All Time Top 28

Amerdale hat mich auf ein niedliches Projekt von Buchjunkie aufmerksam gemacht, eine Art Lesekanon der Blogosphäre. Da ich Kanonisierung prinzipiell und immer toll finde, dachte ich mir, ich mache dabei mit. Und weil der Aufruf dahin ging, dass wir auch Bücher unserer Kindheit und Jugend berücksichtigen sollten, habe ich mich entschlossen, 28 Bücher für 28 Lebensjahre auszuwählen.

Ich habe dabei in zweierlei Hinsicht gemogelt. Erstens steht nicht jedes Buch für ein Lebensjahr und zweitens habe ich Buchreihen zusammengefasst. Das hat praktische Gründe, denn ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was ich in meinem ersten Lebensjahr gelesen habe und Mutter Zeilenende hat mir nur Horrorgeschichten erzählt, dass Herr Zeilenende Sr. mir zum Einschlafen die Mundorgel rauf und runter gesungen hat. Dass ich ein Schreikind war, das niemals schlafen konnte und bis heute seine charakterlichen Mängel auf frühkindliche Misshandlungen zurückführt, sollte bei dieser Vorstellungen wahrlich niemanden wundern. Was die Buchreihen angeht: Ich kann einfach nicht entscheiden, welches mein Liebling war … Und ich erinnere mich an sie nicht als einzelne Bücher, sondern eben als Reihen.

Hier meine Liste, vollkommen unsortiert, in einem Schwung herunter geschrieben, wie sie mir in den Sinn kamen. Anschließend zwei bis drei Sätze, warum die Titel auf dieser gelandet sind. und weil ich nicht viel Zeit habe, um was zu den heutigen Broten zu erzählen, gibts das denkwürdige Brotbild der Woche irgendwann im Laufe der Woche … Wahrscheinlich am Dienstags-Montag.

Michael Ende – Der Wunschpunsch

Mit Michael Ende verbindet mich eigentlich gar nicht wo viel wie manch anderen Jungleser, aber der Wunschpunsch ist so voller herrlich abgedrehter Figuren (das Bücher-Nörgeli!), dass man nicht umhin kommt, dieses Buch mit dem satanarchä…. genialen Titel zu erwähnen.

Andersens Märchen

Märchen waren für mich wichtig, sind es bis heute, weil Märchen mir das Verhalten von Menschen verständlicher machen. Dabei leistet mir gerade Andersen gute Dienste, weil er nicht nur mit Archetypen, sondern mit Charakteren arbeitet. Grimms Märchen kommen natürlich auch noch, aber Andersens Märchen bedeuten mir noch viel mehr.

Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums

Streng genommen müsste ich sagen: Die Sagen, die mir Herr Zeilenende Sr. erzählt hat, als er endlich begriffen hatte, dass er mir mit seinem Gesang nur Albträume verursacht hat. Achilles, Odysseus und Konsorten haben mich dann wirklich in und nicht um den Schlaf gebracht. Vor ein paar Jahren bin ich darauf gestoßen, dass er mir die Geschichten aus dem Schwab erzählt hat, in seinen eigenen Worten.

Wolfgang Borchert – Draußen vor der Tür

Dazu habe ich ja schon einmal ein paar Takte gesagt.

H. G. Wells – Die Zeitmaschine

Achtung, hier schreibt ein kleiner Nerd. Die Zeitmaschine war mein erster Kontakt zu Science Fiction Klassikern. Mein Lieblingsautor ist zwar Stanislaw Lem, die Zeitmaschine war eben der Einstieg in „mehr als nur Weltall“.

C. S. Forester – Die Hornblower-Romane

Auch dazu habe ich schon ein paar Takte gesagt.

Terry Pratchett – Die Scheibenwelt-Romane

Muss ich das überhaupt weiter kommentieren? Ich bin zwar ein spätberufener Fan, aber umso begeisterter von all dem, was sich meinem Hirn dort an Futter und innovativem Umgang mit dem arg staubigen Fantasy-Genre geleistet wird.

