Das Buch-Fresserchen fragt in dieser Woche im Auftrag der Bibliophiline nach Annotationen in Büchern. Das passt doch ganz gut zu meinen Überlegungen zur Handschriftlichkeit.

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Das ein oder andere Bild von mir mit Büchern oder von meinen Büchern hat es den treueren Leser*innen meines Blogs schon längst verraten: Belletristische Bücher werden von mir annotationsfrei gehalten. Wenn ich mir einen Gedanken notieren möchte, der für das Buch wesentlich ist, dann schreibe ich mir einen gelben Klebezettel und pappe ihn auf die entsprechende Seite. Je nachdem, was es für eine Bewandnis mit der Notiz hat, verbleibt sie nach Abschluss des Lese-Prozesses im Buch, als Gedankenstütze für zukünftige Lesedurchgänge.

Was Sachbücher angeht, möchte ich drei Kategorien unterscheiden, die ich lese:

  1. Geschichtsbücher
  2. Philosophische Werke
  3. Kochbücher

In ersteren findet man von meiner Seite aus nur sehr selten Annotationen, weil ich mich bspw. über die Borniertheit oder die mangelnde kritische Distanz auf Verfasser*innen-Seite ärgere. Letzteres ging mir bei der ein oder anderen Bismarck-Biographie so. Ich glaube, ich habe damals im Studium sogar in einem Bibliotheksbuch am Rande das böse englische Wort mit b an den Rand geschrieben. Aber Geschichtsbücher fallen bei mir unter Belletristik. Geschichtswissenschaftliche Werke und Historische Romane unterscheiden sich eigentlich nur in zwei Punkten: Erstere verzichten auf Liebesgeschichte, letztere geben wenigstens zu, dass sie Kaffeesatzleserei betreiben.

Was die philosophischen Werke angeht, also das, was in Buchhandlungen in der Philosophie-, der Psychologie- und der Soziologie-Ecke herumsteht, sind da viele Bücher bei, die ich im Studium gelesen habe, einige, die ich nach dem Studium gelesen habe und einige, die ich während dem Studium mehrfach und auch danach gelesen habe. Einige sind mit Anmerkungen verzieht. Der Wittgenstein ist lustigerweise anmerkungsfrei. Der ist so offen für Deutungen, dass er dafür mehrere Seiten in meinem Notizbuch füllt. Meine Ausgabe von „Über die Freiheit“ hingegen ist dermaßen bekritzelt, dass ich keinen Platz für weitere Anmerkungen habe und es im Spektrum der sichtbaren Farben ohnehin nichts mehr gibt, das mir helfen könnte, die Kommentare zu unterscheiden. Tatsächlich gibt es in dieser Ausgabe meiner Erinnerung nach sogar Annotationen zu Annotationen.

In meinen Kochbüchern finden sich praktische Tipps, in welcher Beziehung ein Rezept untauglich ist und Einkringelung von essentiellen Schritten, die ich tunlichst nicht vergessen sollte … Meistens deshalb, weil ich sie beim Ausprobieren zunächst übersehen habe.

Unterstreichungen helfen mir nicht weiter. Wenn ich gebrauchte Bücher kaufe, frage ich mich allzu oft: „Vorbesitzer*in! Warum hast du das unterstrichen?!“ Über Kommentare hingegen freue ich mich, weil sie Denkprozesse festhalten, mit denen ich mich durchaus auseinandersetze. So wie ich mich mit meinen eigenen Denkprozessen auseinandersetze. Ich streite mich unter Umständen in Büchern mit mir selbst, weil Denken ein Prozess ist, der zu immer neuen Ergebnissen kommt. Und die alten Ideen sind manchmal eine Herausforderung für die neuen Ideen.

Wie ist es mit euch? Schreibt ihr in Bücher hinein oder könnt ihr es nicht ausstehen?

Streitet ihr euch schriftlich mit euren Büchern oder schreit ihr sie gleich an, so wie ich es in Extremfällen tue?

22 Kommentare zu „Lesespuren (Montagsfrage)

  1. Schöne Frage und schöne Antwort. Die einzigen Bücher, in die ich widerwillig geschrieben habe, waren Schulbücher. Bücher sind für mich heilig. Egal, wie grottenschlecht sie sind. Ich klebe höchstens Zettel hinein und schreibe dort Notizen auf. Eine Seite wird nicht umgeknickt, damit man ein schnelles Lesezeichen hat, sondern ich habe Lesezeichen bereit liegen. Aufgeschlagen liegengelassen werden sie auch nicht, weil das Spuren hinterlässt. Rezepte aus Büchern werden, wenn sie gut sind, in mein persönliches, handgeschriebenes Notizbuch übernommen, mit extra Anmerkungen. Aber sonst? Nix. Ich kaufe mir selten gebrauchte Bücher, weil ich es hasse, Notizen am Rand zu finden, die mir einen Gedanken aufzwingen, den ich vielleicht nicht denken will oder gerne selber darauf gekommen wäre…

