Was ist der Ausgangspunkt für einen guten Beitrag? Jammerei, Hektik, Ärger? Ein gutes Erlebnis? Vielleicht auch etwas ganz Anderes.

Ich vertraue darauf, dass mir jeden Sonntagmorgen eine Inspiration zufliegt, die sich in Buchstaben gießen lässt. Ein Gedanke, der auf dem Monitor gerinnt. Es funktioniert zuverlässig gut. Irgendetwas, das sich zu berichten lohnt, gibt es immer: Ein Vorgang oder Ereignis, ein Wort, etwas, das ich gelesen habe. Schnell den PC starten und die Eingabemaske des Blogs öffnen, bevor der Anlass wieder im Unbewussten verschwindet.

So war es auch gerade eben. Ich tippte in die Titelzeile etwas ein. Lehnte mich zurück. Betrachtete den Titel. Verwarf ihn wieder. Nahm einen Post-it zur Hand und notierte den Gedanken, den die Überschrift ausdrückte. Er war noch nicht reif zur Veröffentlichung. Dann begann ich und schrieb zwei Absätze zu einem anderen Thema. Ich nahm einen weiteren Zettel, fasste das Geschriebene in zwei Halbsätzen zusammen und verwarf auch diese Möglichkeit. Auch dieser Gedanke war noch nicht reif.

Ich weiß nicht, ob die beiden Gedanken jemals zu einem eigenen Beitrag werden. Normalerweise wird alles, was ich auf einen Zettel notiere, zu einem Gedanken, den ich absatzweise ausbreite, ausbuchstabiere, drehe, wende, durchleuchte, sein Potential ergründe. Ich glaube, dass jeder Gedanke es wert ist, durchdacht zu werden. Und wenn er gut durchdacht ist, auch zur Veröffentlichung geeignet wäre. Aber diese beiden Gedanken nicht.

Der Gedanke zum Thema „Routinen an morgen“ basierte auf einem konkreten Erlebnis: Mein Ärger darüber, dass ich keine fünf Minuten wach war und schon mehrere Familienmitglieder entgegen ihren Gewohnheiten um mich herum sprangen und mir das Gefühl nahmen, zumindest eine halbe oder ganze Stunde das Haus für mich zu haben.

Der Gedanke zum Thema „bedingungsloser Anspruch“ basierte auf einem Beitrag in einem Blog, das ich noch nicht kannte und in dem suggeriert wurde, dass es konkrete Ansprüche gegenüber einem Akteur gäbe, auf die man ohne Bedingung Anspruch hätte. Auch das basierte auf Ärger, weil da Ebenen vermischt wurden: Es gibt meiner Ansicht nach tatsächlich bedingungslose Ansprüche, aber diese Ansprüche sind allgemein. Konkrete Ansprüche, die man womöglich auf Basis eines Verfahrens einfordern kann, sind immer bedingt.

Ersterer Beitrag wäre Jammerei oder eine Tirade geworden von sehr geringem Unterhaltungswert. Zweiterer Beitrag wäre nicht durchdacht worden, weil ich die Unterscheidung, die ich oben andeute, selbst noch nicht zur Gänze verstehe und ein wenig Zeit braucht. Eignet sich höchstens für eine kleine Polemik. Polemiken im Unterschied zu Analysen sind ein Angebot zum Selberdenken, Analysen zum Mitdenken. Sie wollen provozieren, nicht überzeugen. Doch ich schweife ab.

Ich denke gelegentlich darüber nach, welche meine besseren Beiträge sind und komme zu der Erkenntnis, dass es vor Allem meine schlechteren Beiträge sind, die mir auffallen. Das sind Beiträge, die ich mit einem Anflug von Ironie geschrieben habe oder die ein Erlebnis analysieren sollen. Zum Beispiel meine Beiträge über Jobsuche, zuletzt Totgefloskelt. Der war eigentlich als ironische Spitze gegen typische Bewerbungs-Formulierungen gedacht, aber offenbar war mir das Thema noch zu nahe. Es liegt eine unterschwellige Unzufriedenheit in dem Beitrag, die ihn daran hindert, gut zu sein.

Er ist als Blogbeitrag gar nicht mal so schlecht, wenn man Blogging so wie ich auch als eine Art Tagebuchführung beschreibt. Ich bin unzufrieden, aber die Artikulation von Unzufriedenheit allein hat für mich keinen Wert. Ich gehe gegen meine Unzufriedenheit vor, indem ich Bewerbungen schreibe und versuche, die Unzufriedenheit in Humor zu verwandeln oder in einen produktiven Gedanken. Deshalb dürft ihr bis zum Ende der Bewerbungszeit auch sicherlich noch ein oder zwei (oder mehr) Beiträge zu dem Thema lesen. Aber deshalb ist „Totgefloskelt“ auch einer meiner (subjektiv) schlechteren Beiträge.

