Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Presse konnte ich entnehmen, dass Sie in Ihrer Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit Bedarf an Menschen haben, die mit Redewendungen umgehen können. Ich habe schon immer versucht, ein Freund und Helfer zu sein, deshalb möchte ich nun Ihr Freund und Helfer sein und bewerbe mich als Pressesprecher bei der Polizei München.

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Wenn aus der Sache hier nichts wird, bewerbe ich mich hiermit gern auch als „Stacheldraht-mit-Laub-Verzierer“

 

Sie hätten diese Stelle schon viel früher ausschreiben sollen, statt auf meine Initiativ-Bewerbung zu warten. Ich bin mir sicher, dass es in Deutschland viele Menschen gibt, die gut mit der deutschen Sprache umgehen können. Für eine entsprechende Hintergrundprüfung geeigneter Kandidaten stehen die Betreiber der Floskelwolke sicherlich gern bereit, fragen Sie einfach nach. Da Sie sich dagegen entschieden haben, nehme ich an, dass Sie wenig Zeit haben. Ich möchte Sie deshalb auch nicht mit einer Auflistung meiner Fähigkeiten anöden, sondern Sie mit einer fiktiven Arbeitsprobe überzeugen.

Hätten Sie mich am 31.12. unter Vertrag gehabt, hätte ich die Presse von den geplanten Vorgängen in der Stadt unterrichtet. Ich hätte gesagt: „Wir haben konkrete Hinweise auf geplante Attentate in München erhalten. Wir nutzen alle Möglichkeiten, diese Attentate zu vereiteln. Art und Inhalt der Hinweise haben uns dazu bewogen, die Öffentlichkeit zu informieren. Wir werden Sie sofort informieren, wenn es weitere Erkenntnisse gibt, die unsere Maßnahmen nicht gefährden.“ Und wenn Sie unbedingt ein Bild in der Erklärung haben möchten, könnten wir auch sagen „Art und Inhalt […] zu informieren und nicht unter der Decke zu halten.“

Ich gebe zu, das ist nicht kurz, aber es ist schnörkellos. Für meine Variante spricht, dass ich keinen Grund für abwegige Spekulationen liefere. Dazu sollte es bei einer Situation wie der in der Silvesternacht keinen Grund geben. Deshalb rate ich auch von der Verwendung des Bildes mit der Decke in diesem Fall ab.

Mit mir hätten Sie einen geeigneten Kandidaten für die Position des Pressesprechers gekommen. Nie im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, von „Hinweisen“ zu sprechen, „die wir nicht unter den Teppich kehren können.“ Dafür habe ich zwei gute Gründe.

Der erste Grund ist, dass das verwendete Bild ein Synonym für „vertuschen“ ist. Ich hätte also nicht gesagt: „Wir haben konkrete Hinweise, die wir nicht vertuschen können.“ Denn damit würde ich den Eindruck erwecken, die Polizei neige dazu, Hinweise zu vertuschen, um bei etwaigem Versagen die Schuld bei anderen Institutionen zu suchen, die sie nicht rechtzeitig informiert habe. Ein vernünftig denkender Mensch mit durchschnittlichem Glauben an den Rechtsstaat würde die verwendete Formulierung für einen sprachlichen Fehlgriff halten, aber Ihr Glaube in allen Ehren: Don’t feed the trolls! In diesem Fall: Man sollte es den Verschwörungstheoretikern nicht zu leicht machen und sie zumindest nicht aktiv auf dumme Gedanken bringen. Nicht als Polizei.

Der zweite Grund ist das Wort „können“. Aufbauend auf der ersten Überlegung legen Sie nämlich den Schluss nahe, dass die Polizei ihre Vertuschungsfähigkeit sehr genau kennt und als Mittel einsetzt, wo sie nur kann. Aus dem Verdacht wird eine Tatsache: Sie wollen es zwar tun, aber Sie wissen, dass Sie damit keinen Erfolg haben werden. Deshalb haben Sie die Unverfrorenheit, die Wahrheit als Tarnung zu benutzen, denn – ich zitiere Max Frisch: Biedermann und die Brandstifter – „Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste: Sentimentalität. Aber die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit.“

Sehr geehrte Personalverantwortliche bei der Polizei München, ich bin kein Verschwörungstheoretiker. Und weil

  1. man Trolle nicht füttern soll,
  2. ich das Thema tendentiell zu ernst für eine Glosse halte,

wollte ich das hier eigentlich gar nicht schreiben. Die Idee kam mir bereits in der Silvesternacht und ich schreibe diesen Artikel nur, um mein Gewissen zu beruhigen. Die misslungene Formulierung Ihrer Sprecherin hat mich nämlich bis in meine Träume verfolgt und dort Worthülsen unter einen riesigen Perserteppich gekehrt, obwohl deutlich zu sehen war, dass dort bereits viele Worthülsen lagen. Wenn Sie also ein Interesse daran haben, den Müllberg nicht weiter anwachsen zu lassen, dürfen Sie gern eine Einladung zum Vorstellungsgespräch in den Kommentaren hinterlassen. Ich wäre gern der Freund und Helfer meiner Freunde und Helfer.

 

Mit freundlichen Grüßen

Zeilen-„Für Phrasen kommen 5€ ins Schweinchen“-ende.

 

P.S.: Wenn Sie eine passende Phrase haben wollen, versuchen Sie es mal mit „beiseite kehren“.

6 Kommentare zu „Bewerbung: Pressesprecher Polizei München

    1. Danke für den Zuspruch. Ich hatte vor Veröffentlichung ein wenig Angst, dass ich plötzlich lauter Verschwörungstheoretiker in meinen Kommentaren hätte, obwohl ich nur ein wenig Sprachkritik treibe. Ist offenbar gut gegangen.

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    1. Puh, Glück gehabt. Man weiß bei solchen Texten ja nie, ob sie nicht aus anderer Perspektive überzogen, einfältig, falsch und/oder albern ankommen. Oder noch schlimmer, an den falschen Stellen ernst genommen werden.
      Danke. 🙂

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