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    1. Eselsohren mag ich auch nicht, ebensowenig wie gebrochene Buchrücken oder Knicke im Cover. Wenn es mir mal passiert (ich schleppe immer Bücher mit mir rum, egal wie voll der Rucksack ist) ärgere ich mich auch gebührend darüber.
      Das handgeschriebene Kochbuch habe ich auch (ich habe mich für eine Ringbuchlösung entschieden, weil das beliebig erweiterbar ist), allerdings kommen da nur die ganz besonderen Rezepte hinein, mit Platz darunter für Anmerkungen, Varianten, etc. Da ich die Vorstellung ganz hübsch finde, dass manches Buch irgendwann mal in andere Hände geht, notiere ich durchaus aber auch bei Rezepten: „Totaler Mist, weil der Teig viel zu weich wird. Wenn du das unbedingt ausprobieren willst, überleg dir rechtzeitig eine Alternative!“ *gg*

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  2. So habe ich Bücher noch nie betrachtet und angeschrien habe ich sie auch noch nicht 😉 So wie bei „AllesvonHerzen“ behandle ich Bücher pfleglich, eben für die Ewigkeit. Kochbücher kaufe ich nicht, aber Rezepte drucke ich schon mal aus, damit ich nicht dauernd zum PC laufen muss 😀

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    1. Noch nie ein Buch angeschrien? Dann wird es aber langsam Zeit. *gg* Rein online habe ich auch kein Rezept. Ich habe zwar eine kleine Linksammlung, aber die wirklich guten habe ich zusätzlich in handschriftlicher Form. Im Netz ist ja nix für die Ewigkeit.

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  3. Bei Belletristik markiere ich höchstens interessante Sätze, die sich als Zitate später einmal wunderbar einstreuen ließen, könnte ich sie mir denn nur merken. Früher habe ich sogar einmal eine Kartei geführt mit schönen Zitaten – alles handgeschrieben.
    Bei nicht belletristischen Werken würde ich gerne alles Wesentliche unterstreichen, mit Anmerkungen und Querverweisen ergänzen etc. Leider nervt es mich ganz furchtbar, wenn ich dann ein anderes Mal so ein Buch wieder aus dem Regal fische und da hat so ein %&*!§! viel zu viel farbig unterstrichen und sogar an manchen Stellen noch etwas hineingekritzelt – Aaaah! Ich stehe mir also selbst im Weg bei der Erarbeitung der Bücher 😉 Würde ich mir die Dinge beim ersten Durchlesen schon dauerhaft merken, müsste ich mich beim nächsten Mal nicht ärgern. Schuld ist also nur mein Gedächtnis oder das Fehlen desselben.
    In ausgeliehenen Büchern finde ich Anmerkungen allerdings auch meist spannend. Da kann man dann versuchen, sich ein (vermutlich recht unvollständiges bis falsches) Bild von einem anderen Menschen zu machen, der dasselbe Buch auch schon in der Hand hatte – eine schöne Phantasiereise auf jeden Fall.

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    1. Deshalb unterstreiche ich nicht mehr. Das wurde mir auch zu bunt. In der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten sieht es auf manchen Seiten schlimm aus, weil da mittlerweile drei Lagen Textmarker übereinander gestrichen sind. Was mich da geritten hat, weiß ich leider auch nicht mehr. Aber ich kann nur dazu raten, die eigenen Anmerkungen mal als die Anmerkungen eines fremden Menschen zu lesen. Das ist schon erstaunlich, was man früher so für einen Blödsinn gedacht hat … Oder wie genial man mal gewesen ist. *gg*

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  4. Die Würde des Buches ist unantastbar. Amen.
    Ein von mir gelesenes Buch würde in aller Regel als neu durchgehen. Lediglich sehr häufig verwendeten Büchern (etwa Wörterbücher) ist mit der Zeit der Gebrauch anzusehen – ganz einfach, weil selbst bei größter Sorgfalt hundertfaches Benutzen nicht ganz spurlos bleiben kann. Aber ein Buch bekritzeln? Neverforever!
    Bei Kochbüchern könnten Notizen von mir aus gesehen Sinn machen. Nur benutze ich keine Kochbücher. Denn die sind bei mir lediglich dazu geeignet, eine ursprüngliche Grundratlosigkeit zu vervielfachen.
    Anders sieht es bei E-Büchern aus. Da bringe ich durchaus gerne Notizen an. Hier stört es nicht, weil sich Notizen bei Bedarf spurlos entfernen lassen. Und beim erneuten Lesen des Buches sieht man ja nur, dass da eine Notiz ist. Aber die Notiz müsste man extra öffnen – und das kann man tun oder auch bleiben lassen. Eine E-Notiz ist diskret. 🙂