Die Lektion dabei ist: Es kommt für einen Blogbeitrag nicht auf die Idee an. Die Idee kann sich, wie in diesem Beitrag, während des Schreibens artikulieren. Sie lautet in diesem Fall „ein guter Blogbeitrag ist ärgerfrei“. Und sie lässt sich sogleich einschränken, denn ich habe mich darüber geärgert, dass mir spontan keine Idee für diesen Beitrag kam, die auch zu einem Beitrag wurde. Denn der Ärger ist zugleich etwas Produktives, dementsprechend: „In einem guten Blogbeitrag wird das unmittelbare Erlebnis in etwas Produktives verwandelt: Aus einem lustigen Erlebnis wird eine Geschichte, aus dem Ärger wird eine Erkenntnis.“ Und so war ich produktiv und habe mein persönliches Blogbeitragsschreibgütekriterium entwickelt: „Wenn ich ein blödes Wort erfunden habe, das für den doofen Beitrag eine passende Überschrift liefert, läuft alles gut.“ Denn dann lächle ich am Ende des Beitrags. Wenn es mir also nicht gelingt, ein solches Wort zu erfinden, muss das Kriterium modifiziert werden: „Wenn ich am Ende des Beitrags lächle, dann ist der Beitrag gut. Auch wenn der Schreibanlass ein Ärgernis war.“ Wie ich dahin komme, ob durch Übertreibung des Schlechten oder schlichtes Feiern des Guten, ist egal. Denn: Alles kann ein guter Beitrag werden.

Für die Sonntagsbeiträge, die ich nicht wegen Arbeit plane, gilt das nur eingeschränkt. Die sind nur gut, wenn sie

  1. einen Hinweis darauf beinhalten, dass der nächste Beitrag zu 52 Wochen heute Nachmittag zwischen 16 und 18 Uhr kommt
  2. mit dem denkwürdigen Brotbild der Woche schließen. Und für heute habe ich mir eine „künstlerische Inszenierung“, statt zu erklären, was ich gebacken habe.

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So wird das denkwürdige Brotbild der Woche auch noch lehrreich. Wer keinen Tontopf zur Brotlagerung hat, der gerüchtehalber optimal ist, wer wie ich mit metallenen und hölzernen Brotkästen schlechte Erfahrungen gemacht hat, wer eine Mutter Zeilenende hat, die alles in Plastiktüten packen will, sorge dafür, dass das Brot in einen Leinenbeutel kommt. Das Brot wird auch darin mit der Zeit trocken, aber das wird jedes Brot. Von der Anschnittkante abgesehen lässt es sich so aber durchaus eine Woche lang lagern und genießen.

17 Kommentare zu „Blogbeitragsschreibgütekriterium

  1. Dein Resümee oder die Lektion die du am Ende ziehst gefällt mir. Ein Lächeln am Ende ist ein gutes Indiz dafür, dass der Beitrag gut geworden ist. Bewundernswert wie viele Gedanken du dir machst. Den kritischen Blick auf eigene Texte kenne ich auch und doch setzt du dich viel mehr damit auseinander.
    Lass dir sagen, dass ich deine Beiträge durch die Bank weg genieße und gerne lese.
    Die Brote machen wir wie immer Appetit und heute fällt mir auf, dass wir genau die gleiche Küchenarbeitsplatte haben :).
    Einen schönen Sonntag

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    1. Das hat drei Gründe: Zum ersten liegt es an meiner (ebenfalls mantra-haft wiederholten) Unzufriedenheit mit Allem, auch mir und dem was ich tue und der Energie, die ich daraus ziehe. Zum Zweiten kommt das Thema im Liebster Award ohnehin häufiger auf. Zum Dritten schreibe ich, wenn mir nichts anderes einfällt, einfach immer übers Schreiben, weil es dazu so viel zu sagen gibt. Das ist eine ganz billige Art, Inhalte zu produzieren. 😉
      Danke dennoch für das Lob und Glückwunsch zur Arbeitsplatte: Die ist praktisch, weil man sie nur einmal im Monat abwischen muss. Vorher sieht man die zahllosen Flecken darauf nämlich nicht. *gg*

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  2. Mich inspirieren deine Beiträge über Brot und deshalb ist es heute soweit. Mein erstes selbst angesetztes Sauerteigbrot geht in die Produktion, nachdem ich endlose 4 Tage gewartet und geknetet habe 😉 Heute muss die Glocke werden, dir einen famosen Sonntag 🙂

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  3. Ich sehe es genauso, ein Lächeln, wenn man mit dem Lesen des Beitrags fertig ist, ist schon mal ein gutes Zeichen. Allerdings kommt das auch wieder drauf an, was man überhaupt beabsichtigt mit dem Beitrag. Naja. Ich jedenfalls finde es ebenfalls sehr faszinierend, wie viele Gedanken du dir über deine Blogbeiträge machst und kann dir sagen, dass ich insbesondere die Sonntagsbeiträge sehr schätze 🙂
    Brotaufbewahrung ist auch so ein Thema, bei dem ich noch nicht auf ein für mich passendes Ergebnis gekommen bin. Plastik lässt das Brot weich werden, was immerhin besser ist als hart, dann kommt es noch mal kurz zum Aufknuspern der Kruste in den Toaster oder Backofen. Bäckerpapier ist mir am Liebsten, vielleicht lege ich mir so etwas zu und wickele das Brot immer da hinein. Zusätzlich wäre dann ein Leinenbeutel tatsächlich eine Idee. Die werden in unserer Stammbäckerei sowieso verkauft.