Philip Pullman – Der goldene Kompass

Eigentlich eine Trilogie, aber den zweiten Band fand ich so grottenschlecht, dass ich nur den ersten nennen möchte. Der dritte war wieder super, aber mit der Meinung stehe ich allein da. Dennoch, Der goldene Kompass allein spielt die ganze Narnia-Reihe locker an die Wand.

Anthony Burgess – A Clockwork Orange

Horrorschau! Abgründig, erschreckend, beklemmend, sprachlich faszinierend, spannend und ethisch höchst fragwürdig.

Bertolt Brecht – Das Leben des Galilei

Es gibt das Bonmot, dass es zu jedem Thema ein Nietzsche-Zitat gäbe, für Brecht gilt wohl das gleiche. Ich mag Brecht, weil er moralisch, parteiisch, eindeutig und dennoch nicht platt, sondern sprachlich versiert ist. Und er hat uns bis heute viel zu sagen.

John Stuart Mill – Über die Freiheit

Auf zur Hochkultur! Philosophisch vielleicht nicht sehr gehaltvoll (eher geht die Welt unter als das die angloamerikanische Welt einen gehaltvollen Philosophen hervorbringt), für mich aber immer wieder ein neues Denkangebot und ein Trost, wenn ich einmal wieder an der Welt zu verzweiflen drohe. Eine Streitschrift für mehr Utopie.

Aristoteles – Die Nikomachische Ethik

Ich bin ein handfester Kantianer, aber Aristoteles hat mich mit einigen Denkfiguren, der Vorstellung von Glückseligkeit als praxis und der mesotes-Lehre insbesondere, mindestens ebenso nachhaltig geprägt.

Oscar Wilde – Das Bildnis des Dorian Gray

Ich finde die Vorstellung eines ewigen Lebens in Schönheit durchaus reizvoll, das Bildnis als Korrektiv gebrauchend könnte das ein ausgesprochen erfüllendes Leben werden. Aber mal ehrlich, das Tolle an Wilde oder auch Huysmans sind nicht die moralischen Lehren, sondern die zur Schau gestellte Dekadenz, die einen schwelgen lässt.

Lothar-Günther Buchheim – Das Boot

Ich mag Bücher, die auf Schiffen spielen. Ich überwinde dann sogar meine Abneigung gegen Weltkriegsliteratur. Und dieses Buch ist großartig: Realistisch, beklemmend … und das Ende ist empörend. Ich war eine geschlagene Woche lang regelrecht beleidigt, dass Buchheim es so hat enden lassen, wie es endet. Vielleicht das einzige Buch, das ich je in meinem Leben tatsächlich beschimpft habe.

Robert Heinlein – Starship Troopers

Die Verfilmung ist ohne Frage besser, aber das Buch schlägt das Lied um Längen. Starship Troopers ist düster und provozierend, vor Allem aber ein faszinierendes Stück Military Sci Fi … und davon gibt es leider viel zu wenige.

Joanne K. Rowling – Harry Potter

Allein schon wegen der Wirkung, Milliarden, ach was, Billionen Kinder und Erwachsene zum Lesen verführt zu haben, gehört Potter auf die Liste. Davon abgesehen ist es großartig erzählt und so voller Liebe zur Sprache und ihren Möglichkeiten, dass es wohl eines der großen Werke der Weltliteratur werden könnte.

John Irving – Das Hotel New Hampshire

Lieblingsschriftsteller, Lieblingsbuch vom Lieblingsschriftsteller. Großartig, abgefahren, irre, durchgedreht, traurig, wehmütig, liebenswert.

Lewis Carroll – Alice im Wunderland

Ich finde, Joanne K. Rowling steht in der Tradition von Lewis Carroll, Alice und Harry sind beides Symbolcharaktere und die Autoren verbindet die Liebe an der Sprache. Die Grinsekatze hat mich als Kind schon begeistert, verdient es deshalb, genannt zu werden.

Enid Blyton – Die Geheimnis-Reihe

Noch so eine Sache aus meiner Kindheit. Ich habe die Geheimnisse um diverse Dinge bestimmt pro Geheimnis 20x gelesen, weil sie mich stets fasziniert haben. Ich denke mir manchmal, ich müsste sie nochmal lesen.

