Ich habe mich zuletzt ein wenig über französische Zuckerbäckerei mokiert, als ich Petit fours … naja … hergestellt habe. Vielleicht war ich ein wenig ungerecht, was die Behauptung anging, französische Backkunst sei der Versuch, Luft mit Creme zu füllen. Brioches haben mich eines Besseren belehrt.

Meine Milde sollte nicht weiter überraschen, denn während die Produktion von Petit fours eine schweißtreibende Fummelei ist, sind Brioches eher rustikal. Sowohl was die Herstellung als auch was den Geschmack angeht. Als tumbe deutsche Kartoffel weiß ich es zudem zu schätzen, wenn ein Gebäck ein gehöriges Maß an „guter Butter“ enthält. Irgendwann werde ich deshalb einen Kuchen erfinden, der im Wesentlichen aus Buttercreme und Streuselmasse besteht. Oder ich färbe Butterstücke mit Kakao und Granatapfel, belasse ein Stück Butter gelb, schichte sie übereinander und behaupte, das sei eine Kühlschrank-Fürst-Pücklertorte.

Nun, Brioches schmecken nicht nach nichts. Sie schmecken nach Butter. Und sie schmecken gehaltvoll. Das perfide an ihnen ist: Sie sind dennoch typisch französisch, sie sind trotz allen Gehalts irgendwie leicht und man mag nicht aufhören sie zu essen. Für 16 Stücke eures eigenen Butter High benötigt ihr:

  • 500g Mehl
  • 1/2 Würfel Frischhefe
  • 60g Zucker
  • 75ml Milch
  • 1/2 TL Salz
  • 4 Eier
  • 250g Butter

Auf den ersten Blick ist ersichtlich, wieso ich dieses Rezept mag, gell? Die Liste der Zutaten ist übersichtlich und erinnert fast schon an einen Brotteig. So ist das bei simplen Hefeteigen. Wobei simpel den Brioches unrecht tut, sie sind ausgesprochen raffiniert. Doch genug geredet, wir wollen Taten sehen.

Der Beginn der Brioche-Fertigung ist ein wenig Rechenarbeit, denn der Teig ruht sehr lang und Brioches sollten meiner Meinung nach frisch serviert und sogleich vertilgt werden. Ich habe mit der Zubereitung deshalb in der tiefsten Nacht begonnen, damit sie pünktlich um 15 Uhr ihren großen Auftritt auf der Kaffeetafel haben.

Nachdem ihr gerechnet habt, löst ihr die Frischhefe mit dem Zucker zusammen in der lauwarmen Milch auf, vermischt Mehl und Salz in einer Schüssel und verknetet anschließend Hefemilch, Salzmehl und drei der vier Eier miteinander. Anschließend spannt ihr etwas Folie über die Rührschüssel und verabschiedet den Teig für 2-3 Stunden in den Kühlschrank.

Brioches sind ein meditatives Gebäck, wenn ihr es so wollt. Während sie im Kühlschrank ruhen, habt ihr nichts zu tun. Ihr dürft rumsitzen und ein Buch lesen oder ihr döst, an den Kühlschrank gelehnt, euch wundernd, was der Teig darin wohl tut. Nach Ablauf seiner Ruhefrist befreit ihr ihn aus dem Kühlschrank, allerdings nur vorübergehend. Nun gilt es, das halbe Pfund Butter, möglichst in Flöckchen und möglichst kalt unter den Teig zu arbeiten. Kalt, schnell und gründlich ist wichtig, sonst wird es klebrig. Selbst meine chronisch kalten Finger haben gereicht, um die Butter anschmelzen zu lassen.

Habt ihr dies geschafft, sei euch eine weitere Stunde der Kühlschrank-Ruhe gegönnt, die ihr mit der weiteren Lektüre eures Buches verbringen könnt oder indem ihr euch eine Folge eurer aktuellen Lieblings-Serie anschaut. Oder was auch immer ihr noch in einer Stunde schafft. Doch ist die Stunde rum, solltet ihr parat stehen und den Teig noch einmal gründlich durchkneten. Dann gebt ihr ihm einen Gute-Nacht-Kuss, deckt ihn wieder mit Folie zu und bringt ihn ins Bett … Also in den Kühlschrank, wo der Teig 12 Stunden verharren muss, eingekeilt zwischen einem angeschnittenen Stück Kohl, einer Auswahl an Joghurtsorten und der in Buttermilch eingelegten Leber fürs Mittagessen – oder was immer sonst in eurem Kühlschrank herumliegt.

