    Als Kunde finde ich es ziemlich oll, dass es zwar offiziell Supporthotlines gibt, wenn man nach diesen aber sucht, man auf den Websites etwa 300 Klicks machen muss, bis man in irgendeinem Unter-Unter-Menü in hellgrauer Schrift auf dunkelgrauem Grund die Kontaktmöglichkeiten endlich gefunden hat. Da ist man doch schon sauer, bevor man das erste Wort gesprochen/geschrieben hat.

    Wenn es telefonische und schriftliche Anfragemöglichkeiten gibt, entscheide ich nach Priorität: Wenn es sehr sehr dringlich ist, rufe ich eben an und bemühe mich, lieber die Roboterstimme anzuschreien („Bei blabla drücken Sie die 4“ – „WAAAAAAH FRESSE!“) als die Mitarbeiter.
    Bei nicht dringlichen Anfragen verwende ich gern E-Mail oder Kontaktformulare, weil ich weiß, dass es für die Mitarbeiter leichter ist. Denn wie du sagst: Die kann man beantworten, wenn Zeit ist. Das stimmt die Mitarbeiter fröhlich und gutgelaunte Mitarbeiter sind auskunftsfreudige Mitarbeiter. In solchen Situationen setze ich mir auch gern mal selbst Wiedervorlagen und wenn ich nach acht Tagen keine Antwort habe, wiederhole ich sie oder rufe halt doch an.

    24/7-Support sagt halt gar nix. Wenn da ein Mensch um 23:00h hockt, aber 3.000 Anfragen hat und deine die 3.001ste Anfrage ist, ist die Öffnungszeit pupegal. Es kann also sein, dass deine Anfrage eine sehr kritische Zeit erwischt hat, in der z.B. ein neues Produkt ausgerollt wurde oder eine größere Störung bestand, sodass du einfach zurückpriorisiert wurdest. Die Frage ist auch, was genau dein Problem war und ob es ggf. etwas war, wo der Mitarbeiter erstmal Rücksprache mit irgendwem halten muss.
    Weiß man halt nicht 😉

    Gibt natürlich auch einfach komischen Support… Ich habe im Jahr 2012 bei DHL eine Anfrage via Kontaktformular eine Anfrage gestellt und immer noch keine Antwort 😀

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      1. Die meisten Firmen sind mittlerweile so schlau, weder unter „Impressum“ noch unter „Kontakt“ außer einer Adresse etwas zu veröffentlichen. Meist kommt man im Kundenkonto irgendwo über „Service“ oder dergleichen an eine Hotline. Bei DHL funktioniert Telefon oder Mail gar nicht. Dafür haben die einen coolen Facebook-Chat. Sind halt Erfahrungswerte 😉

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  6. In meiner Firma haben wir die Leitlinie, dass unser Support an Werktagen innerhalb von 24 Stunden antwortet. Und das finde ich auch gut so. Ebenso handhaben wir es auf unseren Social-Media-Auftritten, die ich verantworte. Das funktioniert recht gut, zumal wir sonst häufig auch innerhalb von Minuten reagieren. Die Reaktionen der Kunden sind dann immer extrem positiv. Und wir antworten immer und auf alles. Man muss den zeitlichen Rahmen eben nur klar kommunizieren, um keine falschen Erwartungen zu wecken. So wie es bei dir anscheinend der Fall war. Dann verstehen die Kunden auch, dass Mitarbeiter mal Wochenende haben… 😉

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  7. Bei Support-Anfragen würde ich dir folgende Taktik empfehlen. Sag dir einfach: Ein Problem das ich, Zeilenende, mit meinen geistigen Titanenkräften nicht zu lösen imstande bin, wird die herausragendsten Experten dieser Welt mindestens 10 Jahre lang auf Trab halten. Das ist erstens gut fürs Selbstvertrauen und zweitens nervenschonend, weil du ja aus naheliegenden Gründen nicht ungeduldig auf Antwort wartest. 🙂

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    1. Das Problem der geistigen Titanenkraft ist aber, dass ich immer nur an den Allerweltsproblemen scheitere (und an Luhmanns Systemtheorie, aber das scheint als Differenzerfahrung intendiert zu sein)

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  8. Geduld oh holde Tugend…ich gehöre nicht zu denen, die ein Übermaß davon haben. Eher weniger…wobei ich schon unterscheide, ob ich ungeduldig mit mir selbst bin oder ungeduldig mit anderen. Außerdem gibt’s Dinge, bei denen ich stundenlang geduldig arbeiten kann, während andere mich von 0 auf 100 aus der Haut fahren lassen. Wundersam eigentlich, dass ich mit einem sehr niedrigen Blutdruck ausgestattet bin 😉

    Was Geduld und Service bei der Arbeit angeht, so erwische ich mich selbst oft dabei möglichst schnell „Dinge“ ab zu arbeiten, damit die Leute a) fix Antwort auf ihre Fragen bekommen und ich b) den Mist vom Tisch habe. Leider – das habe ich auch festgestellt – ist das oft kontraproduktiv, denn man schafft damit eine Erwartungshaltung bei den Leuten, die dann schnell von „oh, das ging aber schnell“ zu „nanu, warum hat das jetzt 2 anstatt 1 Tag gedauert“ umschwenkt…

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  9. Ich kann es dir nur zu gut nachfühlen. Als letztes Jahr unsere Jüngste mein iPad Air runtergeworfen hatte, wodurch das Display von einer Seite zur anderen gerissen war, kostete mich der Austausch zwar keine Unsumme, doch die drei Tage Wartezeit bis zum Wiedererhält des Geräts waren die blanke Hölle!

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    1. So ein Warten geht ja noch. Dann kann man wenigstens damit rechnen, das was getan wird … Auch wenn ich da ebenfalls ein wenig zur Ungeduld neige. Und drei Tage wären bei einem „raschen“ Austausch auch schon zu viel für meine Nerven. *g*

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  10. Schreiben können IST eine Stärke. Dabei meine ich erstmal nur, Inhalte strukturiert in ganze Sätze zu verpacken, von unterhaltsam sei gar nicht die Rede! Seit ich regelmäßig Bachelorarbeiten lese, wird mir das immer wieder von Neuem klar.

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    1. Gnar … Du vertrittst dann auch noch ein Fach, wo es schwierig ist, unterhaltsam und zugleich informativ zu schreiben. Allerdings habe ich zuletzt meine Examensarbeit noch einmal gelesen und beschlossen, die irgendwann in Ruhe stilistisch aufzuarbeiten. Akademisches Schreiben ist nämlich noch einmal eine Kunst für sich. Ich habe es an mancher Stelle mit den Metaphern etwas übertrieben. 😉

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