Ich habe lange mit mir gehadert, ob ich zu dem Thema schreiben soll und dem Aufruf von Anna Schmidt folgen soll. Nicht weil es mir zu heikel wäre. Ich bin in der Wahl meiner Themen schmerzfrei. Ich wollte zu dem Thema schreiben, aber ich konnte es nicht so, wie ich gern wollte. Ich habe angefangen und ein großes Gejammer veranstaltet. Ich habe es gelöscht. Ich habe angefangen und meiner Wut Ausdruck verliehen. Mehrfach. Jammerei und Wut bringen uns nicht weiter.

 

Doch was bleibt jenseits von Jammerei und Wut? Ich habe versucht, das Problem intellektuell zu bewältigen. Ich habe knapp 1000 Wörter geschrieben, in denen ich aufgezeigt habe, dass auch andere Parteien Zulauf durch Nichtwähler bekommen haben. Und dass demokratische Legitimation einer Position nicht hinreicht, um die Position als demokratisch zu legitimieren. Je häufiger ich den Artikel las, desto hohler wirkte auch sehr. Mehr wie ein Strohfeuer … Absolut nichtssagend. Ich habe ihn gelöscht. Nur die Grafiken zur Wählerwanderung habe ich belassen. Als Strohhalm, an den ich mich klammern kann.

 

Quelle Sachsen-AnhaltQuelle Baden-WürttembergQuelle Rheinland-Pfalz

Ich las einen Artikel in der taz zu acht Hinweisen im Umgang mit der AfD. Tipp 1 war, die Nazi-Keule einzupacken, weil die AfD ein breites Spektrum abdecke. Ich packte also meine Nazi-Keule weg und las Tipp 4: Der Partei die Grenzen aufzeigen, wo sie die Bürgerlichkeit verlasse. Ich überlegte, wie das ginge und verfiel auf die Idee, das Parteiprogramm zu lesen. Dann fiel mir ein, dass die AfD kein Parteiprogramm besaß. Also bleiben mir nur die Äußerungen der Damen und Herren, die im Namen der AfD sprechen.

Die AfD deckt also ein breites Spektrum ab. Die AfD begann einmal als wirtschaftsliberale Partei, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Deutschlands Volkswirtschaft vor dem Untergang durch Griechenland zu retten. Wir erinnern uns, dass Bernd Lucke, der Begründer der AfD, dafür bekannt wurde, Griechenland aus der Eurozone zu entfernen. Das ist eine radikale Position, der man vorwerfen kann, sie missachte die Verantwortung, die man für Griechenland übernommen hat, als man es der Eurozone beitreten ließ.

Nach dem Austritt von Bernd Lucke wurde die Position radikalisiert. Die aktuelle Position der AfD ihrer Homepage zufolge ist eine Auflösung des Euroraums aus ökonomischen Gründen. Die Vernunft, die dahintersteckt, ist also rein ökonomische Logik, die übersieht, dass der Euro in Verbindung mit den Schengen-Regeln mehr ist: Ein emanzipatorisches Projekt. Ohne die Nationalstaaten als solche aufzulösen, ist es der EU gelungen, seit den späten 90er Jahren einen Raum zu schaffen, in dem man sich zwischen Lissabon und Helsinki ebenso einfach bewegen kann wie zwischen Saarbrücken und Frankfurt/Oder: Keine Grenzkontrollen, kein Geldwechsel. Hinzu kommt eine Vereinheitlichung zahlloser Standards, manchmal gescholten, aber kleine Stücke, die den Raum homogenisieren. Ich halte dies für eine Errungenschaft, die man nicht leichtfertig und allein auf Basis ökonomischer Spekulation aufgeben sollte. Politik muss immer das Ganze mitdenken.

