Carrie Mathison und ich, das ist eine sehr angespannte Beziehung. Ich bespreche Serien ja normalerweise staffelweise. Aber mit Carrie habe ich so viel durchgemacht, dass ich es mir nicht nehmen lassen kann, Homeland mit einem Rundumschlag zu beenden. Aus Gründen, die sich aus dem Text ergeben.
Inhalt?
Ich versuchte, eine knappe Inhaltsangabe zu verfassen, statt sie von Amazon zu klauen. Dafür bin ich meine Notizen durchgegangen. Jeder zweite Kommentar war „Carrie nervt“. Ich möchte das differenzieren: In der dritten Staffel lautet der Inhalt: Carrie nervt in Amerika, in der vierten Staffel geht es inhaltlich um: Carrie nervt in Asien.


Gute Ausgangsbedingungen
Von der zweiten Staffel Homeland war ich eigentlich sehr angetan. Mit Brody und Carrie war eine spannende Figurenkonstellation aufgebaut worden, Saul hatte seine Unschuld verloren und überhaupt: Die allmächtige Agency war vorgeführt worden. Man hätte so viel daraus machen können.
Es fing eigentlich auch ganz gut an: Die erste Hälfte der dritten Staffel lief gemütlich an, es mussten immerhin zahlreiche Wunden geleckt werden. Es gab ein wenig Agentenaction (mit Decknamen aus dem Wizard of Oz, yay!), aber Spannung kam erst in der zweiten Hälfte der Staffel auf. Berechtigt ist allerdings die Frage, wieso wir uns weiterhin so intensiv mit Brodys Familie beschäftigen müssen. Für die weitere Geschichte spielt sie keine große Rolle mehr, eine Verbindung zur Story ist nicht gegeben. Offenbar wollte da jemand Sendezeit füllen.
Die guten Voraussetzungen werden aber sehr gründlich zunichte gemacht. Carrie nervt, egal ob sie auf Lithium ist oder nicht. Die einzelnen Handlungsfäden der dritten Staffel hängen ziemlich unmotiviert in der Luft, als ob die Autoren keine Lust gehabt hätten, sie anständig miteinander zu verweben.
Carrie, Carrie, Carrie
Ich verstehe grundsätzlich, dass Carrie keine Sympathieträgerin sein soll, gleichzeitig ist sie aber auch nicht als Unsympathieträgerin gedacht. Carrie dient der Veranschaulichung der Frage, ob man zugleich Mensch und Agent sein kann. Nicht: Frau und Agent. Denn Carrie nicht zu mögen hat nichts mit Misogynie zu tun. Man mache dafür den Test und stelle sich die Frage, ob Carrie als Mann mit Murmelproblemen und einer ungesunden Work-Live-Balance sympathischer wäre. Ich für mich kann sagen: Nö. Das liegt vor Allem daran, dass diese Person weder im Work noch im Live Abstriche machen möchte, sondern glaubt, sie könne beides haben – und sie die einzige Person mit Durchblick sei. Carrie nervt weniger wegen ihrer konkreten Probleme, sondern weil Carrie permanent ihren Egotrip fährt: Carrie kann alles, Carrie weiß alles besser, Carrie pfeift auf jede Anweisung und Carrie besitzt nicht einen sympathischen Charakterzug.
Das Schlimme daran ist: Es macht die Geschichte kaputt, die erzählt wird. Wenn ein Problem auftaucht, ist der Carrie-Egotrip vorhersehbar. Und man fragt sich spätestens in der dritten Staffel, wieso sie ihren Job noch hat. So dreist und unkontrollierbar einzig auf Ergebnisse fixiert, liefert sie zwar Resultate, aber sie ist ein untragbares Risiko für jede vernünftige Operation. Carrie ist das personifizierte Klischee eines gesamten Geheimdienstes: Unberechenbar und jeder Kontrolle entzogen. Und glaubt man zwischenzeitlich, sie komme auch nicht mit Allem durch, wird man als Zuschauer wieder und wieder vor den Kopf gestoßen.
Carrie in Asien
Dieses Verhalten zieht sich auch in die vierte Staffel hinein. Statt Carrie endlich den verdienten Dämpfer zu verpassen, macht Carrie Karriere. Und akzeptiert weiterhin keine Neins. Statt positive Charakterzüge zu entwickeln, wird Carrie kälter. Sie geht bewusst auf Distanz zu ihrer Familie, sie ordnet einen Luftschlag an und kann einen Augenblick später im gleichen Raum auf ihren Geburtstag anstoßen. Carrie nervt mittlerweile anders: Sie war bislang emotional halsstarrig, jetzt ist sie nur noch halsstarrig und Prioritäten liegen ihr nach wie vor nicht. Für sie ist prioritär, was sie vor Augen hat.
Und zu allem Überfluss wird Carrie auch noch zur großen Heuchlerin. Die halbe vierte Staffel beschwert sie sich darüber, dass ihr Kollege ein Geheimniskrämer sei, der niemandem vertraue und ihr deshalb die Arbeit schwer mache. Im gleichen Moment macht sie aber den gleichen Mist mit ihren offiziellen Leuten, denen sie keinerlei Informationen weitergibt und stattdessen ihr eigenes privates Netzwerk an den neuen Ort einfliegt, um an ihrem eigentlichen Team vorbei zu kungeln.
