Ich dachte mir, ich probiere es einmal etwas reißerischer als sonst mit meinem Freitagsrezept. Vielleicht verleitet das ja ein paar Menschen mehr zum Lesen.

Es geht hier schließlich nicht nur um das Rezept, es geht vor Allem darum, dass ich aus dem Nähkästchen plaudere. Ich steige meistens mit einer kleinen Geschichte ein und versuche, den einzelnen Anleitungs-Schritten eine humoristische Note zu geben. Manchmal kann es mir sogar passieren, dass ich mittendrin auf Abwege rate und die Kulturgeschichte einer der Zutaten referiere oder ganz furchtbar auf die Hochnäsigkeit schimpfe, mit der „Citroback“ eines großen Bielefelder Puddingpulverkonzerns von manchen Menschen abgekanzelt wird und für mehr Küchenpragmatismus plädiere. Heute nehme ich erst einmal das Ergebnis vorweg. Alles Weitere wird sich zeigen.

Petit Fours stammen aus der französischen Küche. Die französische Gebäcktradition ist für verschiedene Dinge bekannt. Vor Allem dafür, dass ihre Erzeugnisse besser aussehen als sie schmecken. Baguette beispielsweise sieht erotisch aus, klingt knusprig-schön, schmeckt aber wie jedes Weißbrot eigentlich nach „Nichts mit Kruste“. Das unterscheidet Baguette übrigens von seinem italienischen Verwandten, dem Ciabatta. Das schmeckt nach „Nichts mit Luft“. Aber wir waren ja in Frankreich, da gäbe es noch einiges über Croissants zu sagen (die vor Allem nach Butter schmecken) oder auch über Macarons, die ebenfalls wunderschön anzusehen sind, ich bei dieser Größe aber Bissigeres brauche. Ich bin in Sachen Kuchen-Happen einfach ein Keksmensch. Macarons schmecken mir zu sehr nach „Nichts mit Füllung“.

Über Geschmack lässt sich streiten und die französische Gebäcktradition kennt zahlreiche großartige Kuchen, es gibt zum Beispiel einen Obstkuchen aus Mürbteig mit einem Guss aus Eigelb und Sahne, den ich sehr liebe und notfalls auch mit Äpfeln backe. Aber das ändert nichts daran, dass die französische Gebäcktradition nun einmal viel Wert auf das Aussehen seiner Produkte legt, wohingegen ein Käsekuchen … Naja, sieht halt aus wie ein Käsekuchen. Schmeckt dafür besser als ein Macaron.

Und ich kann einfach nicht mit Dekozeug. Wenn bei mir nichts schief geht, sieht das Produkt leidlich präsentabel aus, einen Schönheitswettbewerb gewinne ich damit niemals. Dafür fehlt mir die Geduld. Ich will das Zeug essen und das Auge isst nur so lange mit, bis es sich nicht übergeben muss. Da bin ich konsequent. Aber zum Thema „Bildästhetik“ vielleicht später mehr. Seid nicht zu enttäuscht, dass das Ergebnis „so lala“ ist. Prinzipiell kann man aus dem Rezept mehr herausholen. Denn es hat – obwohl Petit Fours hauptsächlich aus Biskuitteig bestehen – nicht nach Biskuit („Ciabatta mit Süß“ s. o.) geschmeckt. Also nicht ausschließlich. Und man sollte zu seinen Makeln stehen. Auch deshalb der Beitrag.

Man nehme:

100g Marzipan-Rohmasse

60g Zucker

1 Päckchen Vanille-Zucker

6 Eier

120g Weizenmehl

1 gestr. TL Backpulver

80g gemahlene Haselnüsse

40g Butter

250g Aprikosen- oder sonstige Konfitüre

100g Marzipan-Rohmasse, 100g Puderzucker, 1 EL Aprikosengeist

oder

eine Marzipandecke

400g Puderzucker

ca. 6EL warmes Wasser

Dekozeugs

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Wir beginnen ganz harmlos und präparieren die Zutaten: Butter zerlassen, Mehl mit Backpulver vermischen, die Haselnüsse leicht anrösten. Am besten alles gleichzeitig und auf kleinem Raum, damit alles auf ein Bild passt. Neben dem Bild könnt ihr drei Backbleche mit Papier belegen und einen Zollstock bereithalten.

