DVDs einzustellen ist definitiv mein Job. Meine Lektüre beschränkt sich weiterhin auf News und Sachbücher, aber so ein kleiner Film zwischendurch geht immer. Bei der Medienkontrolle finde ich immer das ein oder andere Schätzchen, das ich irritierenderweise noch nicht kenne. Deshalb machen wir heute einen Ausflug nach Schottland.

Kurzbeschreibung lt. amazon.de

Inmitten der rauen Wildnis Schottlands träumt die junge Königstochter und talentierte Bogenschützin Merida von Freiheit und Selbstbestimmung. Doch damit setzt sie die Familientradition aufs Spiel. Ein magischer Fluch fordert all ihre Kräfte und ihren Mut, wenn sie ihre Familie und das Königreich retten will…

Animierte Menschen

Ich mag animierte Menschen eigentlich nicht so gern, es sei denn, die Menschen sind schon eine Zeichentrickvorlage oder sind Teil einer fantastischen Welt. Asterix ist okay, weil Zeichentrickvorlage, Menschen bei Shreck sind okay, weil zahllose Märchenfiguren. Die Legende von Beowulf hingegen war deprimierend schlecht und selbst die sporadisch auftretenden Menschen in Ice Age finde ich furchtbar.

Merida muss also gegen einen Malus ankämpfen: Von einigen Tieren abgesehen gibt es in diesem Film nur Menschen. Glücklicherweise waren die Macher bei Disney sich des Problems bewusst, dass animierte Menschen tendentiell albern aussehen und haben das als Stilmittel eingesetzt. Ist ja auch ein Kinderfilm. Die Menschen in Merida sind deshalb gnadenlos überzeichnet und eindeutig als Karikaturen verschiedener stereotyper Vorstellungen von Highlandern zu erkennen. So machen die animierten Menschen nicht nur Kindern, sondern auch dem Zeilenende Spaß.

Merida

Die Protagonistin ist ein Wildfang. Sie ist ein junges Mädchen, sie macht Anleihen bei Robin Hood (das führt zu einer sehr coolen Pfeilspaltsequenz) und sie hat mit typischen Mädchenproblemen zu kämpfen. Ihre Mutter möchte sie ganz nach ihrem Vorbild formen und sie in das klassische Rollenklischee einer Prinzessin zwingen. Wie die Mutter sagt: „Es geht um eine Hochzeit und nicht um das Ende der Welt!“ Aber Merida liebt ihre Freiheit und hat natürlich keine Lust auf so einen Mädchenkram.

So weit, so mädchenhaft. Heldinnen in Disney-Filmen und damit weibliche Identifikationsfiguren sind in Disney-Filmen ja eher rar gesät. Schneewittchen bspw. ist vor Allem passives Opfer und bietet sich als Vorbild für ein weibliches Publikum kaum an. Hier besteht also ein Mangel. Mädchen haben sich damit meiner Beobachtung nach arrangiert und übernehmen auch die männlichen Helden als Rollenvorbilder und Identifikationsfiguren, aber ein Missverhältnis bleibt bestehen.

Disney beweist mit Merida nun, dass Mädchen als Helden im Animationsfilm genau so gut funktionieren wie Jungs. Die Lektion ist: Es muss nicht immer ein männlicher Oger, Fisch oder Spielzeug-Cowboy sein. Merida hat typische Mädchenprobleme, ja. Aber auch Jungs müssen sich mit Rollenerwartungen herumärgern, Rollen übernehmen oder sich ihnen widersetzen. Und Merida ist Wildfang genug, um einfach nur Kind zu sein. Sie ist damit  für Kinder insgesamt eine anschlussfähige Figur. Kein Junge muss denken: Ih, da ist ja ein Mädchen der Held. Dafür ist Merida viel zu cool.

Die Story

Merida erzählt eine klassische Geschichte: Prinzessin, Heirat, gegen ihren Willen, ausreißen, Versuch sich zu widersetzen, Magie, Fehlschlag, wertvolle Lektion. So oder so ähnlich ist das in unzähligen Variationen durch die gesamte Literaturgeschichte hinweg exzerziert worden. Das Gute an der Geschichte ist: Sie funktioniert eigentlich immer, es kommt nur darauf an, sie nicht allzu stereotyp zu erzählen. Im Großen und Ganzen gelingt Disney dies mit Merida auch: Die Geschichte ist solide und wird mit vielen lustigen Details erzählt. Das ist es ja, was Disney-Animationsfilme so besonders macht. Wir haben

  • Einen König, der seinem holden Weib schon in der Eröffnungs-Sequenz ganz ungeniert an den Hintern grapscht
  • haufenweise Keilerei
  • Meridas flausenbehaftete kleine Brüder, die immer für einen Tumult sorgen und einen erstaunlichen, märchenhaften Wandel mitmachen
  • Das Thema „Schottenröcke und Unterwäsche“
  • Einen ausgesprochen eitlen Bären
  • Einen Hexenkessel als Telefon-Automat
  • und für die älteren Zuschauer: Die Krähe als Sidekick der Hexe ist ganz klar eine Hommage an Merlins Archimedes aus „Die Hexe und der Zauberer“

Merida endet natürlich mit einer Lektion: Am Ende wird zwar nicht alles gut, denn aus der Heiratsnummer kommt Merida nicht raus. Aber alles wird ein wenig besser, weil Merida lernt, dass man manchmal umdenken und seinen Blickwinkel ändern muss, um die Umstände ändern zu können. Damit verbindet Disney das typische Happy End mit einer realistischen Note, ohne kitschig zu werden. Vor 20 Jahren wäre der Film wahrscheinlich noch so ausgegangen, dass sie sich doch verliebt und es eine Hochzeit gibt.

 

Langweil, Kurzweil

Disneys Highlanderfilm hat nur eine Schwäche. Insgesamt flüssig konzipiert, kommt es mit dem letzten Drittel des Films zu einer Entwicklung, die ziemlich gewollt wirkt und nicht so ganz ins Konzept passt. Diese Entwicklung wird genutzt, um vor dem großen Finale noch schnell die Geschichte hinter der Geschichte im Film zu erzählen, also ein mythisches Element einzubauen. Leider wirkt die Geschichte, so wie sie erzählt wird, wie ein Fremdkörper, Marke: „Wir müssen irgendwie auf 90 Minuten kommen.“ Da hätte man besser den zusätzlich produzierten Kurzfilm, der als Bonusmaterial auf der DVD enthalten ist, irgendwie in den Film integriert.

Darüber kann man allerdings hinwegsehen, wenn ich mir die Masse an positiven Punkten anschaue. „Merida – Legende der Highlands“ ist ein großer Spaß für die ganze Familie, lustig, nachdenklich, spannend. Die Gruselmomente des Films funktionieren auch bei Erwachsenen – ich habe es an Mutter Zeilenende erlebt, die vor Schreck hin und wieder einen spitzen Schrei ausstieß. Deshalb gibt es auch heute eine klare Schau-Empfehlung verbunden mit dem Hinweis, sich den GANZEN Film anzuschauen, denn am Schluss … Da war doch was. Großartiges Ende!

9 Kommentare zu „Besprechung: Merida – Legende der Highlands

      1. Ich traue Dir zu, dass das kein Zufall ist.
        Ich dachte bei „Aus und vorbei“ auch schon: „Hallooo? Hilfe, der liest in meinem Kopf mit!!!“.
        Gibs einfach zu :).

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