Auf meinem Schreibtisch liegt seit einiger Zeit bereits ein Zettel der mich ermahnt, ich möge doch von einem besonderen Bewerbertag erzählen. Zunächst lag er dort, nicht weil ich abergläubisch bin, aber ungern über laufende Bewerbungsverfahren berichte. Dann lag er da, weil ich frustriert war, dass wieder einmal nichts daraus geworden war. Nun hielt ich den Zettel erneut in der Hand und schaute mir die Bilder an, die ich am Tag davor rund ums Krefelder Hafengelände geschossen habe. Die gefielen mir gut genug, um den Artikel doch zu verfassen.

Ehrlich gesagt hatte ich mir gar keine großen Hoffnungen gemacht, zum Bewerbertag eingeladen zu werden. Die gesuchten Qualifikationen erfüllte ich, die Ausschreibung war allerdings so offen gestaltet, dass ich fest damit rechnete, von Menschen mit Jura-, BWL- oder Verwaltungsabschlüssen aus dem Rennen geworfen zu werden. Aber mein Anschreiben war gut. Dementsprechend hüpfte ich nach der Einladung in meinem Postfach drei Tage lang wie ein Flummi durchs Haus.

IMGP1827.jpg Mit insgesamt sechs Personen traten wir also zu einem Assessment-Center an. Ich hatte mich vorher schlau gemacht, was mich erwarten würde. Das half nicht viel, weil der Arbeitgeber BOMAT Advanced Short einsetzt. Das ist einer dieser Logik-Tests, in dem man Reihen von Symbolen ergänzen muss. Zur Vorbereitung habe ich mich darauf beschränkt, ein paar einfachere Tests durchzuspielen. Okay, ich habe den Gesamtbestand der Bibliothek zum Thema „Eignungstests und Assessment-Center“ bis auf weiteres zu mir nach Hause ausgelagert. Aber ich bin gern gut vorbereitet und NICHT neurotisch. 😉

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Als ich die Aufgaben vor mir sah, war ich zugegebenermaßen ein wenig enttäuscht. Das ging nämlich alles viel zu einfach. Berichte im Internet beschränken sich oft auf Jammerei, dass der Test in der vorgegebenen Zeit nicht zu schaffen sei. Ich will mich ja nicht selbst beweihräuchern, aber … Okay, ich will es, weil das für’s Ego gut ist. Sonderlich anspruchsvoll fand ich den Test nicht. Viel schlimmer fand ich den anschließenden Test zur Selbsteinschätzung mit seinen Fragen zur Teamfähigkeit. Ich warte immer noch auf den Test, der mit Fragen aufwartet, bei denen ich nicht immer erst überlegen muss „Über welche Aufgaben reden wir eigentlich, die nur im Team zu bewältigen sind?“

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Gescheitert bin ich letzten Endes am Gespräch. Wahrscheinlich bin ich in den Entscheidungssituationen nicht entschlossen genug aufgetreten. Aber wenn ich als Teamleiter bei einer Zufriedenheitsumfrage zurückgemeldet bekomme, dass sich meine Mitarbeiter nicht wertgeschätzt fühlen und ich nicht gut genug kommuniziere, dann ist das Problem nun einmal gravierend. Denn

    1. habe ich das nicht gemerkt sondern wurde durch diese Ergebnisse überrascht
    2. hat sich niemand getraut, mich darauf anzusprechen, das Vertrauensverhältnis ist offenbar gründlich beschädigt.

Das habe ich, so funktioniert mein Denken nun einmal, gründlich durchanalysiert und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es ein grundsätzliches Problem in meinem Team gibt und ich nur begrenzten Spielraum habe, das sofort zu lösen. Stattdessen hole ich mir Expertise aus der Abteilung mit den Betriebspsychologen und entwickle eine Strategie, das Kommunikationsverhalten langfristig zu verbessern. Beim nächsten Mal sage ich, dass das Szenario unrealistisch ist. So weit würde ich es nie kommen lassen.

