Kinderfilme und Science Fiction, so kann man meinen Schwerpunkt als Filmbeschauer wohl beschreiben. Schön, dass ich das heute zusammenführen kann. Zumindest unser Held ist nämlich heute ein Kind. Und weil die singende Lehrerin einen Vergleich zum Buch gepostet hat, habe ich beschlossen, die Besprechung fertig zu machen und online zu stellen.

Quelle

Inhalt lt. amazon.de

Die Erde wird von einer feindlichen Alien-Rasse attackiert. Ohne den legendären Flotten-Kommandanten Mazer Rackham (Ben Kingsley) wäre bereits alles verloren. In Vorbereitung auf die nächste Attacke trainieren der hochangesehene Colonel Graff (Harrison Ford) und das Militär die besten Kinder, um den zukünftigen Mazer unter ihnen zu finden.
Ein schüchterner, aber strategisch brillanter Junge namens Ender Wiggin (Asa Butterfield) wird aus der Schule genommen, um der Elite beizutreten. Ender meistert unglaublich schwierige Kriegsspiele und wird von Graff als die neue große Hoffnung des Militärs erkoren, um eine epische Schlacht zu führen, die das Schicksal der Erde und der menschlichen Rasse bestimmen wird.

Erwachsene

Ich muss wohl vorweg sagen, dass ich die Bücher, die der Geschichte zugrunde liegen, nicht kenne. Das soll mich aber nicht daran hindern, eine vernichtende Kritik zu schreiben. Oder auch eine weniger vernichtende. Das liegt im Genre (Military SF) begründet, vor Allem aber im Verhalten der Erwachsenen.

Was so harmlos als futuristische Heldenerzählung daherkommt, ist eigentlich der perfide Versuch einer Apologie des Militärs. Das höchste Ziel für Kinder ist es, an die Militärakademie zu kommen. Das erreichen sie, indem sie einen Mythos der Heldenverehrung um einen legendären Kampfpiloten aufbauen. Die Botschaft der Erwachsenenwelt an die Kinder wird deutlich ausgesprochen: Wir suchen jemanden, der sich für das größere Wohl, den Fortbestand der Menschheit opfert.

Ein wenig Irritationspotential entsteht durch zwei Punkte: Die beiden Einrichtungsleiter kooperieren zwar, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Zuletzt stehen ihre beiden Prinzipien der Verantwortung der Menschheit und den Rekruten gegenüber im direkten Konflikt miteinander. Die Verantwortung den Rekruten gegenüber verliert. Zurecht, denn Harrison Ford, der das erstere Prinzip vertritt, ist ein beinahe väterlicher Freund für den kleinen Ender.

Der zweite Irritationspunkt ist die Etablierung eines Teams aus Querdenkern. In einer straff militärisch organsierten Einrichtung sollte das eigentlich ein Unding sein. Letztlich ist es aber nur ein beliebtes Klischee in der Military SF: Befehl und Gehorsam müssen unbedingt aufrecht erhalten werden, also geben wir den Sonderlingen eine Handvoll scheinbarer Freiheiten, solange sie tun, was wir von ihnen erwarten. Befehl und Gehorsam bleiben leitendes Prinzip.

Ender

Der Protagonist ist der Lichtblick des Films. Er ist Ender „Ich mache alles anders“ Wiggins, der Glücksjunge. Ender ist der leichtgläubige Junge, dessen Loyalität den Idealen seiner Welt gegenüber beinahe weh tut. Er musste sich immer durchkämpfen, sich unter Beweis stellen, um das zu erreichen, was er will: Ender will eigentlich nur gemocht werden. Seine Leichtgläubigkeit wird gnadenlos ausgenutzt, ihm wird alles, was er tut als Prüfung verkauft – und vor Allem als Spiel.

Ender ist die einzig anständige Figur in diesem durch und durch bitteren und düsteren Film. Ender weiß zu unterscheiden zwischen Gegner und Feind, Ender kennt Respekt, Toleranz und Humanität – Werte die seiner Menschheit mittlerweile abgekommen sind. Asa Butterfield spielt ihn großartig. Angst, Verzweiflung, Geistesblitze, Staunen, Begeisterung, Entschlossenheit, Gelassenheit, Wut, Reue, jedes Gefühl steht ihm ins Gesicht geschrieben. Sein Spiel ist eindrucksvoll. Wahrscheinlich könnte sich selbst eine 100jährige mehrfache Urgroßmutter vorstellen, Ender zu sein, so eindringlich ist seine Mimik.

