Manchmal staune ich über meine unglaublichen Fremdsprachenkenntnisse. Aber was ein echter Bibliotheksmitarbeiter ist, kennt ja nicht nur jedes Buch in der Bibliothek samt Inhaltsangabe, er spricht auch sämtliche Sprachen der Welt. Und da er den letzten Tag auf der Fedcon verbringt, ist sein Klingonisch mittlerweile auch wieder ganz passabel.
Es begab sich, dass ich eines schönen Samstagnachmittags Dienst mit dem Frühaufsteher hatte. Das ist für den Fortgang der Geschichte nicht erheblich, sondern eine eigene Geschichte. Der Frühaufsteher und ich waren nämlich den gesamten Dienst über damit beschäftigt, die philosophischen Implikationen verschiedener Filme zu diskutieren. Dies führte zu massiver Unruhe in der Bibliothek, denn von der Theke her schallte regelmäßig lautes Lachen in die Lesebereiche. Aber dabei handelt es sich wie gesagt um eine andere Geschichte. Eine, die ich nicht erzählen werde.
Es ist ja nicht so, dass wir nur herumgealbert hätten. Okay, wir haben vor Allem herumgealbert, aber zumindest ein klein wenig haben wir an diesem Tag auch gearbeitet. Zumindest ich. Beim Frühaufsteher kann ich das nicht beurteilen. In einer Pause zum Luftholen zwischen zwei Lachanfällen stand eine ältere Kundin vor mir. Sie habe da eine Frage. Wir hätten ja auch Musik-CDs. Ich bejahte. Sie suche einen bestimmten Titel. Er hieße „Wan Schot“ und es handele sich dabei um Filmmusik. Ein wenig peinlich berührt zückte sie aus ihrem Notizbuch einen Pappdeckel, wie man ihn hierzulande benutzt, um darauf heiße Würstchen mit Senf und einer Scheibe Brot zu servieren. „Was Sie wohl von mir denken?“ Zeilenende, ganz professionell, erwiderte, dass er solche Dinge zuweilen auf Taschentüchern oder gar dem Handrücken notierte, wenn er davon ausging, im Umkreis von 100m keine Zettel anzutreffen. Eine Bekannte hatte ihr auf ihrem „Internet-Apparat“ das Lied gesucht und ihr dann vorgespielt, als sie sich darüber unterhielten.
Ich nickte verständnisvoll. Ich bezweifelte still, dass wir Entsprechendes im Bestand hätten, befragte aber zunächst den Katalog. Ich lag richtig, wir hatten weder einen Film dieses Titels noch einen entsprechenden Soundtrack im Bestand. Asiatische Filme und deren Musik sind nicht unser Sammelgebiet, die DVD- wie Musik-Kollektion ist auf Aktualität und Massentauglichkeit ausgelegt.

Die Kundin sprach weiter und zeigte auf einen anderen Eintrag. Der Künstler des Titelliedes „Wan Schot“ hieße Grant Sean. Ich nickte und gab auch dies in den Katalog ein, denn die Kundin wollte zudem wissen, ob wir vielleicht etwas Anderes von diesem Interpreten hätten. Auch das musste ich verneinen. Aber ich wurde stutzig. „Grant Sean“ klang nicht asiatisch. Wahrscheinlich hieß er Sean Grant. Ich war nun meinerseits neugierig. Die Dame mit der Würstchenpappe war sehr freundlich und es war ihr unangenehm, mich mit ihrer Anfrage überhaupt zu belästigen. Das ist für mich immer ein guter Grund, besonders zuvorkommend zu sein. Ich gab also „Wan Schot Grant Sean“ bei Google ein, um zu sehen, was passierte. Ich vermutete ein Missverständnis und fragte die Kundin parallel, ob der Film auch Wan Schot hieße. Das wüsste sie nicht, sie habe das Lied im Radio gehört. Auf WDR5, aber man könne den Titel leider nicht mehr recherchieren, das habe sie selbst versucht.
