Über Geschenkbücher

Normalerweise ist Donnerstag mein Medien- und Rezensionstag. Ich beschränke mich nicht auf Bücher, vor Allem weil ich dank Kant ja mit der restlichen Lektüre nicht voran komme. Aber ich habe ein kleines Büchlein in die Hand gedrückt bekomme, dessen Sinn ich nicht begreife, auch wenn ich höflich war, mich bedankt und gefreut habe. Deshalb nehme ich mich heute gleich eines ganzen Genres an.

Geschenkbücher sind etwas Anderes als Buchgeschenke. Wer mir Bücher schenken will, kann gegen Zusendung eines ausreichend frankierten Rückumschlages gern eine handschriftliche Buchwunschliste anfordern. So halte ich es auch immer vor Weihnachten. Die ganze Familie schreibt Wunschzettel, Zeilenende schreibt einen Behördenbrief an das Christkind o. V. i. A., in dem er sich selbst preist (man muss dem Christkind manchmal in Erinnerung rufen, dass man sich vieeele Geschenke verdient hat) und legt eine ellenlange Liste mich Buchtiteln bei.

Geschenkbücher, das sind Bücher im Pixie-Format, die leider keine Pixie-, Petzi- oder Connie-Geschichten enthalten, sondern Sinnsprüche und Bilder. Ich frage mich jedes Mal, wer sich über darüber freut und vor allem, wo man diese Bücher aufbewahren soll. Das Format macht sie unbrauchbar für das Bücherregal, wegwerfen will man sie nicht.

Die Größe macht sie zu idealen Bierdeckeln. Man könnte damit also wackelnde Tische ausbalancieren oder Gläser drauf abstellen. Andererseits habe ich immer Panik, der Schenkende kommt zu Besuch und sieht, was ich mit den Büchern anrichte. Deshalb lagere ich sie in einer dunklen Kiste im Kleiderschrank. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto besser erscheint mir die Bierdeckelidee.

Wohlan, welchen Sinn haben diese Dinger also? Vom Niveau her enthalten sie Sinnsprüche aus Glückskeksen, garniert mit einem Big Name, der erklärt warum das Leben schön sei. Das ist nicht bloß die massive Verwendung von Autoritätsargumenten von Seiten der Das-Leben-ist-schön-Gänseblümchenwiesenfraktion (Das Leben ist schön, das sei bemerkt. Aber nicht, weil es schön ist, sondern weil man die schrecklichen Dinge einfach ignoriert. Eigentlich ist das Leben ein furchtbar Jammertal.), das ist spätestens dann irreführend, wenn zum Beleg ein Schopenhauerzitat darin vorkommt.

Das wäre der zweite Punkt, der mich an diesen Brevieren stört. Es ist eine Zusammenrottung von Zitaten, ohne deren Kontext zu berücksichtigen, sie einzuordnen oder das ganze Gedicht, etc. abzudrucken. Ein Poesieband würde mich, bei aller Abneigung der Dichtung gegenüber, viel stärker interessieren. Sinnlos Zitate zusammenstückeln kann ich auch, das habe ich im Studium ausgiebig gelernt. Vielleicht sollte ich mich bei so einem Geschenkbuchverlag bewerben. Ich könnte ein „Das-Leben-ist-ein-Jammertal-und-wir-sind-dessen-Hofnarren“-Buch herausgeben. Großformatig dann natürlich, weil der Titel sonst unlesbar wäre. Zettels Traum von Arno Schmidt schwebt mir als Referenzgröße vor.

Wenn in solchen Werken keine Sinnsprüche stehen, geht es gern um Tiere, in meinem Fall um Ratten, die sich als Katzen tarnen. Naheliegend als Halter von gleich drei verwöhnten Biestern. Bei der Lektüre meines Geschenkbuches beschlich mich allerdings das Gefühl, die Macher solcher Bücher seien allesamt Hundebesitzer. Sie verkennen den Katzenhalter als solchen. Ich zitiere:

Wir passen so gut zusammen, weil wir uns wortlos verstehen.

