In der heutigen Fall des Proust-Fragebogens geht es nicht ins Kunstmuseum, sondern wir plaudern allgemein über Kunst, genau genommen über die Malerei. Aber das auch nur, weil das Buchfresserchen nach Bücher-Lese-Jahres-Challenges gefragt hat und ich in diesem Jahr nur „frei Schnauze“ lese.
Ich muss mein Eingeständnis vom letzten Mal wiederholen: Die Codes der Malerei verstehe ich nur sehr rudimentär. Alltagsbilder zu dechiffrieren fällt mir nicht schwer, daraufhin werden wir in der Werbung, in Film und Fernsehen ja erzogen. Für bewegte Bilder verfüge ich zudem über analytisches Handwerkszeug. Ich kann, wenn es sein muss, eine Serienepisode auf Basis der gewählten Kameraeinstellungen interpretieren. Vor Malereien stehe ich hingegen zumeist sprachlos.
Das ist nicht weiter schlimm, denn ein wesentlicher Aspekt der Kunst ist es, sich der kleinteiligen Analyse zu entziehen. Wenn überhaupt, ist ein Bild zur Interpretation gedacht, aber als Kunst-Werk hat es seinen Zweck in sich selbst. Es will betrachtet werden und schön sein. Wie es das macht? Diese Frage zu beantworten ist die Aufgabe der Ästhetik. Eine mich überzeugende Antwort habe ich trotz intensiver Auseinandersetzung mit verschiedenen Ansätzen bislang nicht gefunden. Ich erspare euch deshalb meine eigene kleine Kunsttheorie.
Stattdessen nenne ich zwei Maler und versuche zu erklären, warum mir ihre Kunst so gefällt. Der erste Name ist der von Andy Warhol. Man mag das, was er gemacht hat, trivial finden, vielleicht auch albern oder nichtssagend. Wenn wir an Campbell’s-Suppendosen denken, lassen mich diese Bilder grinsen. Es ist ja nicht so, dass Warhol Gegenstände abgemalt hat, sondern Bilder gemalt hat. Die Gestaltung eines Produkts ist mehr oder weniger durchdacht, dient aber immer als Verkaufsargument und sei es, dass sie den Inhalt anpreist. Warhol hat die Werbegestaltung zur Kunst erhoben und die Ästhetik des Produktmarketings museabel gemacht. Seine Portraits sind für mich keine Portraits, sondern riesige Werbetafeln. Und die Idee finde ich so bestechend, dass sie mir gefällt.
Der zweite Name ist Caspar David Friedrich. Er ist ein wenig verschrien als Maler klischeehafter deutscher Befindlichkeiten, positiv gewendet wird er als Darsteller der deutschen Seele gefeiert. Ich bin mit beiden Bezeichnungen nicht sehr glücklich. Wer Klischees mag, findet bei Carl Spitzweg sicher besseres Anschauungsmaterial. Vielleicht tue ich Spitzweg damit Unrecht, aber ich mag ihn nunmal nicht. Was die „deutsche Seele“ betrifft, so frage ich mich, was der Begriff soll.
Friedrich ist für mich einfach ein großer Künstler, der mich bewegt. In den Bildern steckt so viel Sehnsucht, wie bei der Frau am Fenster, in anderen Bildern steckt eine große Ruhe und Frieden. Immer jedoch sind sie überwältigend. Ich kann den Wanderer über dem Nebelmeer stundenlang betrachten und mich an dem Bild einfach nur erfreuen. Ich bin nicht damit beschäftigt, es verstehen zu wollen, es analytisch zu zerlegen oder sonstige intellektuelle Dinge damit anzustellen. Friedrich ist der Maler, bei dem ich allein schauen kann.
Mein liebstes Bild steht recht deutlich dafür: Die Lebensstufen. Eigentlich ein allegorisches Bild und bestimmt mit einer Botschaft versehen. Ich habe auch schon mehrfach versucht, es zu deuten und zu verstehen. Es klappt nie, denn sobald ich auch nur an das Bild denke, spannt es sich vor meinem inneren Auge auf und ich beginne zu schauen. Das Denken ist ausgestellt, das Bild entzieht sich jeder intellektuellen Zergliederung und bleibt für mich Bild. Das ist eine Leistung, die ich nurbewundern kann.
Ein Kommentar zu „Proust-Fragebogen: Ihr Lieblingsmaler?“