Keine Ahnung, wieso ich das Bedürfnis habe, darüber zu schreiben, aber das Thema kam mir beim morgendlichen Kaffee in den Sinn und was mir beim Morgenkaffee in den Sinn kommt, ist potentiell eine gute Idee. Denn beim Morgenkaffee hatte ich bislang nicht nur die Idee, ein paar Gedanken zu Herkunft und Stellenwert von Moral von mir zu gehen, sondern auch, mein Brot selbst zu backen, mein Studium endlich zu beenden, mein Leben zu ändern, sowie mein Leben zu ändern. Ein paar dieser Ideen waren gute Ideen, wieso könnte ich hier nicht auch ein paar kluge Gedanken fabrizieren?

Quelle

 

Warum überhaupt moralisch sein? Weil wir es können, ist keine befriedigende Antwort, denn wir können auch unmoralisch sein. Manchmal überkommt den Betreffenden das Gefühl, dass er sich mit einer moralischen Entscheidung keinen Gefallen tut. Nehmen wir ein harmloses Beispiel: Darf ich bei einer Einstellungsprüfung schummeln? Ich bekomme eine gute Note dafür, die Note sorgt dafür, dass ich eine bessere Chance auf den Job und damit bessere Zukunftsaussichten habe. Andererseits hintergehe ich auch alle anderen Prüfinge, die nicht schummeln, ich schaffe ungleiche Voraussetzungen in einer Situation, die darauf angelegt ist, jedem die gleiche Möglichkeit auf den Job zu geben. Und ich hintergebe meinen zukünftigen Arbeitgeber, der kein Interesse an einer Mogelei hat, weil er es in dem Test explizit verbietet (das sei als Zusatz-Annahme hinzugefügt).
Moral lässt sich nicht aus ihrer Faktizität begründen. Geht man davon aus, dass Moral immer eine gute Sache sei, lässt sie sich dennoch nicht damit begründen, dass sie für gewisse andere Zwecke, ein gutes Leben bspw., dienlich sei. Dadurch wird Moral bedingt und ist nicht das Eigentliche. Das moralische Gebot des „Du sollst (nicht)“ muss unbedingt gebieten, um universell gültig zu sein.

Wenn wir Moral als Teil des evolutionären Programms begreifen, hat Moral den gleichen Stellenwert wie Intelligenz oder der aufrechte Gang. Das evolutionäre Programm dient der Arterhaltung, wenn wir überhaupt von Zwecken in der Natur sprechen wollen. Das Überleben des Subjekts oder gar einer ganzen Gattung wird durch Moral aber nicht notwendig gesichert.
Nehmen wir es hin, dass Moral nur in den meisten Fällen eine gute Sache ist und schrauben unseren universellen Anspruch zurück, können wir sagen, dass unsere evolutionär entstandene Moral doch eine gute Sache sei, laufen aber in das nächste Probelm. Unsere Moral ist zu Zeiten entstanden, als der Mensch in kleinen Stammesverbänden gelebt hat. Sie ist, wenn sie auf Gefühl basiert und nicht das Ergebnis gründlichen Nachdenkens, eine Nahbereichsmoral. Wir retten unser Kind, unseren Bruder, unsere Katze aus dem brennenden Haus, den Nachbarn wahrscheinlich schon nicht mehr. Wir spendieren dem Bettler ein belegtes Brötchen, übernehmen aber keine Patenschaft für ein Kind in der „dritten Welt“. In beiden Fällen greift unser moralisches Programm nur, weil es durch etwas Konkretes und Nahestehendes affiziert wird. Und deshalb ist uns die Lage in Syrien und Eritrea einigermaßen egal, helfen aber den Menschen, die von dort zu uns kommen.
Wer dieses Nahbereichs-Verhalten mit Verweis auf die Grundlage unserer Moral zu rechtfertigen versucht, ignoriert die Konsenquenzen aus der Herkunft seines Moralbegriffes. Moral, als Produkt der Evolution verstanden, muss sich an sich ändernde Umstände, Stichwort globalisierte Welt, anpassen. Da evolutionäre Programme tendentiell langsam ablaufen, hinkt unsere rein evolutionär verstandene Moralentwicklung der Welt hinterher. Mehr noch: Weil sich evolutionäre Programme ändern können, folgt aus der Tatsache, dass wir keine Patenschaft für ein Kind übernehmen nicht unbedingt, dass es in Ordnung ist, dass wir es nicht tun, sondern lässt sich ebenso schlussfolgern, dass wir an unserem Moralprogramm arbeiten sollten. Und damit: Dass sich Moral nicht allein evolutionär begreifen lässt.
Der Weg, unsere moralischen Impulse als gut anzunehmen, rettet uns nicht die Moral, weil Entstehungs- und Anwendungszeit völlig voneinander verschieden sind und sich aus den damaligen Bedingungen nicht ergibt, dass die damalige Moral für heute auch noch taugt. Die Nahbereichsmoral ist vielleicht ein Argument dafür wie stark man dazu verpflichtet ist, jemandem zu helfen und welche Mittel dafür zu ergreifen sind, sie taugt aber nicht zur Abwehr von Ansprüchen einer universell gültigen und globalen Moral. Die Evolutionarität der Moral taugt ebenso als Argument, unsere Fähigkeit zur Moralität mit allen Kräften auszubauen und ihre Ursprünge zu transzendieren. Die Quelle der Moral ist von der Moral allerdings verschieden.
Begreifen wir Moral als universell gültigen Urteilsmodus, unabhängig von unseren evolutionären Voraussetzungen, ist klar: Es ist moralisch falsch, dem Kind die Patenschaft zu verweigern wie es moralisch richtig ist, dem Bettler ein Brötchen zu kaufen. Erst nach dieser Feststellung kann unser moralisches Urteilsvermögen ins Spiel kommen. Das Schicksal des Kindes bleibt abstrakt und affiziert uns nicht so unmittelbar wie der hungernde Mensch auf der Straße. Hier ist auch die Frage nach Aufwand und Nutzen zu stellen: Hinfliegen und Lebensmittel verteilen, obwohl man Frau und Kind daheim hat muss nicht sein. Eine Patenschaft übernehmen schon eher. Aber was ist mit all den anderen Kindern?
Ein wenig schlechtes Gewissen gehört zum Leben dazu. Niemand ist gezwungen (Freiheit!), die Herausforderungen der Moral aktiv zu suchen und zu tun, was sie ihm nur potentiell gebietet. Was uns unmittelbar betrifft hat möglicherweise größere Priorität als Dinge, die weit entfernt von uns geschehen. Aber wir sollten uns zumindest immer wieder aufs Neue fragen, ob wir nicht helfen sollten, wenn wir darauf angesprochen werden. Denn eigentlich wäre es moralisch geboten, aus dieser Welt eine gute Welt zu machen … Auch wenn das meinerseits eine rechtfertigungsbedürftige Setzung ist. Aber mit Biologie und Evolution allein lässt sich Untätigkeit nicht legitimieren. Nur weil uns das Weit-weg nicht affiziert, ist unser Verhalten noch lange nicht moralisch richtig.

Und wegen der universell gebietenden Moral, jenseits von Entfernung, sind Menschen auf der Flucht weder Dramenfiguren noch eine Schwemme.

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