Carrie schreckt in ihrer Arbeit vor nichts zurück. Wenn die vierte Staffel eine Wohltat bietet, dann die Andeutung, sie habe sich endlich entschieden, für den Job zu leben statt verzweifelt einzufordern, sie wolle beides haben. So verstehe ich die Art und Weise, in der sie den jungen Pakistaner rekrutiert. Erinnerungen an Brody werden wach, aber Carrie geht hier so methodisch und berechnend vor, dass deutlich wird: Carrie hat sich zumindest dafür entschieden, berufliches und privates zu trennen – und dem Beruflichen die Priorität einzuräumen.
Fazit
Homeland, das war in den ersten beiden Staffeln trotz einer nervenden Hauptfigur immerhin noch eine gute Erzählung über die Macht der Geheimdienste und zweifelhafte Moral. In der dritten und vierten Staffel besteht die Serie in erster Linie aus einer nervtötenden Hauptfigur und in zweiter Linie aus einer nervtötenden Hauptfigur. Die vierte Staffel habe ich überhaupt nur beendet um zu sehen, wie die Entwicklung von Quinn weiter verläuft. Aber auch hier wurde ich enttäuscht. Homeland ist TV-gewordene Enttäuschung – und meine Lust auf eine fünfte Staffel ist momentan – vorsichtig formuliert – im Keller. Deshalb wird es hier so bald nichts mehr zu Homeland geben. Ihr habt es geschafft.
Ohje, das bestärkt mich ja eher darin nach der 2. Staffel nicht weitergeschaut zu haben. Die 5. spielt ja in Berlin, wäre von daher vielleicht interessant.
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Aber ist der Handlungsort ein hinreichender Grund, sich das anzutun?
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Fände ich schön spannend…
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Dabei kommt in Staffel fünf zu einer nervigen Hauptfigur, die dieses Mal versucht „Work und Life ohne Agency“ unter einen Hut zu bekommen, auch noch eine völlig abstruße Story, schlimme Dialoge und der SuperGAU für das deutsche Publikum, das bei „evakuiert den BER“ an zehn Handwerker denkt, nicht an einen funktionsfähigen Flughafen.
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Nähre nicht meine Lust, es doch zu sehen!
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Ich sehe die Figur Carrie anders, sicher ist sie nervig und chaotisch, sie wird ja auch nur geduldet, weil sie so gut ist. In dieser Staffel wird eine neue Seite von ihr gezeigt, sie ist im Grunde genauso skrupellos!
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Gut liegt ja im Auge des Betrachters. Und dass sie skrupellos ist, sieht man schon in den ersten Folgen der Serie. Und ich finde es unbefriedigend, dass Carrie mit ihrer Tour als Jeanne d’Arc der Sicherheit durchkommt, obwohl sie selbst nach den dummen laschen Regeln der Agency, disqualifiziert gehört. Und dass die Serienmacher Carries Bigotterie nicht einmal kritisch kommentieren. Ich bin versucht, es Propaganda zu nennen, was Homeland da macht.
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Die Vergangenheit wird sie noch einholen….es gibt ja noch mehr Staffeln und sie nervt in Ruhe weiter……ich mag es, dass sie eine loose gun ist, es passt meiner Meinung nach, fuer dich werden die naechsten beiden Staffeln schwer zu ertragen. aber mit Propaganda hat es nichts zu tun, dass man da keine Lara Loft darstellen wollte 😃
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Ich glaube ich hab’s schon mal geschrieben: mich hat die Serie auch so genervt, dass ich nicht mehr weiter schaue. In die in Berlin spielende Staffel habe ich einmal reingeschaut und habe festgestellt, dass sie genauso dämlich und nervig ist wie die vorherigen. Yay: ich stimme dir mal zu 🙂
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Hihi. Das wir beide bei der Beurteilung einer Meinung sein würden, grenzt ja fast an ein Wunder. Freut mich. 🙂
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Ha, genial. 🙂 Viele Leute haben gesagt „Stefanie, warum guckst du denn kein Homeland mehr? Du musst die neue Staffel unbedingt sehen.“ Und meine Antwort war immer „Näääh, Carrie nervt“. Musste deswegen sehr lachen, als ich angefangen habe deinen Artikel zu lesen. Nach der 3. Staffel habe ich aufgehört. Das war mir alles zu konstruiert und wurde plötzlich von einer ehemals beinharten Serie über Agenten, Terrorismus und Fanatismus zu einer Telenovela, als es darum ging, was aus dem Kind wird. Nervig.
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Terror-Telenovela. Das trifft es auch. Und wenn man sich nochmal die Beziehung der Botschafterin und ihrem Mann anschaut, passt das auch ins Schema. Diese soapmäßige Ehekrise ist auch nur ein halbherzig inszeniertes Plot Device, das an Oberflächlichkeit auch GZSZ würdig gewesen wäre.
Hurra, ich bin nicht allein. 🙂
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