Goscinni/Uderzo – Asterix

Noch so was, das ich mehrfach gelesen habe. Ich hatte Phasen, an denen ich pro Tag drei Asterixhefte gelesen habe. Als ich mit allen Bänden durch war, habe ich wieder von vorn angefangen. Ohne Asterix könnte ich heutzutage nicht selbstbewusst mit lateinischen Phrasen um mich werfen.

Felix J. Palma – Die Landkarte der Zeit

Einer der besten Romane der letzten Jahre. Der Nachfolgeband war nicht ganz so stark, aber die Landkarte der Zeit ist eine Liebeserklärung an H. G. Wells, das viktorianische England und an das Spiel mit Fiktion und Realität in der Fiktion.

Stanislaw Lem – Solaris

Mein Lieblings-Sci-Fi-Autor kommt natürlich auch noch auf die Liste. Ich habe eine Weile gebraucht, ein bestimmtes Werk zu benennen, weil Lem schwierig und unzugänglich sein kann. Selbst die abgedrehten Sterntagebücher (ein Highlight der komischen Science Fiction) sind schwierig, wenn man nicht ein paar Grundlagen in Physik mitbringt. Besagte Sterntagebücher sind großartig, Solaris ist aber noch ein Stück besser, auf andere Art: Solaris ist Sprache gewordene Kommunikationsunfähigkeit und deshalb unglaublich beeindruckend.

Jostein Gaarder – Sofies Welt

Damit fing nicht alles an, ich habe das Buch erst während des Studiums gelesen und es hat mir sehr geholfen. Einführungen in die Philosophie sind entweder chronologisch oder systematisch, sowie ideengeschichtlich oder diskursiv. In allen Fällen sind sie ungemein voraussetzungsreich. Nun hatte ich in der Schule Religion statt Philosophie und war gerade zu Studiumsbeginn sehr gehandicapt. Sofies Welt hat mir nicht nur einen Hintergrund für mein Studium geliefert, vor Allem hat es mir geholfen zu verstehen.

Grimms Märchen

Wie versprochen tauchen bei mir auch die Brüder Grimm auf. Das ist ein Klassiker, den man eigentlich nicht begründen muss. Ich lese bis heute gern in einem meiner Märchenbücher, egal ob in der Gesamtausgabe, dem Kindermärchenbuch oder dem Märchenbuch von Mutter Zeilenende. Teils aus psychologischer Neugierde, teils zur Unterhaltung. Vielleicht ist es wie mit religiösen Texten: Im Märchen findet man immer eine Antwort auf die Fragen des Lebens.

Heinrich Hoffmann – Der Struwwelpeter

Noch so ein Kinderbuch, das sich bis heute in meinem Regal gehalten hat. Miau-Mio, Miau-Mio … Suppenkasper, Daumenlutscher, Hans-guck-in-die-Luft … Ich fand das Buch als Kind beeindruckend, weil da so abgefahrene Dinge drin passiert sind. Da lutscht einer am Daumen und ZACK kommt ein Schneider mit ner Riesenschere hinein … Das ist doch Magie, oder? Ich würde das zu gerne von Tim Burton verfilmt sehen.

Jim Davis – Garfield

Ich habe gelegentlich angedeutet, dass ich ein großer Comicfan bin. Nicht unbedingt von Graphic Novels, auch wenn es auch da gute gibt, sondern vom Superheldencomic und vom Comicstrip. Bei Superheldencomics gibt es schlicht zu viel, um einen Titel auf die Bestenliste zu heben und die Reihen haben sich im Laufe der Jahrzehnte so geändert, dass ich eine Reihe nicht nominieren kann. Aber Garfield war immer Garfield und Garfield war immer da: Als Kind, als Jugendlicher, als Erwachsener, morgens am Frühstückstisch, auf langweiligen Bahnfahrten, abends im Bett. Außerdem ist Garfield einer der größten Philosophen aller Zeiten.

Robert Anton Wilson – Illuminatus!

