Ein Blick aufs Personal: Mutter Zeilenende hat derzeit keine Wehwehchen, Herr Zeilenende Sr. ist genau so verplant wie immer, zu Bruderherz sage ich einfach mal nix (das würde Bücher füllen) und Nesthäkchen sehe ich etwa 1x pro Woche (obwohl wir uns die Etage teilen), die geflügelten Ratten liegen den ganzen Tag faul rum und machen mir höchstens mal das Foto-Modell, kurzum: Der Zeilenendesche Haushalt boykottiert mein Ansinnen, seinen Alltag zu dramatisieren. Was tut der ambitionierte Blogger? Er führt einen neuen Charakter ein. Oder besser gleich zwei.


Da ihr euch weigert, meinem neuen Lieblingskollegen einen passenden Spitznamen zu geben und mir „Lieblingskollege“ zu lang ist … Okay, ich habe über ihn ja auch noch nichts erzählt, wendet ihr jetzt wahrscheinlich ein, aber das ist keine Entschuldigung für mangelnden Einsatz! … Wo war ich? Mitten im Satz abzuschweifen ist echt anstrengend. Seht ihr mal, was ihr mit mir macht! Ich war gerade dabei, mich zu echauffieren, richtig? Also, diese Blagen heute … Nein, davon erzähl ich euch ein andermal. Ich fange nochmal neu an.
Mein Blog braucht mehr Mobiliar, deshalb präsentiere ich euch heute: Meinen Cousin. Er ist drei Jahre jünger als ich und das schwarze Schaf. Ständig unzufrieden mit sich und der Welt, hin und wieder mit Geldproblemen geschlagen, antriebslos, sprunghaft und unzuverlässig. Ich mag ihn gern. Der Rest der Familie hält ihn für bescheuert, weil er so gar nicht dem entspricht, was sie gern hätten. Samsa ist ein passendes Pseudonym.
Samsa und ich haben unsere Kindheit zu weiten Teilen gemeinsam verbracht, das erklärt wohl unsere Verbundenheit. Aber manchmal schüttele auch ich den Kopf über Samsa. Ja, wir reden auch nicht viel miteinander, das liegt aber eher daran, dass wir uns meist wortlos verstehen. Da genügt meist ein Blick und wir können uns ein stundenlanges Gespräch sparen. Doch jetzt hat Samsa eine neue Freundin.
Samsa und die Frauen ist ein Buch wert. Zahllose Anekdoten am Geburtstagskaffeetisch leben von Samsas Exfreundinnen. Berechtigterweise, denn da hat er wirklich kein Händchen. Manchmal bin ich versucht, loszuziehen und ihm eine passende Frau zu suchen. Aber seine neue Freundin toppt echt alles. Ich kenne auch sie schon bestimmt seit zehn Jahren. Als ich erfuhr, dass die beiden zusammen seien, fiel mir erst einmal die Kinnlade so tief herunter, dass ich ein Loch graben musste, um sie wieder zu finden. Aber wie heißt es so schön: Gleich und gleich, unstet und unstet gesellt sich gern. Seine Freundin ist laut, überdreht, redet viel und gern, hört aber nicht gern zu. Sobald sie nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, öffnet sich unter ihr ein Loch, in dem sie verschwindet. Sie packt dann ihren Game Boy aus und beginnt zu spielen. Dann ist sie nicht mehr ansprechbar.
So viel vielleicht zur Portraitierung der Beiden. Stellt euch vor, sie seien wirklich genau so … Dann stellt euch eine überdrehte Karikatur der beiden Figuren vor (ja, sie hat wirklich blaue Haare) und ihr seid nah dran an der Realität. Was ich euch aber eigentlich erzählen wollte, ist eine kurze Anekdote. Von daher muss ich mich erst einmal selber loben, dass sie solch einen ausufernden Beitrag produziert hat. Die Anekdote ist die Folgende: Samsas Freundin (ich glaub nicht an die Dauerhaftigkeit der Beziehung, deshalb spare ich mir einen eigenen Spitznamen für sie) hat einen Studienplatz in Süddeutschland bekommen. Irgendwas mit Biologie und einer Spezialisierung auf Meeresbiologie oder Walforschung … Irgendwas mit Tieren im Wasser jedenfalls, ihrem Steckenpferd. Aber weit weg von hier. Sie ist vor zwei Wochen dort hingefahren, um sich einzuschreiben. Samsa hat sie begleitet. Bald geht es los.
Samsa ist ein liebevoller Kerl. Er hat sich eine Bahncard gekauft, damit er sie häufiger besuchen kann. Ich fand die Geste süß, weil ich weiß, wie schwer es Samsa fällt, derart initiativ zu werden. Samsas Freundin hat die Zeit aber auch genutzt. Als sie den Studienplatz ergattert hatte, war sie mit Samsa noch nicht zusammen, frische Liebe also. Sie, von Zweifeln geplagt, ob sie es so lang ohne ihren Samsa aushalten könne, sagt den Studienplatz wieder ab. Ab hier habe ich die Sache noch nicht ganz verstanden, sie hat sich wohl für etwas ähnliches in der Region eingeschrieben. Es wird undeutlich, weil ich das Geschehen nur von Mutter Zeilenende kenne, Samsa und ich haben uns noch nicht angeblickt. Aber statt die ganze Sache romantisch zu sehen, übernimmt Mutter Zeilenende meine Rolle, die des unromantischen Holzhammers, Zitat: „Sowas kindisches, können die nicht vorher mal miteinander reden? Die könnense doch nicht mehr alle haben, beide nicht.“ In Bezug auf Samsas Freundin bin ich geneigt, ihr zuzustimmen, aber der arme Samsa wollte doch nur liebevoll sein. Das wird geflissentlich übersehen. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass ich meinen absoluten Mangel an romantischem Gespür Mutter Zeilenende zu verdanken habe.

