Ich bin ein großer Science-Fiction-Fan, aber das beteuere ich häufiger als dass ich es demonstriere. Also tun wir was dagegen und besprechen heute einen Film, der wahlweise als Meisterwerk oder gehobener Mist verkauft wird.

Quelle

Inhalt lt. amazon.de

Der gefeierte Filmemacher Christopher Nolan (The Dark Knight-Filme, Inception) inszeniert Interstellar mit internationaler Besetzung. Da sich unsere Zeit auf der Erde dem Ende zuneigt, unternimmt ein Forscherteam die wohl wichtigste Mission in der Geschichte der Menschheit: Es reist jenseits dieser Galaxie, um andere Lebensräume im Weltall für die Menschen zu erkunden.

 

Zur Geschichte

Wir befinden uns in einer deprimierenden Zukunft: Die Menschheit verwaltet den Mangel, nachdem sie die Erde herabgewirtschaftet hat. Kreativität, Neugierde und Entdeckergeist werden als Übel begriffen, die für die gegenwärtige Situation verantwortlich sind. Die Menschheit hat resigniert. Die Mondlandung, so der Glaube, sei wirklich ein Fake gewesen, um die Sowjetunion wirtschaftlich zu resignieren. Die NASA besteht nur noch als geheim operierende Untergrundorganisation.

Wie gehen wir mit dieser Situation um? Die Menschheit scheint sich entschieden zu haben, sich ihrem Schicksal zu ergeben. Die NASA und unser Held Cooper aber suchen im All nach einer neuen Bleibe für die Menschheit. Sie soll einen Exodus wagen. Gott hat den Israeliten in Ägypten Kanaan versprochen und Moses soll sie führen. Gott ist nun ein Wurmloch und Cooper sucht die Vorhut.

Die Geschichte ist zum Einen episch und beeindruckend, zum Anderen ist sie deprimierend konventionell: Die resignierte Menschheit ist eine naheliegende Antwort auf den zunehmenden Verfall der Erde. Ebenso naheliegend ist der Versuch, die Erde zu verlassen: Wir haben sie kaputt gemacht, also suchen wir eine neue, um sie wieder kaputt zu machen. Kein Versuch, die Menschheit zu retten, der Film klammert die Lösung aus. Stattdessen wendet die übrig gebliebene NASA den Kopf ab und schaut in den Himmel.

 

 

Roboter, Bilder und Science

Von der dürftigen Ausgangsbasis abgesehen ist die Story gut gemacht, denn sie enthält alle Merkmale einer guten Science Fiction Story. Roboter sind die Würze in einem guten Science Fiction Film, in dem sie nicht die Träger der Geschichte sind. Der Schiffscomputer CASE verfügt über ein Diskretionsprogramm, ein Ehrlichkeitsprogramm, ein Diplomatie- und Humorprogramm. Damit nicht genug, er streitet auch mit seiner mobilen Einheit TARS. Wenn sie nicht aus Blech wären, die Roboter würden als die unterhaltsameren Menschen durchgehen.

Interstellar punktet mit beeindruckenden Weltraumbildern. Er ist optisch gut gemacht, es macht Spaß, sich die Sequenzen im All anzuschauen, ohne dass ständig etwas explodiert. Dazu gibt es einige schwindelerregende Flugmanöver. Größter optischer, eigentlich optisch-akustischer, Pluspunkt des Filmes: Schaltet die Kamera auf Außenaufnahme und beobachtet man den Film vom All aus, gibt es auch keine Geräusche mehr. Ohne Atmosphäre kein Schall, das vergessen viele Filme, berühmt die Star-Wars-TIE-Fighter-Geräusche. Die sind zwar ein Markenzeichen der Filme, aber es ist erfrischend, dass Nolan auf jedes Geräusch verzichtet.

Wir haben also coole Roboter, wir haben gute Bilder und wir haben auch eine gute Prise Science. Dem Film wurde von einem Kritiker vorgeworfen, dass er keinen Spaß am Thema habe. Das sehe ich nicht so. Wir haben einen Wissenschaftler, der mit Begeisterung erklärt, warum schwarze Löcher Kugeln sind, wir sehen haufenweise Leute die für das brennen, was sie tun. Die Wissenschaftler sind allesamt ambivalente Figuren, aber sie lieben die Wissenschaft, die sie betreiben und die versuchen, ihre Erkenntnisse zu erklären und zum Wohle der Menschheit einzusetzen. Mehr kann man meines Erachtens von Wissenschaft in einem Kino-Blockbuster nicht erwarten.

 

Fazit

Letztlich erzählt ein guter Science Fiction Film weniger über die Wissenschaft und mehr über die Menschheit. Science Fiction ist mehr Soziologie und Psychologie denn Physik. Interstellar ließe sich, wenn man die Prämissen der Geschichte änderte, sicherlich anders, besser erzählen – als Kampf der Menschheit um ihren Planeten. Als notorischem Heimatverweigerer stößt es mir aber nur leicht sauer auf, dass die Menschheit sich für die Erde nicht interessiert. Wir sind an der Erde derzeit ja auch nur interessiert, weil sich uns nicht die Möglichkeit bietet, sie einfach zu verlassen. Das ist die erste gesellschaftliche Pointe, die soziologische.

Interstellar ist ein spannender Film über Physik, inkl. Schwarzer Löcher, Zeitproblemen und Robotern. Er ist vor Allem aber ein großartiger Bericht, was die Einsamkeit mit einem Menschen anstellt, wenn man sie auf die Spitze treibt. So gesehen ist Interstellar auch ein Appell an uns, Einsamkeit zu verhindern, denn Einsamkeit ist grausam. Sehr grausam. Das ist die zweite gesellschaftliche Pointe, die psychologische.