Das Programm der AfD ist nationalistisch. Es will mehr Grenzen, im Ökonomischen mit der Auflösung des Euro-Raums, in der Freizügigkeit mit der Abschaffung von Schengen, um den Nachzug von Flüchtlingen zu begrenzen. Ohne diese Position zu vertiefen, möchte ich darauf hinweisen, dass die Politik der AfD im Kern darauf zielt, all das abzuschaffen, was mein Lebensgefühl ausmacht, seitdem ich klein bin. Was ich schätze, was ich genieße.

Nationalismus kann man gut finden oder nicht. Ich bin der Ansicht, der Nationalismus hat noch nie etwas Gutes geleistet, weil er auf der sehr einfachen Logik basiert: Wir hier, die da. Abgrenzung sorgt für scheinbare Homogenisierung der eigenen Gruppe und definiert sich nicht selbst, sondern über Abgrenzung zu Anderen: Wir sind in Deutschland geboren und Deutsche. Wir sind deshalb anders als Franzosen, weil die in Frankreich geboren sind. Parallelen (Sowohl Deutsche als auch Franzosen sind Verteidiger des christlichen Abendlandes!) sind weniger wichtig, weil wir anhand der nationalen Grenze argumentieren. Der Nationalismus wertet damit Entfremdung auf, statt Gemeinsamkeiten zu betonen.

Fassen wir bis hierher zusammen: Die AfD vertritt ein Primat der Ökonomie vor der Poltik. Politisch vertritt sie überdies eine nationalistische Linie, die sich für Unterschiede statt für Gemeinsamkeiten interessiert. So weit ist das in der Tat vertretbar. Als nationalkonservative Partei, die sich von pseudowissenschaftlichen Argumenten wie Rassetheorien fernhält und sich darum bemüht, ihre Abgrenzungspolitik nicht durch Ressentiments zu verschärfen.

In diesem Zuge ist es erstaunlich, wie wenig sich die AfD mit ihren völkischen  Vertretern auseinandersetzt. Björn Höcke darf ungestraft und pauschalisierend seine Ansichten vertreten. Er wird dafür kritisiert, ja. Aber es geschieht nichts. Es gibt verhaltene Kritik. Bezeichnend ist aber das Verhalten der Speerspitze des nationalkonservativen Flügels bürgerlicher Prägung, Alexander Gauland. Der kritisiert seine Vorsitzende, Frauke Petry, dass sie Björn Höcke nahelegt, die Partei zu verlassen.

In Kürze lässt sich das wie folgt zusammenfassen: Der potentiell legitime bürgerliche Nationalkonservatismus stellt sich schützend vor die Schreihälse, für die ich meine Nazi-Keule nicht beiseite lege, weil sie offen rassistisch argumentieren. Ohne das geringste historische Problembewusstsein. Denn es waren nicht zuletzt die Nationalkonservativen, die sich auf die Seite der Nationalsozialisten gestellt haben und ihren Nationalkonservatismus damit nachhaltig diskreditiert haben. Statt daraus zu lernen, erleben wir die Geschichte erneut.

Die damaligen Zeiten sind nicht die heutigen, aber die Ähnlichkeiten sind frappierend: Der nationalkonservative Flügel der AfD erinnert an die DNVP der Weimarer Republik. Auch die DNVP war eine Partei, die sich vornehmlich für ökonomische Themen interessiert hat, eine konservative Partei des Großkapitals. Und wie damals sucht er zur Durchsetzung seiner Interessen nicht den Dialog mit den demokratischen Parteien, sondern versucht, das völkische Ressentiment für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Das ist damals schief gegangen.

Und heute? Herr Gauland und auch die übrig gebliebenen Wirtschaftsliberalen zündeln, wenn sie sich nicht von Positionen wie denen Björn Höckes distanzieren. So lange die AfD ihr Verhältnis zu den eigenen Extremisten nicht definiert hat, sind sie vor der Nazi-Keule sicher. Aber nicht vor der DNVP-Keule. Die AfD zündelt. Kalkuliert. Das ist ein größeres Problem als jede inhaltliche Forderung. Sie gefährdet die Demokratie. Das macht sie zu einer undemokratischen Partei.

