Besprechung: Maleficent

Wenn ich einen schlechten Tag habe, denke ich mir alberne Verwünschungen aus. Anschließend vollführe ich ein magisches Ritual, um sie wirksam zu machen. Aber ich stehe dann auch dazu. Und seitdem ich wieder an der Verleihtheke arbeite, verirren sich auch wieder DVDs auf mein Benutzerkonto. Heute dürft ihr davon profitieren.

Maleficent, die böse Fee in der Disney-Version von Dornröschen, ist eine furchterregende Kreatur. In Disneys Zeichentrickfilmen gab es meines Erachtens keine gruseligere Schurkin. Egal ob Madame Medusa, Cruella DeVil oder die böse Königin aus Schneewittchen, das sind alles Waisentöchter im Vergleich zu Maleficent. Die Idee, ihre Ehre zu retten und Dornröschens Geschichte aus ihrer Perspektive zu erzählen, ist gewagt.

Um erfolgreich sein zu können, muss der Film zweierlei leisten: Er muss Maleficent als angemessene Heldin und missverstandene Figur verstehen, gleichzeitig muss er sie aber als furchterregende Schurkin präsentieren, will er sie nicht der Lächerlichkeit preisgegeben. Um das Resultat vorweg zu nehmen: Das gelingt dem Film großartig.

Mit Maleficent hat Disney unter Beweis gestellt, dass der Konzern immer noch großartige Märchen produzieren kann. Die Optik des Films ist großartig, reicht vom finstersten Ort bis zum zuckerwatterosafarbenen Märchenland und kennt alle Schattierungen dazwischen. Kein Wunder, Regisseur Robert Stromberg kommt aus dem Visual-Effects- und Szenenbildner-Lager, hat an Sky Captain, Alice im Wunderland, Die zauberhafte Welt von Oz und … ja … Avatar (an dem nur die Optik gut war!) mitgearbeitet. Die Schauspieler*innen leisten hervorragende Arbeit und das Drehbuch (Linda Woolverton kennt den klassischen Disney-Ton) ist ebenfalls gelungen.

Bis auf eine Kleinigkeit ist die Geschichte großartig erzählt: König Stefan bleibt seltsam blass. Er wirkt wie der misslungene Versuch, Macbeth ins Märchenland zu verlegen. Aber das ist zu verschmerzen, weil er im Film nicht der Antagonist ist sondern nur Nebenfigur. Maleficent übernimmt beide Rollen: Sie ist Heldin und sie ist Schurkin, ihre eigene Antagonistin. Eine willensstarke, unabhängige und freiheitsliebende Fee, die zu Großem fähig ist, im Guten wie im Bösen. Beides stellt sie unter Beweis. Am Ende besiegt sie sich selbst, das Gute in ihr besiegt das Böse. Damit stellt Disney den neuen Stoff in die alte Tradition des Märchens, psychologische Prozesse in eine Geschichte zu verwandeln: Der Mensch ist weder gut noch böse, aber zu beidem fähig. Die Kombination aus offenen Anlagen und Umständen bringen ihn dazu, Böses zu tun, geben ihm aber auch die Macht, umzudenken und sich für das Gute zu entscheiden. Maleficent ist die Inkarnation der Reue, die bereit ist sich selbst zu opfern, um das Unheil zu bekämpfen, das sie angerichtet hat.

Disney setzt auf große Gefühle. Es ist wie im klassischen Drama. Im Moment der höchsten Verzweiflung, als Maleficent ihr Scheitern einsehen, sie als gebrochene Heldin vom Platz gehen muss, vollzieht sich eine Wende. Ihr Scheitern reinigt sie und gibt ihr neue Kraft.

Das mag melodramatisch und reichlich ernst klingen, ein wenig wie filmgewordene Existenzphilosophie. Maleficent birgt viele Tiefen, gleichzeitig ist der Film aber unterhaltsam. Das macht ihn zu großartigem Familienkino. Humor kommt in diesem Film nicht zu kurz: Seien es Maleficents sarkastischer Humor und die Kabbeleien mit ihrem Diener Diaval, seien es die durchgeknallten guten Feen, die sich um Dornröschens Erziehung kümmern sollen und dabei kläglich versagen. Damit kommentiert das Drehbuch zugleich ironisch das eigene Genre „Fantasy“, in dem es allzu oft darum geht, der grausamen Realität zu entfliehen in eine Welt voller Wunder, in der alles leicht von der Hand geht.

Der größte Pluspunkt des Filmes ist allerdings die elementar wichtige Spindelszene. Im Märchen habe ich nie so ganz verstanden, wie Dornröschen es geschafft hat, sich doch noch an einer Spindel zu stechen. In den verschiedenen Versionen wird es entweder gar nicht oder halbgar mit einem versteckten Spinnrad erklärt. Die Antwort, die Maleficent bietet, ist die erste überzeugende, die ich finden konnte.

Kurz und knapp: Perfekte Unterhaltung für die ganze Familie: Tiefgang für die Großen, Ironie für die Mittelgroßen, märchenhaftes Vergnügen für die Kleinen. Das lässt mich für die kommenden Star-Wars-Filme hoffen.

5 Kommentare zu „Besprechung: Maleficent

    1. Ich beneide dich. Bei den Serien komme ich gar nicht voran, ich habe es jetzt nach mehreren Wochen durch die zweite Staffel Eureka geschafft, das Staffelfinale fehlt mir immer noch. Ich weiß noch nicht einmal, ob DA bei Prime ist. Lohnt sie sich denn? *gaaaar nicht neugierig ist*

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