Interstellar ist vielleicht ein Meisterwerk der Science Fiction, das muss die Zeit zeigen. Ich habe meine Zweifel, weil er ein Kommentar auf die aktuelle Situation der Menschheit im Angesicht des Klimawandels ist. Er hat einige Qualitäten, die ihn zeitlos machen, das ist auch wahr. Aber ob sie reichen, um den Film dauerhaft im kulturellen Gedächtnis zu verankern, muss sich erst noch zeigen. Aber es gibt auch Filme, die keine Meisterwerke und dennoch sehenswert sind. Das ist Interstellar in jedem Fall. Nicht nur für Obsessive wie mich.

14 Kommentare zu „Besprechung: Interstellar

  1. Schön beschrieben! Ich fand ihn ja damals auch „nur“ gut und hielt ihn für kein Meisterwerk. In der Langzeitwirkung hat er mich aber immer mehr begeistert, so dass ich mich schon sehr auf eine Wiederholung freue. Ob er für mich damit zu Meisterwerk wird, muss sich aber noch zeigen…

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  2. Ich habe ihn neulich angefangen und fand ihn schrecklich langweilig. Ich gebe zu, dass ich ihn in erster Linie wegen McConaughey schauen wollte. Das hat aber leider diesmal nicht gereicht. Da fand ich zum Beispiel Gravity mit Bullock und Clooney (seufz!) viel viel besser. Interstellar habe ich nicht zu Ende geschaut, weil es mich einfach nicht gefesselt hat, was da jetzt wann wie warum passiert, obwohl die Ausgangsstory und die Fragen, die aufgeworfen werden, schon spannend sind.

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    1. Interstellar ist auch klassische Hard SF mit Physik und Theorien und so. Das muss man mögen und das tut nicht jeder.
      Gravity fand ich auch super, interessiert sich aber mehr für Psychologie. Okay. Er ist auch actionlastiger. Aber gerade für die Besetzung war der spitze. Wenn dir die Idee von Gravity gefallen hat, guck mal, ob Moon was für dich wäre. 😉

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  3. Ich kenne so wenige Filme, dass es mich gefreut hat hier einen besprochen zu sehen, den ich mir angeschaut habe. Ich mochte ihn. Schöne und auch etwas nachhaltigere Unterhaltung.
    Der Aspekt, dass man nicht den Heimatplaneten zu retten versucht, sondern einfach abhaut, der ist mir auch unangenehm aufgestoßen.

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    1. Ich merke überhaupt, dass mir die gesellschaftlichen Prämissen von Hollywood-Filmen, zumal aus dem SF-Bereich, derzeit alle nicht gefallen. Es macht sich so eine defätistische Grundstimmung breit oder bilde ich mir das nur ein?

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      1. Ich muss gestehen, dass ich defätistisch erst googeln musste. Ob es bei den Hollywood-Filmen so ist, kann ich nicht beurteilen, ich sehe zu wenige. Insgesamt aber magst du recht haben. Um das Thema des Films aufzugreifen, gerade bei Umweltschutz und Klimawandel begegnet mir immer öfter ein Schulterzucken, dass mich ziemlich erschreckt.

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  4. Ich liebe den Film, er ist mir nur ein bisschen zu lang. Aber mittlerweile habe ich fast immer Probleme mit Filmen, die die 90 Minuten Spielzeit überschreiten. Nicht, weil ich mich nicht so lange konzentrieren könnte, aber ich schlafe schlicht ein. Gestern Abend habe ich mit Mühe und Not eine Folge ‚‚Eureka“ und eine Folge ‚‚Dr. House“ geschafft. Aber schon im Verlauf der ‚‚Dr. House“-Folge sind mir mehrfach die Augen zugeklappt.

    ‚‚Interstellar“ ist ja nun mit weit über zwei Stunden eine ganz andere Hausnummer. Ich mochte zwar jeden Moment, vor allem die beeindruckenden Szenerien und die erdachte Realität (die Diskussion über die Landung auf dem Mond zu Beginn ist äußerst gelungen, weil hier in Perfektion Dogma und Geschichtswissen aufeinander treffen), doch die letzten Minuten waren physisch anstrengend. Sollte ich irgendwann mal abends wieder so fit sein, muss ich ihn mir genussvoll noch einmal ansehen!

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    1. Ich habe ihn an einem freien Nachmittag gesehen, weil es mir ja tendenziell ähnlich geht. Dann geht er. Über die Sache mit dem Mond habe ich auch herzlich gelacht. Deshalb tue ich mich auch schwer damit, Geschichte als Beschreibung der Vergangenheit aufzufassen. Daran glaubt gerade die deutsche Historikerzunft ja zum Teil immer noch. *g*

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  5. Ich hatte den Film im Kino gesehen und fand ihn wirklich gut. An einigen Stellen wirkte er etwas unnötig in die Länge gezogen, aber er konnte mich trotzdem überzeugen – und das obwohl ich eigentlich gar kein Science-Fiction Fan bin. Ich werde ihn mir auf jeden Fall ein zweites Mal anschauen, es könnte einer dieser Filme sein, die beim zweiten Mal noch besser „wirken“.

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    1. Ha. Ich sage es ja, Nolan hat es drauf. Er kann sie nicht alle glücklich machen, aber er hat ein Händchen dafür, Nicht-Fans SF schmackhaft zu machen und Fans zu begeistern. Damit hat er ne bessere Quote als JJ Abrams. ^^

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  6. Ich fand den Super…bin allerdings generell ein Fan von solchen Filmen. Gerade dann, wenn’s noch nen wissenschaftlichen Einschlag hat. Muss ich unbedingt nochmal sehen…

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