Die deutsche Sprache ist ein wunderbares Ungetüm. Sie bedenkt uns nicht allein mit wundersamen Worten (Penetrationstester), alltagsuntauglichen Konstruktionen (Futur II) und gnadenlos überbewerteten Dichtern (Goethe), sie ist auch praktisch. Und manchmal ist sie hintergründig.

Praktisch ist die deutsche Sprache durch die Selbstverständlichkeit, mit der sie bedarfsgerecht neue Worte generiert. Nehmen wir den Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwengeburtstag. Wie viel eleganter ist es, „Ich gehe auf den Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwengeburtstag“ zu sagen, statt lang und breit zu erklären: „Ich gehe auf den Geburtstag von der Witwe eines Kapitäns, der im oberen Bereich der Donau ein Schiff kommandiert hat, das noch mit Dampf angetrieben wurde.“

Doch Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwengeburtstage sollen heute gar nicht das Thema sein. Auf solchen Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwengeburtstagen gibt es zwar gemein hin leckeren Kuchen, den die Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwe für ihren Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwengeburtstag mit ihren eigenen Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwenhänden in der Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwenkombüse gebacken hat, aber man kann es nicht oft genug erwähnen, dass dieser Absatz wesentlich komplizierter wäre, wenn ich nicht einfach wahllos Substantive aneinanderreihen würde, um nicht zu sagen Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwengeburtstagssubstantive.

Eigentlich sollte es um die Hintergründigkeit der deutschen Sprache gehen. Ich kündige es schon im Beitragstitel an. Und gehe dann diesen Umweg. Ich möchte euch eben einstimmen. Denn die deutsche Sprache ist wundervoll. Und sie verdient es, gefeiert zu werden. Für so schöne kleine Wörter wie das erblassen. Außerdem brauche ich Goethe und die Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwe noch, um am Ende den Bogen zurück zu schlagen.

Erblasst sind wir wahrscheinlich alle schon einmal. Vor Schock. Vor Scham errötet man ja für gewöhnlich. Aber selbst wenn wir noch nie erblasst sind, es wird der Tag kommen, an dem wir erblassen. Und mit ziemlicher Sicherheit wird es zugleich der Tag sein, an dem wir erblassen. Ist das nicht wundervoll? Ein Ereignis, das zwei Ereignisse beinhaltet, die wiederum mit einem Wort beschrieben werden.

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Auch Blumen können übrigens erblassen.

Ihr könnt mir nicht folgen? Das ist ganz normal, die meiste Zeit des Tages bin auch ich damit beschäftigt, mir nicht folgen zu können. Goethe mag ich nicht, aber Schiller … Schiller ist in Ordnung. In jeden guten Haushalt gehört eine Schiller-Werkausgabe. Damit die Leute verstehen, wenn ich ihnen mitteile, dass mein Gehirn wunderbare Blasen auftreibt. Obwohl es in diesem Fall nur einen Zusammenhang aufgetrieben hat. Ich sehe mich dennoch schon dem Großinquisitor ausgeliefert.

Schiller ist allerdings ein gutes Beispiel für die doppelte Bedeutung des Erblassens. Dem armen Schiller gelang es ja im Laufe des Lebens, sich zu konsolidieren. Dies verdankte er seinem guten Freund Goethe. Als er dann endgültig erblasste, stellte sich für Goethe die Frage, ob der Freund ihn auch bedacht hätte und fand sich offenbar enttäuscht. der Erblasste Erblasser Schiller hat ihm offenbar nur die verfaulten Äpfel als Quell der Inspiration hinterlassen. Deren Gerüche ließen den guten Goethe offenbar ebenfalls erblassen, jedenfalls benebelten sie seinen Geist – und Schiller erb-ließ ihm posthum seinen Schädel.

Goethe schrieb ein Gedicht über diesen Schädel. Damit bewies er übrigens eine Attitüde, die auch heutige Blogger auszeichnet, zumindest mich. Man stellt gewissen Unfug an mit dem einzigen Hintergedanken, einen Blogbeitrag darüber zu verfassen. Als Goethe erblasste, erb-ließ er diese Tradition, die dazu führt, dass ich heute nur deshalb jede Woche einen Kuchen zu backen, um regelmäßig einen Blogartikel darüber zu verfassen … Und um den Bogen zum Anfang zurück zu schlagen, denn meine Kuchen können es mit jeder Torte aufnehmen, die die Witwe eines Kapitäns eines Schiffes, das auf der oberen Donau noch mit Dampfantrieb fuhr, mit ihren eigenen Händen in ihrer Kombüse für ihren Geburtstag bäckt. Oder kurz: Zeilenendetorten sind genau so gut wie selbstgebackene Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwengeburtstagstorten aus der Kombüse. Das lässt sie womöglich vor Neid erblassen. Ich hätte gern das Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwenbuddelschiff erblassen. Oder so.

