Ich verspüre eine gewisse Lethargie. Das Problem ist, kaum dass ich diesen Satz ausgesprochen habe, beginne ich sogleich, über ihn nachzudenken.

Stelle ich mich erst einmal ein wenig an den Pranger. Ich bin nämlich nicht zufrieden mit meiner eigenen Performance. Meinen Blogbeiträgen dieser Woche fehlte ein wenig der Drive, mein Output an Content war bestenfalls medium. Die gepublishten Beiträge hätten etwas mehr Care in der Post-Production verdient und was ich diese Woche geschrieben habe, mag ich euch gar nicht reporten. Für ein Leistungsgesellschaftsopfer wie mich ein Desaster. Okay, Desaster ist kein Anglizismus, sondern übers Lateinische und Französische in unsere Sprache gewandert, aber als leidenschaftlicher Bildungsbürger kann ich es mir erlauben, auch solche Fremdworte einzusetzen. Das ist der Trademark des Brands Zeilenende.

Dementsprechend wenig bin ich auch zum Kommentieren gekommen. Ich habe viele Artikel nur überflogen, weil mein Geist damit beschäftigt war, lethargisch in der Ecke herumzuliegen. Ich habe sogar das Gefühl, den einen oder anderen Blogbeitrag verpasst zu haben und gelobe hiermit Besserung. In der nächsten Woche wird das Zeilenende wieder zum Hoch-Handler … Hoch-Handler klingt aber genau so blöd wie High Performer.

Dabei weiß ich gar nicht so genau, was es mit dieser Lethargie auf sich hat. Ich verstehe das Wort nicht. Also habe ich versucht, seine Herkunft zu begreifen. Ich habe dazu drei Theorien gebildet. Lethargie bezeichnet ja den Zustand, in dem der Geist umnachtet ist, obwohl der Körper – wenn auch schlaff in der Ecke liegend – durchaus Sinneseindrücke wahrnimmt.

  • Let -argh – be: Zunächst dachte ich, es sei ein Kunstwort, dass sich irgendwelche Motivationstrainer ausgedacht haben, um ihr Konzept zu vermarkten. Frei nach dem Motto: Lass das „Argh!“ rufen sein. Denn wenn man so lethargisch in der Ecke liegt, hat man arg oft das Bedürfnis, „Argh“ zu seufzen. Es gäbe so viel zu tun, doch „Argh!“ ich kann mich nicht dazu aufraffen. Also, so die Botschaft der Gurus: Lass es sein! Leth argh be! Und weil sich Wendungen manchmal abschleifen, damit man sie flüssig sprechen kann, wurde daraus im Laufe der Zeit Lethargie – die Beschreibung eines Zustandes, den es dringend zu überwinden gilt.
  • Letal-Gier: Ich überlegte weiter und erinnerte mich an die „Don’t do drugs“-Erziehung meiner Schulzeit. Kennt ihr sicher alle. Da guckt man sich „Christiane F.“ an und bekommt Broschüren von seinen Lehrkräften in die Hand gedrückt, die erklären, was es alles für tolle Drogen gibt und wie sie wirken. Mit der Broschüre geht man dann inspiriert zum Dealer seines Vertrauens und sagt: „Alter, heut mal kein Kamillentee zum Rauchen und auch kein Brausepulver zum Schnupfen, hast du nicht was von dem richtig krassen Stoff hier?“ Der Wunsch ist, lethargisch, aber glücklich, in einer Ecke zu sitzen. Der Junkie auf dem Trip lässt sich vom lethargischen Menschen nämlich äußerlich nicht unterscheiden. Der Junkie handelt aber aus dem freudschen Todestrieb – der Letal-Gier – heraus. Die phänotypische Ähnlichkeit hat zur Ausdehnung des Begriffes geführt. Der Junkie hat dabei wenigstens Spaß, er instrumentalisiert seine Letal-Gier um möglichst viel vom Leben zu haben, bis sich sein Wunsch erfüllt. Der lethargische Mensch hingegen ist geistig klar, aber hatte nicht genug Kraft anzumerken, dass man aus einem l nicht einfach ein h machen und dann auch noch die Buchstaben des Wortes schütteln kann. Der Bildungsbürger wandte daraufhin ein, dass das th eine Reminiszenz an Thanatos war. Dann aber ergriffen die beteiligten Diskutanten die Flucht, denn der Junkie hatte sich übergeben und es begann widerlich zu riechen.
  • Einiges Grübeln und in der Ecke liegen später hatte ich fast schon vergessen, worüber ich nachgrübelte. Denn beide Erklärungen fand ich plausibel aber nicht überzeugend. Glücklicherweise hatte ich dann einen Geistesblitz. Lethargie ist eine finstere, göttliche Macht. Wer lethargisch in der Ecke sitzt, wird von der Kraft des Vergessens übermannt, der Energie der Lethe. Lethe-Energie. Lethargie war ein Kofferwort! Man müsste noch erklären, wie es nach der Verkürzung zu Lethergie zur Lautverschiebung nach Lethargie kam, aber sowas interessiert ohnehin nur Sprachwissenschaftler. Ich hatte meine Lösung gefunden, notierte sie, trank einen Schluck Wasser und verstand meine Notizen danach ohnehin nicht mehr.