Nach 12 Stunden in der Kälte werdet ihr euer gelbes Wunder erleben, denn der Teig für die Brioches hat schlechte Voraussetzungen: Mit 3 Eiern und einem halben Pfund Butter, nur einem halben Würfel Hefe auf ein Pfund Mehl ist er definitiv ein schwerer Teig. Auch der Salzgehalt sollte den Hefen nicht sonderlich gut gefallen und zuletzt macht die Kälte sie träge. Dennoch ist der Teig gegangen. Dankt es ihm, indem ihr ihn weiterverarbeitet.

Zunächst heizt ihr den Backofen auf 200° Ober-/Unterhitze vor, dann teilt ihr den Teig in 16 gleich große Stücke. Oder das, was ihr für gleich groß haltet. Ihr habt jetzt ein letztes Mal die Gelegenheit, dem Teig einen anderen Sinn zu geben und aus ihm ein Tangramm-Spiel zu backen, wie es mich gelüstete (s. rechtes Bild).

Habt ihr euch doch für das Backen von Brioches entschieden, verquirlt ihr nun das letzte Ei mit 1-2 EL Wasser und präpariert eure Formen. Habt ihr Brioches-Formen? Dann pinselt sie mit Butter aus. Habt ihr keine? Dann nehmt Papierförmchen. Wollt ihr keine Papierförmchen nehmen, macht es wie Zeilenende und nehmt Silikon-Muffinformen. Die haben den praktischen Vorteil, dass man sie 1) nicht fetten muss und 2) sein Gebäck recht narrensicher entnehmen kann.

Von jedem der 16 Teigstücke nehmt ihr etwa ein Fünftel ab … Oder mehr oder weniger. Backen ist immerhin keine Mathematik. Das ist zwar gelogen, aber zumindest in diesem Fall kommt es auf Genauigkeit nicht an. Formt eine große Kugel und eine kleine Kugel, drückt in die große Kugel eine Vertiefung und bestreicht sie mit dem verquirlten Ei, bevor ihr die kleine Kugel einsetzt. Zuletzt lasst ihr die Brioches noch einmal 15 Minuten gehen. In dieser vorletzten Wartezeit könnt ihr darüber sinnieren, an was euch ungebackene Brioches so erinnern.

Zugegeben, die Handy-Kamera hatte beim ersten Bild ein paar Schwierigkeiten beim Fokussieren, aber das sei ihr nachgesehen. Der buttrige Duft in der Küche war nach einer Backzeit von 20-25 Minuten so betörend, dass auch ich mich bereits im Himmel wähnte. Auch wenn ich nicht ganz verstand, warum er voller Brustwarzen sei. Gönnt den Brioches ein paar Minuten des Auskühlens und befreit sie anschließend aus ihren Formen. Nun gilt es, sie rasch aufzuessen, bevor sie kalt werden oder (noch schlimmer!) jemand Anderes ein Brioche abhaben möchte.

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Ein letztes Wort zum Verzehr sei mir erlaubt, während ihr das Innenleben dieses fluffigen Kerlchens bewundert. Brioches bestehen wie mehrfach erwähnt im Wesentlichen aus Butter. Ich bin der Meinung, sie besitzen genügend Eigenaroma, um sie pur zu genießen, mit einer Tasse Kaffee. Ersatzweise bietet sich der Einsatz selbst gemachter Marmelade (zur Feier des Tages habe ich ein Gläschen Kirsche-Persico springen lassen) oder notfalls auch Honig an. Schokocremes jeglicher Art tragen meiner Meinung nach geschmacklich schon zu dick auf, selbst meine heißgeliebte Ovomaltine Crunchy Cream (egal ob in der deutschen oder schweizer Variante) eignet sich dazu nicht.

Dennoch, ich habe den Beweis erbracht, dass ich eine Horde von Barbaren mit diesem leckeren Gebäck versorgt habe. Einzelne Mitglieder der Familie haben es gewagt, die Brioche zu halbieren und sie dick mit Butter zu belegen.