Meine Google-Recherche ergab nichts Brauchbares, ich hatte auf einen „Meinten Sie …“ Vorschlag gehofft. Also betrachtete ich die Würstchenpappe der Dame mit der Würstchenpappe genauer. „Der Film sei Ende Januar erschienen. Meine Bekannte hatte den Film und das Lied im Internet gefunden.“ Ich horchte auf. Das war doch ein Hinweis. Und bei genauerem Hinsehen stand auf der Würstchenpappe „Grant Jean“ und nicht „Grant Sean“. Die Dame hatte aus dem J einen minimal weicheren Zischlaut als in Sean gemacht. Fremdsprachen sind halt schwierig. Ich kann ein Lied davon singen, denn immerhin war ich fest davon überzeugt, dass es sich bei Wan Schot tatsächlich um pseudo-ostasiatisch handelte. Ich wurde misstrauisch. Meinte sie vielleicht „One Shot“? Die ganze Sache dauerte nun schon eine ganze Weile, weil die Dame mit der Würstchenpappe nicht nur defizitäre Fremdsprachenkenntnisse vorwies sondern auch von einem sympathischen Mitteilungsdrang beseelt war.
Da ihre Bekannte ihr das Video auf dem „Internet-Ding“ gezeigt hatte, vermutete ich weiter, öffnete nun Youtube und gab „One Shot Gran…“ ein. Noch bevor ich weiter tippen konnte, wurde ich ergänzt um „Grandjean“. Na da schau her. Ein Video öffnete sich … und lud … und lud …Die Dame mit der Würstchenpappe wollte schon wieder zusammenpacken, bedankte sich für die Mühen … Ich beschwor sie noch einen Augenblick zu bleiben, unsere Internetverbindung sei einfach nicht so schnell. Und dann erklang leise eine kleine Musik. „Das ist es, das ist es!“
Und nun gab es auch Sinn. Der Song erschien mit Video Ende Januar als Single. Wahrscheinlich wurde der Track mit Hinweis auf das Video an- oder abmoderiert. Ich recherchierte, aber natürlich hatten wir von Nikolaj Grandjean nichts im Bestand. Dennoch notierte ich der Dame den Namen des Künstlers in ordentlichen Druckbuchstaben und vermerkte zudem den Titel des Albums, auf dem One Shot enthalten sei. Sie wollte damit zum Elektronikmarkt mit Musikabteilung ihres Vertrauens und eine Bestellung tätigen. Und ich klopfte mir auf die Schultern. Ich hatte demonstriert, dass ich sogar pseudo-ostasiatische Phantasiesprachen, die traditionell von Damen auf Würstchendeckel geschrieben wird, verstehe.
Und war denn die Würstchenpappe würstchen-benutzt oder eher unbenutzt?
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Sie war beschrieben … Also ganz klar benutzt. 😊
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Also ohne Wurstfettflecken und Ketchup- und Senfresten….dann ist gut…
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Tz, da hätte ihr die Dame mit dem Internet-Apparat aber auch bisl besser helfen können und das gleich aufschreiben können 😉
Aber sehr nett von dir, nicht gleich aufzugeben und dich mit der Würstchenpappe in sie einzufühlen 🙂
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Ich hasse ungelöste Rätsel. Das hatten die Damen bestimmt gewusst und wollten mich so beschäftigen. ☺
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Die Parkbank hast du schön fotografiert. Und deine weltmännische Hilfe spricht für sich — ich für meinen Teil bin begeistert! 👍🏻
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Parkbank im Walde……oder gaaaaaaanz viele Schokoriegel, fein säuberlich arrangiert….wie eine Parkbank 😀
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So lange überleben Schokoriegel in meiner Nähe nicht. 😄
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Dann doch Parkbank 😀
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Uh … Gut. Danke sehr. 🙂
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War das richtig?
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Japp … Genau das ist es. War technisch gar nicht so einfach, bis ich den richtigen Fokuspunkt hatte.