So ganz unfleißig war ich dennoch nicht, ich habe es immerhin geschafft, ein Brot zu backen. Das war mein dieswöchiger Beitrag zu einem Kant-gemäßen Leben (wir erinnern uns: „freilich nicht etwa als ein bloßer Wunsch, sondern als die Aufbietung aller Mittel, so weit sie in unserer Gewalt sind“), mein Wille war also da … wenn auch als reichlich flacher Vertreter, weil mir zumindest der Teig des runden Brotes tatsächlich übergangen ist.

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Obenauf das UFO-Brot, ein Weizenvollkornbrot, das ich mal ein wenig dunkler gebacken habe und darunter ein Roggenmischbrot mit Chia und Sesam.

Ich wünsche euch dennoch einen schönen Sonntag und hoffe, trotz einer gewissen Trägheit für ein kleines Lächeln gesorgt zu haben.

26 Kommentare zu „Leta-was?

  1. Das ist dir gelungen. Ich kann dir nur zu gut nachfühlen, denn ich komme seit Wochen nicht wirklich hinterher, all das Gute zu lesen, das hier veröffentlicht wird (nein, der überbordenden Anglizismus-Welle verweigere ich mich Brexit-mäßig). Nur lag es in meinem Fall nicht an Lethargie sondern an Stress, aber auch der dürfte sich bald legen.

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    1. Dabei wette ich, dass ich noch ein paar Anglizismen übersehen habe. Ich muss mir wohl oder übel mal ein Marketing-Lehrbuch ausleihen, um meine Message noch besser rüberzubringen für die target group. *gg* Wobei Stress bei mir auch immer dazu führt, dass ich – sobald der Stress mit Feierabend endet – lethargisch in der Ecke liege. Klassisches Zeilenende-Verhalten.

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  2. Ach ja, zur Erheiterung deiner Person habe ich meinen Beitrag zu den 52 Wochen schon verfrüht gepostet. Möglicherweise ruft er ein kleines Lächeln hervor, schließlich geht es wieder einmal um echte Männer…

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  3. Bloggen kann anstrengend sein, berauschend und glücklichmachend intensiv. Insofern passt der Vergleich mit Junkiegefühlen. Hier hilft mir nur runter vom Gas und zurück auf Anfang. Aber vielleicht ist es auch nur das Wetter 😉? Ich danke dir auf jeden Fall für mein frühmorgendliches Lächeln 💜 und wünsche dir einen sonnigen Tag. LG von gartenkuss 🙋☀🐝