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Nun ist es an der Zeit, die Eier zu trennen. Das geht dem Profi so leicht von der Hand, dass er nebenbei eine Tasse Kaffee trinken kann. Die sechs Eiweiß, die ihr erhaltet, in eine Schüssel geben, vier Eigelb in eine kleine Schüssel geben … Oder auch nicht.

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Die zwei übrigen Eigelb sollen mit dem Zucker, dem Vanillezucker (dazu ein andermal mehr) und dem Marzipan verrührt werden. Und das auf höchster Stufe. Das Problem ist: Marzipan ist eine undankbare Zutat. Ich mag Marzipan sehr gern, ich verarbeite es aber eigentlich nur im Knetteig. Oder im Rührteig, aber auch da nur, wenn es unausweichlich ist. Während man Butter nämlich zähmen kann, indem man sie weich oder flüssig werden lässt, bringt Erwärmen beim Marzipan nicht viel. Oder ich bin zu ungeduldig. Ich habe Marzipan mal auf kleiner Flamme eine halbe Stunde lang erwärmt. Gebracht hat es nichts außer Brandblasen an den Fingern.

Wenn man so vorgeht wie im Rezept beschrieben, kann es passieren, dass die Fetzen fliegen. Quer durch die Küche. Ein Marzipan-Wunderland. So lange, bis sich das Marzipan endlich mit dem Zucker und den beiden Eigelb verbunden hat.

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Während ihr euch maßlos über das undankbare Marzipan ärgert, kann eure Küchenmaschine euch einen Teil der Arbeit abnehmen und aus den sechs Eiweiß Schnee schlagen. Das spritzt nicht so sehr wie das Marzipan. Wenn doch: Dann sieht eure Küche wenigstens winterlich weiß aus. Ich habe das Bild aber auch aus didaktischen Gründen gemacht: Sehr deutlich ist zu sehen, was „schnittfester“ Eischnee meint.

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Zurück zu unserer Eigelb-Zucker-Marzipanmasse. Dem Rezept nach müsst ihr die übrigen vier Eigelb hinzufügen, wenn sich alles verbunden hat und die Masse dann cremig schlagen. Wenn ihr nicht wollt, dass ihr die Küche grundreinigen müsst, gebt die Eigelb so schnell wie möglich hinzu. Am besten sofort. Von Anfang an. Pfeift auf die Anleitung, die sagt: 2+4. 2+4 hat sich mit der Wiedervereinigung erledigt. Am Ende sollte die Masse so ähnlich aussehen wie auf dem Bild oben.

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In einem nächsten Schritt hebt ihr den Eischnee unter die Eigelbmasse. Das ist kein Hexenwerk, ihr müsst auch nicht übervorsichtig sein, ihr braucht nur ein wenig Geduld. Immer wieder mit dem gelochten Rührlöffel vom Rand durch die Mitte nach oben, bis sich alles vermischt hat, so bewahrt ihr die luftige Struktur.

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Dann siebt ihr das Mehl auf die Eimasse, gebt das geröstete Haselnussmehl und die abgekühlte, flüssige Butter hinzu und hebt auch diese Menge unter. Auch dafür braucht ihr ein wenig Geduld. Und eine bessere Smartphonekamera als ich. Wenn auch etwas verspätet, hier noch ein praktischer Tipp:

Ihr werdet euch die ganze Zeit über Sorgen machen, dass die Masse zusammenfällt. Schmeißt Herrn Zeilenende Sr. also vorher aus der Küche, sonst wird er ständig um euch herumlaufen, in eure Rührschüssel gucken, euch fragen „Was machst DU denn da?“, in den Schrank vor eurem Kopf greifen, weil er GENAU JETZT den Eierkocher anstellen will und euch nebenbei zu eurem Leben ausfragt. Das könnt ihr in solch einem kniffligen Moment nicht gebrauchen. Ihr müsst dann nämlich einen Teil eurer Willenskraft darauf verwenden, ihn nicht anzuschreien. Er darf die Eier kochen, wenn der Teig im Ofen ist.