31 Kommentare zu „Französisch backen II: Butter High

  1. Oh wie fein! Die sehen ganz toll buttrig aus und ich finde auch, dass man die mit gar nichts weiter essen muss. Höchstens in den Kaffee stippen, wie die Franzosen. Aber ein bisschen zusätzliche Butter kann trotzdem nicht schaden, ich kann deine Familienmitglieder also verstehen. Bei meinen Brioche Burger Brötchen ist die Ruhezeit ja nicht ganz so extrem, was ich aber auch völlig in Ordnung finde, weil sie ja quasi Beiwerk sind und nicht im Mittelpunkt stehen wie so eine richtige Brioche. Warum die diesen Zipfel in der Mitte oben haben weiß ich übrigens nicht. Hast du was heraus gefunden? Warum das so ist? Wenn das so weiter geht, machst du mir noch Konkurrenz mit der Food Fotografie *grins*

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    1. Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich vermute fast, dass sie so aussehen sollen wie Brüste. Das ist so herrlich klischeehaft, dass es wahr sein muss. Und was die Konkurrenz angeht: Ich werd mit der Handykamera immer besser, gell? 😉

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  2. Französisch backen hat bei mir altem Cretin (ja, da muss ein Accent hin, ist mir aber auf drm Handy zu kompliziert. :D) eine seltsame Assoziation hervorgerufen.
    Aber sehen echt lecker aus! Kannte ich bisher gar nicht. 🙂

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          1. Bei französisch musste ich an die Form der menschlichen Kopulation denken und zusammen mit dem Wort „backen“ entstanden seltsame Bilder von hoher Hitzeentwicklung unter druck und all so Sachen! ._.

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  3. Sieht ‚gnadenlos‘ lecker aus. 🙂 Ich würde die jetzt allerdings auch eher unverfälscht genießen wollen.
    Übrigens: Mir geistert da so eine Idee im Kopf herum, mit der du vielleicht was anfangen könntest. Angefangen hat es mit einigen Wortspielereien. Dadurch ergab sich die Idee einer Buchreihe – Philosophie im Alltag, z.B. ArisTOTeles für Bestatter. Aber anstelle von Albernheiten ließe sich das ernsthaft betreiben. Back- und Kochrezepte, die irgendwie mit einer bestimmten philosophischen Idee verbunden werden. D.h. es gäbe jeweils einen Text, der eine bestimmte Idee aus der Sicht unterschiedlicher Philosophen zeigt. Und anschließend ein Rezept, das einen fantasievollen Bogen zu dieser Idee schlägt. Nur mal so eine Roh-Idee.

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    1. Ich hab mir mal ein Zettelchen geschrieben. Ich musste spontan an Platon denken und das Symposion … Ansonsten … Ich habe den Kopf gerade sehr sehr voll … Mal sehen, was er ausspuckt, wenn ich den Zettel wieder zur Hand nehme. Das klingt nämlich lustig. Existentialistische Küche. *kicher*

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      1. Haha. Platon ist sehr gut. Mit dem hat’s sogar angefangen. 🙂
        Ich denke, irgendwo im Hinterkopf ist das vorläufig sehr gut aufgehoben. So etwas muss ja meist eine gewisse Zeit reifen. Aber ich kann mir vorstellen, dass da durchaus ein Domino-Effekt einsetzt, wenn erst ein Anfang gemacht ist…

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  4. Irgendwie duftet es hier gerade nach Butter 😉 Die sehen herrrrrlich aus!! Aber sag: Wie groß oder klein sind diese kleinen Teilchen? Die würde ich gern re-backen, aber aufgrund des Fehlens einer Brioche-Form müsste ich mir ebenfalls anders zu helfen wissen, aber Muffin-Papierförmchen erscheinen mir so klein. Der Zoom der Kamera scheint dies ein wenig zu verzerren 😉

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    1. Die haben tatsächlich etwa die Größe von Muffins, wie man sie auch beim Bäcker erwerben kann. Meine Muffinbackformen sind etwa doppelt so hoch wie die Papierförmchen für Muffins, der Zipfel guckt oben drüber nach dem Backen. Ich hoffe, das hilft dir weiter, sonst gehe ich messen. *gg*

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  5. Boahhh, sieht das wieder gut und lecker aus 🙂 Das so auf dem Tellerchen zu präsentieren – gemein! Das grenzt schon an Folter, wenn man’s nicht mal probieren kann 😦
    LG von der Silberdistel

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