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    1. Nur Mut und anfangen. Ich habe vor längerer Zeit ein recht einfaches Rezept für Paderborner veröffentlicht, das findest du hier: https://kaffeetaesschen.wordpress.com/2016/02/19/brotbacken-mit-zeilenende-sauerteig-und-paderborner/
      Das hat den Vorteil, dass es schon mit Sauerteig arbeitet, aber der Teig so weich ist, dass man sich das Kneten von Hand sparen und die Küchenmaschine einsetzen kann (und selbst meine kleine Bosch MUM4 kommt mit der Menge klar). Das Resultat ist ein herrlich saftiges Brot. Ansonsten kannst du es zum Einstieg auch mal mit „No knead bread“ probieren, einfach mal googlen. Brotbacken macht nämlich Laune und wenn man dann mal das Kneten anfängt, hat man ein Super Aggressions-Abbau-Programm. ^^

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  4. Irgendwie….logisch….wenn man länger drüber nachdenkt….nä……rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr…..huch…..sorry….da hatte sich ein Krümel in meiner Tastatur verfangen….und das beim r….aber jetz isser raus 😀

    „…das ich mal ein wenig dunkler gebacken habe…“ sag ich auch immer wenn ich mal etwas im Ofen vergessen habe…. 😉

    Aber Deine Brote sehen toll aus….Deine Wortspielereien auch…..was will man mehr….SCHÖNEN SONNTAG! 🙂

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  5. Mein lieber Schwan, da hast du dich aber – ganz in harmonischer Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Beitrags – mächtig ins Zeug gelegt. Die Let – argh – be Theorie erscheint auf den ersten Blick tatsächlich plausibel. Genau solche Dinge denken sich Motivationstrainer nämlich gerne aus. 🙂
    Wenn ich mir einen sprachwissenschaftlichen Einwurf erlauben dürfte… Interessant wäre vielleicht noch die Ergänzung, dass das Wort Lethargie ursprünglich auf den ollen Onkel Zeus zurückgeht. Genauer gesagt, auf seine Leda-Gier. Erst nachdem diese hinlänglich gestillt war, ist sie – in einer stillen Dämmerstunde – einer gewissen Lethargie gewichen. Leda war erst jetzt so richtig auf den Geschmack gekommen. Aber Zeus wollte nicht mehr, sagte «vergiss es!» Leda wurde in der Folge von der Kraft ihres Ehegatten übermannt und Zeus fiel der Energie der Lethe anheim. 😉

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    1. Leda musste auf ihren Auftritt in meinem Beitrag leider verzichten, weil ich zugegebenermaßen Angst vor Schwänen habe. Genau so wie vor Gänsen. Aber mancher Schwan entpuppt sich ja ohnehin als dumme Gans. Das haben die Briten ja gezeigt, wo die angeblichen Schwäne Untertanen der Krone sind. Da kann ich nur deinen ersten Ausspruch wiederholen: Mein lieber Gans Schwan … Äh, Gustav Schwab. 🙂

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      1. Ein gewisser Sicherheitsabstand ist da durchaus empfehlenswert. Die Viecher können ein reizbares Temperament haben – damit ist nicht zu spaßen.
        Wenn Schwäne sich als dumme Gänse entpuppen, kann es leicht geschehen, dass die Hühnerkacke am Dampfen ist. 😉 Mir schwant da etwas von einem Divided Kingdom.
        Gustav Schwab – da klingelt doch was. Der Segen… nein… Die Sägen des klassischen Altertums, gell?

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  6. Letarghie oder auch let argh be hätte höchstens von mir sein können…wobei ich momentan auch eher wenig blogge was aber eher den Grund hat, dass ich zu viel um die Ohren habe

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    1. Und ich wusste, wenn ich das Wörtchen „Argh“ in einen Beitrag einbaue, dann zaubere ich dich hervor. Das hat was von einer Geisterbeschwörung. *gg* Wenn du dann immer mehr zum Flummi wirst, hast du immerhin Zeit, die entsprechende Coaching-Strategie auszuarbeiten. 🙂

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