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Die Rückmeldung hat mich ziemlich enttäuscht. Ich hatte im Laufe des Tages die Gelegenheit, die Viten der anderen Bewerber*innen kennen zu lernen. Ich war nicht der einzige Geisteswissenschaftler, aber die übrigen Kandidaten konnten damit glänzen, mehr Berufserfahrung vorzuweisen oder eher aus den Sozialwissenschaften zu kommen. Den Absolventen für romanische Literaturwissenschaft hat es mit BOMAT herausgehauen, am Ende waren noch ein Wirtschaftshistoriker, ein Pädagoge und eine Juristin gemeinsam mit mir im Rennen. Und es gab mehrere Bewerbertage, also eine durchaus harte Konkurrenz. Deshalb hatte ich mir vorgenommen, nicht traurig zu sein, wenn sie mich nicht nehmen, obwohl ich den Job unbedingt haben wollte.

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Im Hintergrund übrigens das Bayer-Werk in Krefeld-Uerdingen. Bayer hat mich auch schon abgelehnt. Von daher ein passendes Bild.

Das Schlimmste an Absagen ist nicht die Absage, auch wenn man eine Zusage erwartet. Ich gehe in jedes Bewerbungsgespräch positiv und ich komme aus jedem Bewerbungsgespräch auch mit positiver Einstellung. Ein einziges Mal hatte ich direkt nach Verlassen des Raums das Gefühl, dass das verdammt schlecht gelaufen ist. Aber grundsätzlich verbiete ich mir solche Fragen. Sich einzureden, dass man gut war, hilft immens dabei, die Wartezeit bis zur nächsten Kontaktaufnahme zu überbrücken. Eine Absage ist so oder so eine Enttäuschung, egal ob man an eine Zusage glaubt oder nicht. Viel anstrengender finde ich es zu erzählen, dass am Ende doch eine Absage gekommen ist. Dann muss ich mich nämlich nicht nur mit meiner eigenen Enttäuschung plagen, dann sind auch die Anderen enttäuscht. Denn sie fiebern natürlich mit. Das ist nett. Aber ich muss mich jedes Mal auch um ihre Enttäuschung kümmern und ihnen erst einmal erklären, dass ich mir den Staub abklopfe, mein Krönchen und meine Prinzessin-Lillifee-Flügel richte, um anschließend wieder in mein Blütenschloss fliege, wo ich die nächste Bewerbung schreibe. Weiter, immer weiter rudern ist die Devise.

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Falls jemandem der Qualitätsunterschied auffallen sollte: So sieht das aus, wenn ich mit dem Smartphone fotografiere und nicht mit der Kamera. Da ich aus jeder Bewerbung etwas positives ziehen möchte, habe ich mich während des Bewerbertages daran erfreut, dass das Gebäude nicht nur architektonisch schön anzusehen war, sondern die auch einen riesigen Ficus mitten im Haus stehen haben.

36 Kommentare zu „Krefeld

  1. Sehr schöne Fotos und zu viele Gedanken für meinen Geschmck. Selbstreflexion ist gut, ebenso die Klarheit, dass nicht alles an der Führungskraft liegt. Dennoch, was für das eine Unternehmen unpässlich erscheint ist für das andere genau richtig.

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    1. Ach … Ich habe lieber einen Job, wo man meine Über-Kritischkeit zu schätzen weiß als einen, wo es auf dicke Hose ankommt. Und im Zweifel führe ich als Vorgesetzter lieber mit dem Team und durch das Team als per Anordnung. Auch als Chef musst du Teamplayer sein. Mit herrischer Attitüde habe ich durch meine Kontakte zu Pflegeberufen genug Erfahrung.

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      1. Ich fühle mich abgrundtief missverstanden, denn ich schrieb nichts von dicker Hose anhaben. Ein Chef sollte allerdings ein Teamleader sein. Dazu gehört es, dass er wahrgenommene Störungen anspricht, nicht aber zwingend die Ursache dafür als erstes in seiner Person sieht.

