Ein Kassenautomat ist ein Automat, der die Kundschaft zur Kasse bittet. Das tut er leidlich gut, sorgt aber immer wieder für wahre Begeisterungsstürme.

Als es hieß, wir bekämen einen Kassenautomaten, brach ich in wahre Begeisterungsstürme aus. Ich fragte sogleich nach, ob die Kolleginnen auch daran gedacht hätten, ihn mit Pneus auszustatten und gut zu federn. Der Bereich vor unserem Eingang ist gepflastert. Wenn er darüber fahren sollte und schlecht gefedert sei, fiele er am Ende um.

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Kies, Schotter … Das nimmt der Blechkamerad aber noch nicht an.

Einige verständnislose Blicke der Kolleginnen bedeuteten mir, dass ich etwas gründlich falsch verstanden haben musste. Ich dachte bei Kassenautomat an einen neuen Roboterkollegen, der säumige Mahngebührenzahler*innen zu Hause aufsuchen und zur Kasse bitten würde. Mit vorgehaltener Goethe-Werkausgabe. Man stelle sich vor, ein Kassenautomat steht plötzlich im Wohnzimmer und schnarrt blechern: „Bitte zahlen Sie sofort ihre ausstehenden Mahngebühren oder Sie bekommen Faust auf Faust II an den Kopf geworfen.“

Nun, ganz so cool ist unser Kassenautomat nicht geworden. Ist ein ziemlich unflexibler Geselle, steht in einer Ecke und wird von den Kund*innen nicht so sehr geliebt. Aber er spart Mühen. Nach jeder Schicht die Kasse zu zählen ist großer Aufwand. Und wenn in vier Stunden Thekendienst mehr als drei Leute ihre Gebühren mit 50€-Scheinen begleichen wollen, stehen wir unter Umständen dumm da. Mit Grauen denke ich an die krummen Beträge, die wir zwischenzeitlich kassieren mussten, weil zu den Mahngebühren Portokosten aufgeschlagen wurden.

Unser Kassenautomat ist also ein geschätzter Kollege, aber er hat einen schwierigen Charakter. Das ist vielleicht zu viel gesagt, aber pflegeleicht ist er auch nicht. So passierte es mir bei meiner ersten Begegnung mit ihm, dass er mein Geld nicht annehmen wollte. Ich warf ein 2€-Stück hinein, es fiel durch. Ich warf es wieder ein, es fiel erneut durch. Ich wiederholte die Prozedur. Mehrfach. Ich versuchte es mit anderen Münzen. Er hatte kein Interesse an meinem Geld. Ich überlegte, ob der Kassenautomat mir mitteilen wollte, die Gebühr sei erlassen worden. Denkste! Man muss auf den Betrag drücken, bevor man zahlen kann. Das hatte ich nach fünf Minuten Beschäftigungstherapie (Ich bin hartnäckig!) herausgefunden.

Seit dieser Erfahrung weise ich Kund*innen immer auf das besondere Feature des Kassenautomaten hin. Die nicken dann verständnisvoll, denken sich aber insgeheim meistens: „Ist doch klar, dass man es so machen muss. Wieso erklärt der Herr Zeilenende mir das? Hält der mich für doof?“ Ich verstehe die Blicke bei der Erläuterung der Funktionsweise zumindest so. Und dann fühle ich mich doof. Das wächst sich noch zum Trauma aus, fürchte ich.

Unser Kassenautomat hat noch ein weiteres Feature. Er ist ein unheimlich modernes Gerät mit politischen Ansichten. Von Zeit zu Zeit wird über den Sinn und Unsinn von Kleingeld und solchen Preisen wie 99ct. gestritten. Dadurch müssen Münzen im Wert von 1 und 2 Cent geprägt werden, deren Produktion in keinem Verhältnis zum Nennwert der Münze steht. Manche Läden runden deshalb ihre Beträge ab. So auch wir.

Wenn ein Buch ersetzt werden muss, das 9,99€ gekostet hat, wird der Buchwert mit 9,90€ angesetzt. Das hat nichts mit den Abnutzungserscheinungen an unseren Büchern zu tun, sondern mit der politischen Agenda des Kassenautomaten. Er hält die Herstellung von Kleinstmünzen für Verschwendung öffentlicher Gelder und stellt den Betrieb ein, wenn er krumme Beträge kassieren soll. Ich habe ihn einmal sogar dabei erwischt, wie er ein Transparent malte und damit durch den Lesesaal rollte: „Rund ist schön!“ stand darauf zu lesen. Und weil er um seine Allmacht weiß, ohne ihn keine Gebühren kassieren zu können, beugen wir uns. Da sage einer, die Maschinen hätten keinen Einfluss auf unsere Gesellschaft.

Zugegeben, als ich ihn zur Rede stellen wollte, ob die Chefin ihm erlaubt habe, während der Arbeitszeit zu demonstrieren, fand ich mich plötzlich in meinem Bett wieder, aber bei meiner nächsten Begegnung mit dem Kassenautomat habe ich gesehen, wie er ganz schnell ein Transparent hinter seinem Rücken verborgen hat.

16 Kommentare zu „Technik: Kassenautomat

  1. Klingt, als stünde die Rebellion der Maschinen kurz bevor 😀
    Aber immerhin akzeptiert der Automat überhaupt noch Bargeld. Bei meiner ersten Begegnung mit einem schwedischen Tankstellenautomaten wäre das sehr hilfreich gewesen, stattdessen erschienen beim Versuch der Kreditkartenzahlung lediglich irgendwelche schwedischen Fehlermeldungen, die mich immer ratloser machten. 😀

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    1. Sie ist schon da, wenn ich mir deinen Bericht so anschaue. Der Geselle ist ja noch anspruchsvoller als unserer. Bei dem staunt die Kundschaft sogar, dass er eC nimmt. Das sind die von den hiesigen Fahrkartenautomaten (DB ausgenommen) gar nicht gewöhnt.

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    1. Er hat tatsächlich ein rot leuchtendes Auge, damit wird der Barcode auf den Ausweisen eingelesen (angeblich). Meine Bemerkungen diesbezüglich versteht nur leider niemand. *g* Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass es wirklich HAL ist. Aber ich bleibe wachsam.

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  2. Heisse ihn willkommen. Lade ihn zu dir nach Haus ein. Bringe ihm Kekse mit.
    Natürlich hat er einen vollkommen anderen kulturellen Hintergrund als du, aber he….das kann doch auch spannend sein. Vielleicht werdet ihr noch ziemlich gute Freunde?
    Wir haben mehrere Kassenautomaten in unserem Bekanntenkreis, die haben sich prima integriert und ich möchte sie nicht missen.

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    1. Vom Frühaufsteher mal abgesehen ist er schon mein Lieblingskollege. Aber da stellen sich doch noch ein paar Fragen: Was, wenn er meinem Teddy nicht die Hand schütteln will, seine Frau hinter einer Firewall verbirgt? Und was ist mit den Speisevorschriften? Wenn ich in dem Topf für Eurosuppe schon mal Rubeleintopf gekocht habe?

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