    Hab einen schönen Restsonntag!

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    1. Es kommt immer auf so viel an. Schreiben als Prozess lässt sich auch nicht verallgemeinern. Wobei ich auch bei einem toternsten Beitrag am Ende meistens lächeln kann, weil ich finde, das Thema gut dargestellt zu haben.
      Was Plastik angeht, mag ich diese Gummi-Konsistenz von Brot überhaupt nicht, da hilft am Ende auch kein Toasten mehr. Dann habe ich es lieber etwas trockener, denn auch das kann man toasten. Dann ist es sehr knusprig, irgendwo zwischen Brot und Knäckebrot (das ich auch furchtbar gern mag). Was für mich gegen Plastik spricht: Mutter Zeilenende hat das ja wie erwähnt früher häufig gemacht. Je nach Wetterlage schimmelt mir das selbstgebackene Brot darin einfach entschieden zu schnell. Gerade wenn man den Rest-Laib und ein paar übrig gebliebene Scheiben zusammen lagert. Katastrophal.

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      1. Schau, Knäckebrot hasse ich 😀 Du hast aber glaube ich, auch bedeutend größere Brote. Ich mach ja immer so meine Minibrote, die sind nach ein paar Tagen wieder aufgegessen und wir können dann beim Bäcker entweder neu kaufen oder ich backe wieder ein kleines Brot. Frisches Brot ist halt eh am Besten!

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  4. Irgendwie… „vorbildlich“, dein Fazit. Es sind Gedanken, die mich gerade auch beschäftigen und somit kommt ein wenig Inspiration sehr gelegen 🙂
    Achja, die Brote. Ich muss auch nochmal einen neuen Versuch wagen. Das Ergebnis des letzten war… ähm… nicht erwähnenswert 😀

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    1. Das Lustigste ist ja: Ich habe gerade meinen Reader geöffnet und sehe, dass du gestern Abend noch einen Beitrag zu einem ähnlichen Thema veröffentlicht hast … Und ebenfalls ein dämliches Wort dafür erfunden hast. Ich fühle mich gerade wie Karl-Theodor zu Guttenberg – auch wenn ich mich tatsächlich nicht erinnern kann, auch nur die Beitragsüberschrift gestern Abend gesehen zu haben. ^^ Ich geh gleich rüber zum Lesen, getabbt bist du schon.

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      1. Dafür hatte ich heute Vormittag ein kleines Déjà-vu, als ich im Reader deine Beitragsüberschrift sah und war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob und was ich gestern Abend angestellt habe. 😀

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  5. Gleich mal vorweg: Die Brote sehen sehr gut aus. Obwohl ich vom Mittagessen noch gut voll bin, regen sie meinen Appetit an.

    Ansonsten kenne ich das Problem: Man möchte gerne einen Beitrag schreiben, weil die Stimmung passt, doch leider stellt sich gerade kein wirklich verwertbarer Gedanke ein. Alkohol hilft manchmal, in meinem Fall würde er die latente Dauermüdigkeit aber bis zu einem schier unerträglichen Grad steigern. Und dann wäre ich völlig dahin, würde pennen, meinen Abendrhythmus aus dem Tritt bringen – und dann wäre auch gleich noch der Einstieg in die Woche versaut. Die wird ohnehin anstrengend genug.

    Aber immerhin ist die Wahl heute schon für mich und meine Frau gelaufen, das Wahllokal ist allen Ernstes in Steinwurfweite, so wären wir in wenigen Minuten ‚‚There and back again“, um mal den altehrwürdigen Tolkien zu zitieren. Ab 18 h wird uns das faszinieren, hoffentlich nicht frustrieren.

    Mein Beitrag für die ‚‚52 Wochen“ ist fertig, könnte dich sogar ein klein wenig amüsieren – und ich bin gedanklich schon auf der Suche nach neuen Ideen für die kommenden Wochen. Leider war ich gestern etwas voreilig und habe mir eine Idee für die kommenden vier Wochen unmöglich gemacht, danach könnte es damit wieder klappen. Mehr verrate ich aber nicht, sonst ist ja die Spannung weg.

    Es Marinsche hat auch schon etwas gepostet, der Tag wird also sicher noch ganz erquicklich. Jetzt ruft die Vorbereitung mich wieder. (Brahms kann ja so langweilig sein… – nicht wundern, wenn du das nicht verstehst!)

    Bis später!

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    1. Unter Alkoholeinfluss schreibe ich auch nur Katerbeiträge, wie bereits demonstriert. 😉 Ich habe immerhin das Glück, genug Material zu haben, um in der Mehrheit doch passende Beitragsthemen zur Hand zu haben, wenn ich Zeit zu schreiben habe.
      Mein Beitrag für die 52 Wochen kommt gleich auch, wenn auch stark dokumentarisch diesmal. Ich bin jedenfalls mindestens genau so gespannt auf die Wahlergebnisse wie du und scharre mit den Hufen.

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