Es gibt nur wenige Tiere, die schwatzhafter sind als meine Katzen. Morgens sagen sie Mau, mittags sagen sie Miau und wenn sie abends nach Hause kommen, kombinieren sie beide Laute und erzählen lang und breit von dem Mauseloch, das sie in den letzten drei Stunden belauert haben. Diese Schilderungen sind ähnlich episch wie die bei Tolkien.

Deine Katze ist wunderbar, weil sie sich immer zu helfen weiß.

Das ist in der Tat richtig, aber dieses „sich zu helfen wissen“ beschränkt sich auf sehr wenige Routinen. Wenn die Damen etwas tun oder haben wollen, lauern sie zwei Stunden, schlagen dann einmal mit der Pfote, maunzen den Gegenstand ihres Interesses an und rufen zuletzt ihren Dosenöffner herbei, damit er ihnen die Tür öffnet, einen Stuhl frei räumt, sie vom Dach holt, das Katzenklo sauber macht, ihnen zu fressen gibt oder RTL einschaltet, damit sie sich „Familien im Brennpunkt“ anschauen können.

…weil ihr euch gegenseitig Wärme schenkt.

Da ich es bin, der das Feuer im Ofen schürt, stimmt das nicht. Geht es um seelische Wärme, wehren sich die Damen, wenn ich sie bekuscheln will … Es sei denn, ihr Beutezug zum Meisennest war ein einziger Reinfall. Dann sind sie es nämlich, die Trost brauchen. Und dann ist es egal, ob ich lieber lesen möchte, gerade koche oder mit waffenfähigem Plutonium experimentiere. Sie gehen mir so lange um die Beine, bis ich mich um sie kümmere oder über sie stolpere, einen atomaren Holocaust auslöse und mich dann um sie kümmere.

Natürlich liebe ich Katzen, insbesondere meine drei Monster. Aber ich liebe sie nicht für den romantischen Kitsch aus diesen Büchern. Ich liebe sie so, weil sie vollkommen rücksichtslos ihr Ding machen. Ich liebe sie, weil sie so eigensinnig sind, mein Ego nicht gelten lassen. Wann immer ich die Mädels sehe, habe ich das Gefühl, dass ich vollkommen unbedeutend und nichtswürdig bin. Ja, das kann man eine Art von Devotion nennen, es ist aber vor Allem Bewunderung für diese Art des Lebens.

Die Katze ist egoistisch, sie weiß genau was sie will und sie weiß, wie sie andere manipulieren kann, um genau das zu bekommen. Läuft etwas nicht nach Plan, legt sie bewundernswerte Ausdauer an den Tag. Sie ist hartnäckig. Aber sie macht sehr deutlich, dass ihr Dosenöffner ihr eigentlich am … vorbei geht, wenn sie nichts von ihm will. Katzen sind nicht treudoof wie Hunde. Ihre Beziehung zum Dosenöffner kennt nur eine Nummer 1, die Katze. Sie hängt nicht am Rockzipfel, wie Hunde das tun. Wenn man den Menschenvergleich machen will, dann ist die Beziehung zum Hund die zum Kind, die zur Katze ist die zum Mitbewohner. Und das ist es, was es so toll macht, eine Katze zu haben. Oder drei.

Und jetzt werde ich diesen Text bebildert an einen Geschenkbuchverlag schicken, damit sie daraus ein eigenes Buch machen können. Solange niemand auf die Idee kommt, es mir zu schenken, bin ich froh. Wenn ich es doch geschenkt bekomme, stehe ich nämlich wieder am Anfang und muss einen weiteren Beitrag schreiben, in dem ich mich frage, was in drei Teufels Namen ich mit diesen Büchern anfangen soll, weil sie fürs Regal zu groß sind.

3 Kommentare zu „Über Geschenkbücher

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