Ups, da ist doch das bekannte Personal noch in den Beitrag gerutscht. Bevor der Rest sich auch noch reinschummelt, Herr Zeilenende Sr. läuft nämlich auch schon kopflos vor der Tür auf und ab, weil er seinen USB-Stick mit den „interessanten“ Dokumentationen für den Biologie-Unterricht verloren hat, ende ich lieber mit meiner Forderung: Bahncardkostenrückerstattung für Samsa!

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Wie gesagt, ich find die Sache süß …

9 Kommentare zu „Pilcher oder Kafka?

  1. Wir geneigten Leser dürfen also gespannt sein wie das Leid….äh…Lied….also…äh…die Liebe weitergeht….

    Spätestens ab „Da genügt meist ein Blick und wir können uns ein stundenlanges Gespräch sparen“ ist klar, sollte man es nicht schon vorher gewusst oder geahnt haben, das Zeilenende männlich ist….denn diese Gesprächshaltung würde ich mal einer hohen Prozentzahl von Männern attestieren….min Jotte näi….das meine Klischees aber auch überall reinrutschen müssen…dumme Tastatur dumme…..tzzzzz….

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    1. Nicht nur ihr, ich bin auch gespannt. Muster wiederholen sich. Was die Gesprächshaltung indes angeht, ist mein Cousin ein Sonderfall. Männer schweigen sich meiner Erfahrung nach meistens nur an, weil sie gern schweigen.

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        1. Was Samsa angeht, erzählt er nicht so gern, weil er sich ständig rechtfertigen muss. Egal was er macht, irgendjemand in der Familie wird ihn deshalb schimpfen. Deshalb hält er die Klappe. Aber wenn es drängt, redet er durchaus. Von daher habe ich einen guten Einblick. Und ich kenne ihn verdammt gut. Es gibt nur wenig Blödsinn, den wir nicht gemeinsam getrieben haben.

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