 

23 Kommentare zu „Schreiben gegen Rechts

  1. Sehr gut geschrieben. Wenn es in den Medien öfter sachliche Auseinandersetzungen mit dieser Thematik gäbe, wie diese hier, würden wir ein ganzes Stück weiter kommen. Allerdings lesen es ja zumeist leider doch nur die, die es nicht zu lesen bräuchten, da sie dieselbe Meinung vertreten. Danke für diesen Start in die Woche, der zum Nachdenken anregt, ohne einen moralischen Zeigefinger zu erheben!

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    1. Danke. 🙂 Was mich in den Medien in der Tat stört ist, dass die Zusammenhänge so selten aufgezeigt werden und einfach nur die einzelnen Skandale aufgezeigt werden. Aber was den Zeigefinger angeht: Hast du ihn nicht gesehen? Dann muss ich den Text nochmal umarbeiten. *gg*

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  2. Deine Zusammenfassung gefällt mir sehr gut. Kann mich nur anschließen.

    Ich denke, dass das Sich-Vernetzen eine gute Möglichkeit ist gegen den Rechtsruck vorzugehen, wobei ich immer noch bete und hoffe, dass die Mehrheit, die der unsäglichen AfD ihre Stimmen gegeben hat, reine Protestwähler sind.

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    1. Sich vernetzen, ja. Auch aktiv werden. Das steht tatsächlich auf meiner To-Do-Liste. Das ist momentan nicht so einfach. Aber Flagge zeigen ist ein Anfang. Vielleicht verbrenne ich demnächst auch eine … So eine schwarz-weiß-rote.

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      1. Aktiv werden? Was willst du tun?
        Diskutieren und argumentieren hilft ja leider nichts bei den „besorgten Bürgern“ und AfD-Wählern.
        Vernetzen, schreiben, damit diese Leute mehr davon lesen als von den Hasstiraden der Rechten.

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        1. Selbst politisch aktiv werden. Eine Alternative für Deutschland bieten. Engagement zeigen. Ihnen direkt und vor Ort die Stirn bieten, wenns nötig ist. Vor Allem aber: Die Wahlen haben gezeigt, dass bisherige Nichtwähler nicht nur von der AfD angezogen wurden. Es besteht also die Chance, Leute auch für demokratische Ideen neu zu begeistern.

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          1. Naja, ich war lang genug politisch aktiv, ich habe gelernt, dass man keine wirkliche Chance auf Veränderung hat.

            Ich versteh die Nichtwähler sehr gut, diese Politikmüdigkeit kommt ja nicht von ungefähr.

            Seit ich wählen darf, das ist schon ziemlich lang, habe ich nie erlebt, dass irgendeine Partei ihre Wahlversprechen gehalten hat….ich habe ich mich auch öfter gefragt, wozu ich überhaupt wählen gehe.

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            1. Weil „Wahlversprechen“ der falsche Ausdruck ist. Das sind Absichtserklärungen für den Fall, dass eine Partei die absolute Mehrheit erringt. Ich finde das System der Kompromisssuche spannend und erstaunlich effektiv. Aber dazu braucht es mehr Platz als den Kommentar.

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    1. Das ist in der Tat so ein Problem der Debatte: Wer die Nazikeule schwingt, übersieht die Zwischentöne. Und was die AfD so zum Thema Sozialleistungen sagt, da war Bismarck ja noch Sozialist. Da passt der Vergleich auch. Ich bin mir nicht sicher, wie weit das trägt, aber es ist ein passenderer Vergleich als der zu den Faschos. Da du das auch siehst, scheint ja doch was dran zu sein.