Ich hatte schon vor Dan Brown eine Phase, in der ich gern Verschwörungsgeschichten gelesen habe. Diese durften gern richtig abgefahren sein und die ultimative Weltverschwörung mit Illuminaten, Freimaurern und Reichsflugscheiben behandeln. Der Großmeister dieses Genres ist nach wie vor Wilson und die Illuminatus-Triologie ist in Sachen Abgedrehtheit nur schwer zu überbieten. Dagegen ist Dan Brown, selbst wenn man nur einen Roman gelesen hat und nicht nach Seite 3 weiß, wie der Hase läuft, ein Waisenknabe.

Preston/Child – Die Pendergast-Romane

Auch davon schwärme ich ja gelegentlich, deshalb dürfen sie auf meiner Liste ebensowenig fehlen. Ich habe mich auch schon einmal beklagt, dass sie in letzter Zeit schwächer wurden, aber in der Masse sind die Abenteuer von Special Agent Pendergast und seinen diversen Sidekicks einfach großartig, weil analytische Nüchternheit und mythische Ansätze so großartig miteinander harmonieren und immer die Aura des Geheimnisvollen auf den Fällen liegt. Hinzu kommen spannende Täterjagden und der Mut, auch mal einen wichtigen und liebenswerten Charakter um die Ecke zu bringen.

Ich hoffe, ihr seid mir bis zum Ende treu geblieben. Wenn ihr auch Bock habt, bei Buchjunkie läuft die Blogparade noch bis zum 15.09. und ihr könnt euch beteiligen. Davon unabhängig bin ich auf eure Ansichten zu meinen Lieblingsbüchern gespannt. Habe ich was Substantielles nicht genannt, geht ihr mit meiner Liste d’accord oder findet ihr Starship Troopers so gnadenlos schlecht, dass ihr versucht wart, meinem Blog nicht mehr zu folgen?

14 Kommentare zu „All Time Top 28

      1. Ha…ich Märchenkennerin ich😂😂😂gerade wollte ich dir per Mail das Märchen vom Schatten schicken. ..dabei musste ich feststellen, dass es von Andersen ist.
        Ich bitte um Nachsicht und Gnade.☺

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  1. Sind ein paar schöne Sachen dabei, doch warum „Das Magische Messer“ so schlecht fandest, kann ich nicht verstehen – und der Vergleich zu Narnia passt auch nicht so wirklich, da beide Buchreihen ja komplett unterschiedlich ausgelegt sind (Narnia eben pro-christlich und His Dark Materials religionskritisch).

    Schön auch Preston/Child hier zu lesen. Mag ich auch sehr gerne… 🙂

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    1. Das magische Messer, ja … Ich mag den Protagonisten nicht. Das kann ich nicht weiter begründen, aber er ist mir unsympathisch.
      Der Verweis auf Narnia ist einfach: Pullman begreift His Dark Materials als Gegenentwurf zu Narnia. Du sagst es ja auch selbst: Komplett gegenteilig ausgelegt. Und Narnia ist mir entschieden zu geleckt, kann ich gar nichts mit anfangen.

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  2. Einiges davon habe ich auch gelesen.
    EINES werden ich ganz bestimmt NIE lesen, nämlich Harry Potter….entweder man liebt ihn oder man hasst ihn…ich hasse ihn und ganz besonders den Hype, der darum gemacht wird.

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  3. Aah, siehste, den Wunschpunsch hab ich bei mir vergessen, dabei ist das so ein geniales Buch! Muss ich demnächst mal wieder lesen. Pullman ist bei mir etwas länger her, da müsste ich auch mal wieder reinschauen, Wells steht noch aus, und auch bei Heinlein muss ich noch mal reinlesen. Ich sag ja, solche Bücherlisten sind Gift für den Geldbeutel. :mrgreen:

    PS: Die Sagen des Altertums nach Schwab sind toll, die hab ich auch immer gern gelesen, schon als Heranwachsender!

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    1. Es ist doch immer so, deshalb meide ich viele Buchblogs … Und als ich deine Liste studiert hatte, habe ich meine „muss ich kaufen“-Liste wohlweislich vorher versteckt. Jetzt muss ich sie erstmal wiederfinden *hust*

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