Am Ende des Films steht ein Plädoyer für gegenseitiges Verstehen, das Anerkennen von Andersartigkeit und die Suche nach Menschlichkeit. Nachdem Ender durch die Hölle gegangen ist, wird das zu seiner Mission. Er ist die letzte Hoffnung der Menschheit, aber anders, als sich die Erwachsenen das gedacht haben.

Militär und Moral

Enders Game ist ein hochkomplexer Film. Die Parallelen zu DER Referenzgröße der Military SF (Starship Troopers) sind unübersehbar und gehen über den Klischeebestand (Der Feind rüstet, wir rüsten. Der einzelne zählt nicht. Militarisierte Entscheidungsträger.) hinaus, mit Werbespots und dem Brainbug-Modell wird deutlich, an wen hier erinnert werden soll.

Perfide ist der Film aus zwei Gründen: Bis kurz vor Schluss ist der Film Opfer der dargestellten Propaganda. Das Verhältnis von Ender zu Colonel Graff über den Film hinweg zeigt es eindrucksvoll. Wo Paul Verhoevens Starship Troopers die Vorlage immer wieder ironisch auf die Spitze treibt, nimmt sich Ender’s Game sehr ernst und glaubt sich selbst.

Der zweite Grund ist Ender. Der liebe, nette Junge. Der bis zum Schluss der liebe nette Junge bleibt. Enders Game ist eine Anleitung, wie man größte Verbrechen begehen kann ohne die Moral zu opfern, denn der Verbrecher bleibt schuldlos. Oder nicht? Oder ist er kein Verbrecher? Für eine Diskussion des Ganzen müsste ich das Ende verraten. Das will ich nicht. Nur so viel: In meinen Augen ist Ender in der Tat ein schuldloser Verbrecher, aber die Moral wird dennoch geopfert: Im gesamten Film bis Ender sein Verbrechen begeht.

Ender’s Game ist ein großartiges Stück Military SF. Zugegeben, ein sehr spezielles Genre, das man mögen muss, obwohl es oftmals widerlich ist. Das schöne an der Military SF sind die Fragen, die sich zwischen den „Zeilen“ auftun, wenn man in die Abgründe der geschaffenen Welt blickt. Wer ihn noch nicht gesehen hat, möge das dringendst nachholen – Kinder aber bitte nur in Begleitung von Erwachsenen mit anschließender Diskussion. Denn ein Kinderfilm ist das ganz gewiss nicht.

Wer ihn gesehen hat, kann sich ja in den Kommentaren an den Fragen zu Schuld und Moral versuchen. Da können wir bitte unbedingt auch spoilern. Wer vorher guckt, ist selber schuld.

4 Kommentare zu „Besprechung: Ender’s Game – Das große Spiel

  1. Ich hatte aufgrund der Besetzung erst Hoffnung, dass da wohl ein großartiger Film bei rauskommt, zwischendrin war ich mir auf einmal nicht mehr sicher. Aber vielleicht schaue ich mir den tatsächlich einmal an. Ford, Davis, Kingsley und Breslin sind in meinen Augen allesamt großartig. Da hätte es mich gewundert, wenn bei einem solchen Projekt Schund raus gekommen wäre. Auch wenn es überhaupt nicht mein Genre ist, vielleicht schlage ich es dem Liebsten für unseren wöchentlichen Filmabend vor. 🙂 Danke!

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    1. Zumindest von Ben Kingsley sieht man im Film eigentlich nicht so viel. Ist sicherlich nicht der beste Film auf Erden, aber er hat Dinge geschafft, die die wenigsten Hollywood-Produktionen hinbekommen: Eine ziemlich verzwickte Frage aufzuwerfen.

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    1. Ich habe das Medienecho nicht so sehr verfolgt. Bei Buchverfilmungen stellt sich dann auch die Frage, wer von den Kommentatoren das Buch kennt. Ich sehe es ja bei mir: Mit Buchverfilmungen, die meinen Vorstellungen nicht entsprechen, gehe ich mitunter recht hart ins Gericht, selbst wenn sie als eigenständiger Film betrachtet gut gemacht sind.
      Ich habe bei der singenden Lehrerin gelesen, die auf einige (durchaus markante) Unterschiede hingewiesen hat und kann es dann auch nachvollziehen. Wenn man die Bücher hingegen nicht kennt, ist Ender’s Game wunderbar für ein Proseminar in Praktischer Philosophie geeignet. Und das ist für nen Hollywoodstreifen nicht selbstverständlich. *g*

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