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So sieht das Resultat aus, wenn ihr den Teig in drei Portionen gebacken habt. Auf jedes Backblech streicht ihr eine Teigplatte von 28*24cm² aus. Backrahmen braucht ihr nicht, der Teig zerläuft nicht. Aber ein Zollstock ist hilfreich, deshalb erwähnte ich ihn oben. Der Teig wird bei 150° Heißluft (Ich heize auch dann vor) 10-12 Minuten gebacken, danach sofort aus dem Ofen genommen und auf bereitgelegtes Backpapier gestürzt. Dann zieht ihr das Backpapier, das mit im Ofen war ab und lasst die Böden auskühlen. Weiterer Trick aus Zeilenendes Fundus: Das Backpapier nach dem Stürzen mit kaltem Wasser einpinseln und dann rasch abziehen.

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Wenn der Teig ausgekühlt ist, bauen wir Türmchen. Nehmt die Marmelade und streicht sie durch ein Sieb oder nehmt wie ich Apfelgelee, das ihr in einem Topf leicht erwärmt. Bestreicht einen Boden mit Gelee, legt den nächsten Boden auf, bestreicht auch diesen, legt den dritten Boden auf, bestreicht diesen und deckt alles mit Marzipan ab.

Ich sagte ja bereits, dass Marzipan Teufelszeug ist und wenn ich die Alternative habe,

  1. Marzipanrohmasse mit Puderzucker und Schnaps zu verkneten, um die Masse anschließend zwischen zwei Lagen Frischhaltefolie zu einem Rechteck auszurollen oder
  2. Eine fertige Marzipandecke zu kaufen und zurecht zu schneiden

dann entscheide ich mich für die zweite Variante. Die überstehenden Enden kann ich dann als zweite Marzipanschicht dekorierend einsetzen. Diese Platte kommt auf die oberste Lage Gelee.

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Während euer Kuchenturm anzieht, könnt ihr Puderzucker und Wasser miteinander verrühren. Das ergibt einen seeeehr zähflüssigen Guss. Nun schneidet ihr den Kuchenturm in handliche Happen und überzieht sie mit dem Guss. Wieso erwähne ich, dass der Guss sehr zähflüssig ist? Nun, ich fand ihn zu zähflüssig und verdünnte ihn kurzerhand ein wenig weiter. Das macht das Überziehen leichter, aber sorgt dafür dass er nicht weiß schimmert, sondern die Schichten sichtbar bleiben.

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Zuletzt spielt ihr ein wenig mit der Perspektive und gebt euch den Anschein, dass ihr was von Food-Photographie versteht. Eigentlich kaschiert ihr damit aber bloß, dass viele eurer Petit Fours zumindest optisch nicht perfekt sind. Aber ehrlich gesagt, habe ich sie aus zwei Gründen gebacken: Ich wollte es ausprobieren und ich wollte Dekozeug aus der Weihnachtsbäckerei loswerden, mit der ihr die Kuchenhappen zum Schluss dekorieren könnt.

29 Kommentare zu „Skandal! Zeilenende versagt bei der Gebäckgestaltung

  1. Das sieht aber doch gar nicht mal übel aus. Ich püriere Marzipan mit dem Zauberstab. Erhitzen funktioniert maximal mit Sahne aber pürieren muss ich es trotzdem. Mit dem Handrührer wird das auch ne riesen Sauerei! Petit Fours gibt’s bei mir auch demnächst aber den Marzipanärger spare ich mir wohl 😄

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    1. Ich habe keinen Zauberstab. Ich fürchte, im Aufsatzmixer für die Küchenmaschine gibt das nur Sauerei. Ich hab ja einen Plan für zukünftige Marzipansachen: Ich kaufe so einen Block und esse ihn dann, statt mich damit herumzuplagen. *g*

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  2. Perfekte Kulisse für das Märchen von den drei kleinen Schweinchen, wo der Wolf die Hütte umpustet ( und duck und wech aber dabei nochmal schnell umme Ecke guck )…aber lecker sehen sie aus! 🙂

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  3. Ich habe ab „Die französische Gebäcktradition ist für verschiedene Dinge bekannt. Vor Allem dafür, dass ihre Erzeugnisse besser aussehen als sie schmecken. “ nicht weitergelesen.
    Nur noch wenige Tage und ich werde wieder original französische „Erzeugnisse“ zu mir nehmen.

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    1. Das ist durchaus ironisch überspitzt, das weiß ich auch. Aber zumindest die französische Vorliebe für Baisers und Makronenmassen geht mir völlig ab. In diesem Sinne: Genieß es. 🙂

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