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        1. Ich habe es auch nicht als Vorwurf verstanden. Aber ein wenig missverstanden habe ich dich in der Tat und habe zu sehr in Klischees gedacht. Ich bin eben nicht nur über-kritisch, ich halte mich auch für den Mittelpunkt des Universums. Und das völlig zurecht. Das ist manchmal eine fatale Kombination. 😉

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          1. Ich hatte es auch nicht als Vorwurf verstanden, fühlte mich nur missverstanden 😉😅
            Es ist auch völlig okay, dass du der Nabel deiner Welt bist…. Wir könnten jetzt darüber nachdenken, unter welchen Voraussetzungen anderes überhaupt erst möglich sein könnte …

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            1. Ich denke: Ohne den Anderen, um den ich kreisen kann und der um mich kreisen kann, kann ich mir nie sicher sein, ob ich überhaupt ich bin. Ich brauche jemanden, um mich abgrenzen zu können. Und damit stehe ich nicht mehr allein im Zentrum. Aber ein wenig zentraler als Alter will mein Ego schon sein. 😊

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  2. Ich hatte nicht viele Bewerbungsgespräche in meinem Leben aber ich bin immer mit der Grundeinstellung“ So wichtig ist der nicht, es gibt auch andere Jobs“ in die Bewerbungsrunden gegangen. Und es hatte immer geklappt 🙂
    Ich denke, wenn man zu sehr gewillt ist, den Job zu bekommen, macht man Fehler, wird unsicher etc. Eben weil man sich so auf diesen einen Job versteift.

    Jaaaa, es ist leichter gesagt, wenn man nicht arbeitslos zu Hause sitzt und sich bewirbt. Das ist mir auch klar. Think pink aber erwarte nicht viel… das hilft bei den Gesprächen 😉

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    1. Ich gebe zu, ich leide im Vorfeld an einer gewissen Verzweiflung, aber sobald ich „in der Situation bin“, denke ich da auch gar nicht dran. Dennoch habe ich durchaus den Anspruch, den Job zu bekommen. Dass eine Absage kein Weltuntergang ist, weiß ich auch. Ärgerlich ist es aber trotzdem. Ich verliere nicht gern. 😉

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    1. Dankeschön. 🙂 Ich hab ehrlich gesagt auch immer ein wenig Mitleid mit den Personalern. Wir als Bewerber wissen ja, was ihr im Zweifel für Fragen stellt und lernen unsere Antworten bis zu einem gewissen Grad auswendig. Und ihr wisst, dass wir das wissen. Aber manchmal … manchmal würde ich mir echt wünschen, mal ne total dämliche Frage zwischendurch zu bekommen wie „Warum ist die Banane krumm?“ … Einfach um der Absurdität ein Ventil zu geben. *gg*

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  3. Ein schöner Bericht mit vielen Erkenntnissen. Beim Lesen war ich froh, dass ich so etwas wie Assessment-Center noch nicht mitmachen musste. Da finde ich persönliche Bewerbertage bzw. Schnuppertage sinnvoller und angenehmer. Ich drücke dir die Daumen, dass es endlich mal klappt! 🙂

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    1. Assessment ist ehrlich gesagt angenehmer als das klassische Bewerbungsgespräch. Mein persönlicher Hit war ein einstündiges Gespräch mit gleich fünf Entscheidungsträgern, die ihre Fragen runterrattern. Sowas macht keinen Spaß. Dann doch lieber Tests und Übungen.

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  4. Du hast ja bereits eine eigene Analyse getroffen, welche auch stimmt, falls ich nicht daneben liege. Solche Tests werden auch nur von Menschen/ Firmen gefordert die ihre Angst dahinter verstecken, um nicht selbst versagt zu haben, also macht es nichts den Hokuspokus nicht zu bestehen, ehrlich 😉 Bei all deinen geschriebenen Artikeln ist mir deine fehlende Arroganz aufgefallen. Es ist keine wünschenswerte Eigenschaft, außer sie ist in einem Bewerbungsverfahren mit Selbstsicherheit leiert, für eine kurze Weile 🙂

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    1. Ach … Die berühmten Eier. Das Problem bei Behörden ist, dass man die eigentlich nie zeigen kann. Die berüchtigte „Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?“ „Was wollen Sie erreichen?“ und „Was sind Ihre Ziele?“ bekommt man da eigentlich nie. Und auch „Warum sind Sie der richtige für den Job?“ gibts nicht, nur die „Stärken/Schwächen“ … Wo ich dann artig sage, was sie hören wollen.

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  5. Tut mir leid, dass es nicht geklappt hat!