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    1. Buchseiten sind wie Haut. Ich brauche dringend eine Tätowiermaschine für zukünftige Anmerkungen. *gg* Bekritzeln klingt aber auch gemein. Ich gebe zu, ich habe früher allerdings auch Bücher bekritzelt. In Schullektüren habe ich zeitweise gemalt. Dabei kann ich nicht malen und mag es bis heute nicht. Rückblickend stellt das meinen Deutschlehrer*innen kein allzu gutes Zeugnis aus.
      Was elektronische Dokumente angeht, finde ich Anmerkungen auch spannend. Richtig lustig wird es da aber erst, wenn man Verweise gleich auch mit einer Sprungmarke versehen kann. Hypertextstrukturen rocken. 🙂

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      1. Bekritzeln klingt gemein. Stimmt. So gesehen steckt in dieser Wortwahl ganz eindeutig ein Werturteil. Und tatsächlich würde es für mich wenig Unterschied machen, ob es sich um sinnvolle Notizen oder langeweilegeborene Krakel handelt. Es ist, als würde man einen Weinliebhaber fragen, ob er den Rioja lieber mit Milch oder mit Sahne möchte.
        Mit elektronischen Dokumenten lässt sich viel Spannendes anstellen. Natürlich ist vieles Spielerei. Aber die besten Dinge im Leben geschehen ja dann, wenn aus Spiel Spaß wird. 🙂

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  5. Aber hallo, Bücher sind Heiligtümer. Da kommt nichts rein. Bücher gibt man schon mal an jemanden weiter zum Lesen, zum Nachschlagen. Wo soll das Hinführen, wenn jeder dort hinein schreiben würde. Bücher dienen der Überlieferung, der Information, der Unterhaltung … – Anmerkung kommen auf Zettel, in ein Begleitheft oder sonstiges, bitte. Man muss dazu sagen, dass diese Haltung meiner Kinderstube entspringt. Meine Mutter war Buchdruckerin und hat mir diese Einstellung zu Büchern wahrscheinlich mit in die Wiege gelegt. Ich beherzige dieses bis heute. Und ich verzweifele, wenn ich miterleben muss, dass meine Kinder in der Schule gezwungen (!) werden, in die Bücher hineinzuschreiben, mit Textmarkern zu markieren und aufgefordert werden, verschiedene Filsstifte zum Unterstreichen zu nutzen. Schrecklich. Ich hätte sie gern davor bewahrt, um ihnen den großartigen Wert des geschriebenen Wortes gedruckt in ein Buch zu vermitteln. Kein Erfolg, die Lehrer bestehen auf ihren Markierungswahn. Die Bücher sind dadurch natürlich auch noch unverkäuflich – das wenigsten hat andere Eltern aufs Trapez gebracht. LG Ela

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    1. Mich juckt es ja fast in den Fingern, als Nachtrag einen Beitrag zum Thema „Glossen“ zu schreiben. Auch wenn ich es bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen kann, nämlich so weit es um die Wertschätzung als Gegenstand geht, den man pfleglich behandelt. Allerdings sind Bücher doch keine Heiligtümer. Okay, außer der Bibel und dem Koran … Wo das ganze aber durchaus bizarre Blüten treibt. Als Heiligtum riskiere ich doch mit jedem Umblättern eine Entweihung. Und in der Bahn dürfte ich schon einmal gar nicht lesen. 🙂

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  6. Bei Paperbacks kann ich nicht verhindern, dass sich meine Lebensgewohnheiten in ihnen verewigen weil sie meist überall dabei sind auch gerne mal in der Badewanne. Unsere Kommunikation ist eher von der leisen Art und Kritzeleien ect. kann ich gar nicht haben Post its sind das Maximum. Kochbücher sind für mich Bilderbücher für Erwachsene und somit absolute Heiligtümer 🙌🏻

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  7. ich habe noch nie ein Buch angeschrien, aber schon mal schräg angeguckt, ob es das wirklich so gemeint hatte….inhaltsmässig……..hineinschreiben würde ich NIE etwas, sind es doch kleine runde Werke, die in sich vollkommen sind….Kochbücher schaue ich mir an, denke, klasse, sollte ich mal machen und stelle sie dann wieder weg !!!

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  8. Meine Bücher sind, abgesehen von den Lektüren aus dem Deutschunterricht, absolut blütenrein und unbefleckt. Ich schreib noch nicht einmal meinen Namen rein, bzw- stemple ihn, obwohl ich einen richtig tollen Stempel hab. Aber, allesvonherzen und Ela vom Lehrercafé sind mir Bücher heilig. 😉

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          1. Ich fand es schon ganz gut, weil es meinen Blick auf Schlüsselworte gelenkt hat, anhand derer ich dann Szenen im wahrsten sinne des Wortes entschlüsseln konnte. 😀
            Aber eben, irgendwann hab ich das reduziert, und privat hab ich es eh nie gemacht. Meine Bücher sehen aus wie neu, obwohl ich sie mehrfach gelesen habe.

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