40 Kommentare zu „ERBLASSEN

  1. Penetrationstester? Wer – oder was?! 😯 – soll denn da penetriert werden? 😮 Und wie penetrant wäre es, würde ich nachhaken, welche Arbeitsbedingungen da so herrschen? 😀

    Jedenfalls, Schiller gefällt mir auch besser als Goethe, sodass ich deutlich mehr Texte von Schiller hier mein Eigen nenne. Schönes Spiel übrigens mit „Erblassen“, ein sehr guter Text! 🙂

    Achja, und ich hoffe, du wirst dir nie den Schädel eines Mitbloggers unter den Nagel reißen, nur, damit du etwas zu schreiben hast! ;

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      1. Senioren penetrieren? 😯
        Also, nee Danke! Penetrant können die zwar gut sein, aber für ne Retourkutsche stehe ich nicht zur Verfügung! XD

        Aber da verwechselst du natürlich mit Vorsatz die Bedeutungen, du Schlingel. 😛 😉

        Du hast momentan ja gar keinen Bart, durch den du streichen könntest! XD

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        1. Möchtest du es darauf ankommen lassen? Beim Penetrationstest im Blogseparee könntest du meinen Bart bewundern … Und mir dann deinen Schädel geben. Ganz ohne Bedeutungsverwechslung. 🙂

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          1. Ts, also hörnse mal, junger grüner Hüpfer, sie! Ich werd hier nicht penetrant, äh, penetriert, sie! *Gehstock schwing* 😉

            Haha, du willst also den Goethe zu meinem Schiller geben? Dann müssen wir aber noch ne ganze Menge mehr bloggen. 😀

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              1. Ahaha, stimmt, da hast du schon recht! 😀
                Ich muss noch dran arbeiten, aber als neuer Schiller steh ich ja eh in deinem Schatten, lieber Goethe. 😉

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  2. Haben Goethe und Schiller sich eigentlich hin und wieder selbst übertroffen? Eeeeejjjjaaaalllll…..das Zeilenende hat’s heute mal wieder…I’m so amused!

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  3. Ob es bei den Oberdonaudampfschifffahrtskapitänswitwengeburtstagstortenschlachten genauso heiß zu geht wie bei den Bundespräsidententstichwahlenberichterstattungstortenbuffetschlachten? Ich werde es wohl nie erfahren, da ich keinen Oberdonau….du-weißt-schon-wen geehelicht habe. Aber zunehmend ergrauend werde ich, an- und aufgeregt durch deine Artikel, mir mit Grauen Gedanken machen müssen, wem ich meinem hohlen Schädel dereinst erblassend erblassen sollte, ehe er (der gräulich erblasste Schädel) sich keine Gedanken mehr machen kann. Denn nicht nur Goethe wollte das „Geisterzeugte fest bewahren“.
    Ein Anfang ist gemacht – Bloggen (Blogs lesen, schreiben und kommentieren). Hätte Goethe das nur schon gekannt 😉

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    1. Blogs sind besser als Schädel. Aber wenn du magst: Den von pimalrquadrat mag ich haben, ich könnte deinen danebenstellen. Was die Tortenschlachten angeht, behaupte ich aber, dass es bei den Witwen lustiger zugeht. Die singen dabei Udo Jürgens. 😉

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    1. Jeder Erblasser ist ein Verstorbener, aber nicht jeder Verstorbene ist ein Erblasser. Wichtiger Unterschied. Altmodisch ist es in der Tat … Ich empfinde es aber als ein schönes Beispiel für die schlichte Eleganz von Beamtendeutsch.

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  4. Es könnte unter Umständen so weit kommen (oder gehen), dass jemand vor Neid erblasst weil der Erblasser vor ihm erblasst ist und folglich länger der ewigen Ruhe teilhaftig werden kann. 🙂
    Zusammengesetzte Wortkonstruktionen sind wirklich sehr praktisch – man kann sogar zu einer Frau ‚Schlampe’ sagen, ohne im mindesten beleidigend zu sein. 😉

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    1. Bezüglich dem o.g. liederlichen Weibsbild (ev. einem Frauenzimmer, das der Musik frönt): Ist folgende Situation gemeint?
      Der Mann eilt vor seinem morgendlichen Aufbruch ins Büro zur Dusche, kann jedoch der Dunkelheit aufgrund einer ausgebrannten Birne nicht Herr werden und ruft seiner Frau zu: „Duschlampe! Hast du eine neue Birne gekauft?“

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    2. Naja, wenn die Frau unordentlich ist, finde ich das ja durchaus legitim. Ebenso wie den Schlamper. Wobei ich mich frage, wieso die Stiftmappe gleichen Namens wieder männlich ist. Es soll aber auch schon vorgekommen sein, dass Menschen ob dieser Titulierung erblassten … oder erbließen. Dämliche Vergangenheit. *gg*

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      1. Hm. Eine männliche Mappe – Hermaphroditschlamper (womit wir die deutsche Sprache wieder erfolgreich um ein neues Wort bereichert hätten). 😉
        ‚Erbließen’ könnte schon fast von Wilhelm Busch sein.
        Worauf Helene stumm erbließ
        Als sie die Lebenskraft verließ

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    1. Nein, nur brutal ehrlich. Goethes Erfolg basiert mindestens zur Hälfte auf (zugegeben cleverem) Marketing. *zieht den Kopf ein*
      Goethe ist das, was Madonna heute ist. Nur dass ich Madonna mehr mag. ^^

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          1. Mein Problem ist das erröten. Zumindest in peinlichen Situationen. Da erblassen mein Problem nicht sein kann, da ich kaum nennenswertes besitze, wird mein Problem wohl im erblassen zu suchen sein. Gelegentlich vor Neid, öfter mal vor Schreck und ab und zu auch nach einer ausgedehnten Mädelstour. 😉

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