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  3. Es hat sich sowas von gelohnt … ein toller Beitrag … klasse zusammen gefasst und ein würdiger Schlusssatz „Die AfD zündelt. Kalkuliert. Das ist ein größeres Problem als jede inhaltliche Forderung. Sie gefährdet die Demokratie. Das macht sie zu einer undemokratischen Partei.“ … dankbare Grüße – Anna

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      1. Gut, dann leg‘ ich mal los… 😉

        Ich finde ja, dass die AfD ein ganz enormes Grundproblem hat: Sie äußert sich überwiegend in Form von Parolen. Doch die Umsetzung in Form von Gesetzen bedarf keiner Parolen, sie benötigt Expertise. Und auch wenn noch so viele BILD-Leser für sie stimmen mögen, diese Expertise eignet man sich nicht von einem Tag auf den nächsten an. Vermutlich werden die frisch gewählten AfD-Abgeordneten in den nächsten Jahren erst einmal ein sehr unauffälliges Profil pflegen, um nicht zu sehr durch Inkompetenz aufzufallen. Spannend für alle Beobachter ist es meiner Meinung nach, zu sehen, wie sich die Wahrnehmung der AfD nach ihrer Wahl in alle möglichen Landtage ändert. Denn im politischen Tagesgeschäft helfen platte Parolen einem nicht weiter, da muss man schon argumentieren. Und man muss einsehen können, von einer Mehrheit überstimmt worden zu sein. Ohne danach greinend in der Presse von der schreienden Ungerechtigkeit der Demokratie zu berichten. Aber das wird sich zeigen.

        Gott, steigt mir Alkohol schnell zu Kopfe…

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        1. Och, das ist doch ein wichtiger Punkt. Ich bin skeptischer als du, was die Konsequenzen angeht (Der Vorwurf der Pinocchio-Presse zieht eben), aber du zeigst Punkte auf, an denen die AfD tatsächlich scheitern könnte. Die bisherigen Fraktionen waren ja auch zum Teil damit beschäftigt, sich intern zu streiten.
          Bleibt zu hoffen, dass den Parolen nicht noch blödsinnigere Konzepte folgen, gepaart mit weiteren Wahlerfolgen.

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  4. Ich bin im Moment davon überzeugt, dass die AFD sich selbst sprengen wird. Um länger zu überleben ist sie zu schnell zu groß geworden. Außerdem fehlt die Person, die der Partei vorsteht und sie zusammenhält.
    Das wäre dann allerdings auch die größte Gefahr für Deutschland. Ein fähiger, glaubwürdiger und sympathischer Kandidat könnte eine solche Partei zum Ziel führen.
    Die AFD hat schon vorher bewiesen, dass sie innen hohl ist und nicht recht weiß, was sie will. In dem Stadium tötet sie sich selbst.
    Gut zusammengefasst. Dank Dir.

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  5. Ja, sicher, ich stimme Dir und auch einigen anderen Vorschreibern zu: In der praktischen Arbeit in den Länderparlamenten werden sie bedeutungslos werden, denn dort werden sie außer Parolen nichts bringen können und jede Partei wird gemessen an dem, was sie von ihrem Programm umsetzen können. Allerdings besteht die Gefahr, dass die AFD-Vertreter weiterhin ihre Parolen grölen werden, mit „Lügenpresse“ auf kritische Auseinandersetzungen mit ihren Inhalten reagieren und wieder viele, viele Menschen diese Partei mit ihren Parolen abseits von Solidarität, Demokratie und Menschlichkeit wählen werden, um die ihrer Meinung nach verdiente Position in Parlamenten einnehmen zu können.
    Was mag das dann für unsere Demokratie, für unser Land bedeuten? Ganz ehrlich…mit wird mulmig beim Gedanken an den Rattenfänger….

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    1. Umso wichtiger, sie nie mehrheitsfähig zu machen. Dann … Nein, ein schönes Leben wäre es nicht. Aber erträglicher als die Koketterie mancher Konservativer mit Koalitionen.

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