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Wären im Hintergrund keine Bäume zu sehen gewesen, hätte ich es vermutlich auch nicht erraten.
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Noch ganz im Banne deiner kürzlich erfolgten Diätberatung erkenne ich auf dem Foto eindeutig eine irgendwie verzerrte, kakaobestäubte Tafel Schokolade. Dazu fällt mir ergänzend ein, dass auch geknickte Schokoladentafeln, ähnlich wie zerbrochene Kekse, nicht diätrelevant sind, gell?
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Dassiehst du ganz richtig. Es reicht übrigens, die Tafel einmal zu teilen. Das erspart Aufwand.😊
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Ein wahrer Mann von Welt, und dazu noch sehr hilfsbereit! 😀
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Wenn ich „serviceorientiert“ in einer Bewerbung schreibe, ist das der einzige Punkt, an dem ich nicht lüge.😊
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Heyyyyy…..super, dass du der Frau so lieb und geduldig geholfen hast. Und noch besser, dass du auch fündig geworden bist, ich hätte wohl aufgegeben, auch wenn ich seitens meiner Mutter auch einiges an sprachlichen Auswüchsen gewohnt war.
Ich denke grade an ihre Frage „was ist denn Kaffee lickt“….oder „was ist Käse lickt“….
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Ich war auch der Verzweiflung nahe, bis ich endlich auf die Idee mit Youtube gekommen bin. Aber ich bin dann ja auch neugierig und will wissen, was die Leute so an Musik hören.
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Schöne Geschichte. 🙂 Aber diese daumengepeilten Schreibweisen nach Gehör sind in der Tat oft schlimmer als jedes Fachkinesisch. 😉
[und definitiv lustiger]
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Wobei Wan Schot ja schon komisch ist. Bei Wan Schott wäre ich wahrscheinlich früher misstrauisch geworden. Dann hätte ich allerdings nicht darüber schreiben können. 😀
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Dann hättest du einen Ratgeber für Falschschreiber schreiben können. Damit man, wenn man etwas schon falsch schreibt, weiß, wie man es richtig falsch schreiben kann. 😀
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Diese kleinen Herausforderungen, über deren Bewältigung man sich anschließend freuen kann, machen doch am meisten Spaß. Und wenn man dabei sogar noch jemandem hilft, ist es doch perfekt. Schöne Geschichte 🙂
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Jopp… Und für solche Momente liebe ich meine Arbeit besonders.
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Gute Arbeit. Ich suche auch einen Song, den singt auf jeden eine Asiatin. Ich weiß nicht wie sie heißt und den Titel kenn ich auch nicht. Ist von der Melodie sehr eingängig und fröhlich. Manchmal benutzen Koch-, Aufräum-, Diät usw.- Sendungen den Mittelpart, also da, wo sie nicht singt. Ich glaube der Titel besteht aus zwei Silben.
Fass, Zeilenende!
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Mhm …. Kannst du die Noten niederschreiben? 😊
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Nee, ich konnte ganz früher mal Noten lesen weil es früher ein Initiationsritual war: Man wurde vom Kind zum Mann / zur Frau durch Blockflötenkurse. Heute kann ich das nicht mehr. Echte Musiker brauchen keine Noten oder Seife. Rah!
Ich fand der Refrain hörte sich an wie: “ Ching Ching (Klischee, ich weiß. Klingt aber so.), look at the stars above…“. Kann aber auch sein, das der Text janesisch oder chipanisch ist und sich nur so anhört.
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Bei „Look at the stars“ muss ich an Sailor Moon denken … Da ist aber kein Ching Ching drin … In „Ka-Ching“ von Shania Twain gibt es keine Sterne … Ching Ching könnte auch „Shine, Shine“ sein, würde zu den Sternen passen. Aber da gibt es sooo viel. Ich muss mal ein paar Koch-, Aufräum- und Diätsendungen gucken.
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