    Ich habe ja tatsächlich irgendwann aufgehört zu erzählen, dass ich bei Gesprächen bin. Damit hat sich die Enttäuschung der Anderen ersprart…

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    1. Kein Ding, das war schon im Mai *hust* Das Problem ist ja, dass ich irgendwie plausibel erklären muss, warum ich zwei Tage außer Haus bin. Und wenn ich es dann eh erzähle … Ach, dann puste ich es auch in die Social-Media-Welt. Vielleicht lernt irgendjemand ja was draus. 🙂

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  6. Wirklich interessant…*glitterüberskrönchenstreu* es wird vorwärts gehen. Hatte das Vergnügen mit diversen ACs und kann beitragen, dass etwas, dass mir in einem AC als K.O. Kriterium genannt worden ist, in einem anderen zum Erfolg gereicht hat. Letztlich habe ich fast 6 Jahre einen Job gemacht, für den man mich (nicht fachlich, aber wegen meines „Auftretens“ im Rollenspiel) für höchst untauglich befand. Mir half die bemängelte Eigenschaft in den 6 Jahren durchaus…ich glaube, da hängt es mehr davon ab, was sich der jeweilige Personaler für eine Persönlichkeit und nicht nur Person für die Stelle vorstellt…

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      1. Wenn ich’s wirklich wissen wollte, hab ich explizit gefragt. Oft habe ich dann auch eine Antwort bekommen bzw. eine Begründung warum nicht ich

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        1. Damit rücken sie mittlerweile leider kaum noch raus … Zumindest Behörden nicht. Ich schreibe denen Mails hinterher oder rufe an … Manche Behörden sagen dir sogar: „Entweder wir sagen Ihnen zu oder Sie hören nie wieder von uns“

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          1. Hmpf…also bei Standardabsagen habe ich nie gefragt, aber wenn ich bereits beim Gespräch war oder so ein AC durchmachen musste, habe ich im Nachgang schon explizit nach einem Feedback gefragt (muss man halt bisschen blumig ausschmücken, warum man das gerne wissen würde blabla) und das dann auch oft bekommen.

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  7. Ich find’s immer lustig, was die teilweise für Hürden aufbauen, um Bewerber rauszufiltern…
    Wie oft habe ich bei solchen Einstellungstests gesessen und mich fragt, ob ich später wirklich dreidimensionale Koordinatensysteme abzeichne, englische Bedienungsanleitungen ins Deutsche übersetze oder viereckige Bilder um ein weiteres ergänzen muss.
    Richtig gruselig wurde es, als ich einen Einstellungstest machte und mir dachte ‚Pah, da brauchste mindestens den Schulabschluss x + Leistungskurs A‘ und jemand mit Schulabschluss X + Leistungskurs A plötzlich zu mir sagte „Boah, ich hab nix davon kapiert…“

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    1. Glücklicherweise kann es auch manchmal gut gehen. Ich hab mal im Matheteil eines Bewerbungstests kläglich bei den Dreisätzen versagt, was mir fast schon peinlich war. Zum Gespräch haben sie mich dennoch gebeten … Das ich dann glorreich in den Sand gesetzt habe.

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  8. Hast du eigentlich mal darüber nachgedacht, deine Erfahrungen in einem philosophischen Buch zu verarbeiten? Das stelle ich mir sowohl interessant als auch nützlich vor. Sozusagen ein Erlebnisbericht über den Parcours von Zeilenende bewirbt sich bis Absage und von Anzeigen studieren bis Zusage. Und das Ganze dicht verwoben mit philosophischen Ideen, die in der jeweiligen Situation und Gemütsverfassung hilfreich sind. Ich kann mir sehr lebhaft vorstellen, dass du so etwas würdest schreiben können und dass nicht nur ich das würde lesen wollen. 🙂

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    1. Ich stimme RR 100%ig zu…..und manchmal passt man auch einfach nicht ins Team. Ich weiss von gleichen Jobs, die eine Firma sagte perfekt, die andere völlig ungeeignet…..und diese bescheuerten Tests sind nur um den Job des HRers zu sichern.

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    2. Das könnte arg existentialistisch werden … Und auf sowas hab ich keinen Bock. Sagen wir es so: Wenn ich endlich eine Stelle habe, werde ich zusammengefasst auch mal mit dem ganzen Ungemach der Bewerbungssuche abrechnen … Genau so wie ich die positiven Seiten würdigen werde. Momentan bin ich dafür zu angefasst von der ganzen Sache.

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