Welches Grab hätten’s gern?

Ich dachte mir, ich probiere diese Woche mal etwas aus: Jeden Tag ein Beitrag. Mal sehen, ob ich es schaffe, euch genügend interessante Dinge zu liefern. Und mal sehen, ob ich es überhaupt schaffe. Ich brauche fürs Schreiben ja etwas länger und da ich nicht fehlerfrei tippe, brauche ich Zeit zum Korrekturlesen. Aber ein Leben ohne Herausforderungen ist ein langweiliges Leben.

Wie geht man mit alten Männern um? Man konfrontiert sie mit vollendeten Tatsachen. Das wusste ich schon vor meinem Engagement im Seniorenzentrum, denn Herr Zeilenende Sr. ist ein Musterbeispiel für einen solchen alten Mann, zudem ein Musterbeispiel von einem Menschen mit Sozialberuf, nämlich immer darauf bedacht, es allen recht zu machen und deshalb außerstande, eine eigene Meinung zu haben, geschweige denn eine Entscheidung zu treffen. Damit treibt er nicht nur mich, sondern auch Mutter Zeilenende regelmäßig in den Wahnsinn.

Seit Herbst vergangenen Jahres war ein wiederkehrendes Diskussionsthema die Gestaltung des Grabes von Herrn Zeilenende Seniors Eltern. Es sah grauenvoll aus. Die Koniferen, Azaleen, das Efeu und was man sonst so an Unfug auf Ruhestätten pflanzt, in der Hoffnung, es mache wenig Arbeit, waren gewuchert. Das Grab sackte ab und Mutter Zeilenende wird nicht jünger, kann nicht alle zwei Tage gärtnern und gießen gehen. So weit kein Problem, dann kommt halt Kies auf einen Teil des Grabes, macht die Sache pflegeleichter.

Dummerweise hat Herr Zeilenende Sr. einen Bruder, der natürlich auch ein Wörtchen mitzureden hat, auch wenn er sich bloß monetär an der Grabpflege beteiligt. Der ist noch einmalüber zehn Jahre älter als Herr Zeilenende Sr. und ein Ausbund an Spießigkeit. Kies auf dem Grab sei eine moderne Geschmacksverirrung, aber was geschehen solle, sagte er auch nicht. Vorschläge für Alternativen machte er nicht. Den ganzen Winter lang predigte Mutter Zeilenende deshalb, es müsse eine Entscheidung getroffen werden, was mit dem Grab geschehe. Mein Onkel schwieg sich aus, Herr Zeilenende Sr. scheute sich das Thema anzusprechen. Dann im April überraschend die Meldung, Kies sei in Ordnung und wir dürften ans Werk gehen. Wahrscheinlich auch getrieben durch die neu geschaffene Situation. Meine Brüder und ich haben mit Rückendeckung von Mutter Zeilenende das Grab zur Tabula Rasa gemacht: Alles Gestrüpp entfernt und Erde aufgeschüttet. Denn egal ob Neubepflanzung oder Neugestaltung: Das alte Zeug musste runter. So bestand das Grab zwei Monate lang nur aus Erde und zwei Blumenschalen… Und zunehmendem Naturgrün, vulgo Unkraut.

Doch wie nun gestalten? Von April bis Fronleichnam hat Mutter Zeilenende gefragt. An Fronleichnam endlich der Beschluss von Herr Zeilenende Sr.: Wir fahren zum Sightseeing auf den Friedhof. Gebracht hat es nichts, denn es gefiel ihm kein Grab so wirklich; und was ihm gefiel wollte er nicht sagen. Ich habe so meine Zweifel, dass er auch nur im Entferntesten eine Vorstellung davon hat, was er eigentlich will. Aber ich hatte gedroht: Ich habe in der Gärtnerei einen Blaubeerstrauch entdeckt und noch Möhrensamen im Keller. Entweder wir gestalten das Grab neu oder ich benutze es als Gemüsebeet.

Das Grab ist seit Samstag hergerichtet, es fehlt nur noch die Bepflanzung. Sobald diese implementiert ist, gibt es auch eine Dokumentation vom Grabumbau inklusive weiterer amüsanter Schilderungen von Herr Zeilenendes Sr. notorischer Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Vom Sightseeing sind zudem einige Photos (für eine größere Ansicht einfach anklicken) übrig geblieben, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Ist ja auch so eine Art Teaser, was uns im Einzelnen gefallen und nicht gefallen hat.

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Das hier war wohl Herr Zeilende Sr.s Favorit. Hat er aber nicht gesagt.

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Der Klassiker stieß nicht auf viel Begeisterung, bei keinem von uns. Das wirkt reichlich langweilig.

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Das hier als Variante des Klassikers stieß auch nicht auf viel Gegenliebe, obschon es mein persönlicher Favorit war. Ich hätte die beiden Ecken nicht ausgestreut, sondern dort was kleines Krautiges gepflanzt und mit Rindenmulch bedeckt. Dann hätte man ein abwechslungsreiches und pflegeleichtes Gesamtbild schaffen können.

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Aber sämtliche Varianten mit einem Streifen im vorderen Bereich fielen gnadenlos durch, egal wie es abgewandelt wurde.

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Das Ganze gab es auch in quer gestreift, aber die Variante linker Hand ist schwierig, weil das angrenzende Grab (meine Großeltern bewohnen ein Reihenendgrab) dicht anliegt und man nicht so leicht am Seitenstreifen arbeiten kann. Die minimalistische Variante rechter Hand fand ich elegant, war meinen Altvorderen aber offenbar zu gewagt…

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a) …oder zu trostlos, denn nur mit Steinen und Schalen wollten sie auch nicht gestalten. Dabei kann das auch ansprechend wirken kann, wie dieses Grab beweist.

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b) … wie auch dieses hier. Ich hingegen fand das super. Nur weil Friedhöfe was mit Ewigkeit (für 25 Jahre) zu tun haben, heißt das ja nicht, dass man nichts wagen dürfe.

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Am Ende war klar, dass irgendwas im vorderen Bereich geschehen solle, aber bloß kein langweiliger Streifen. Ich war für Dreiecke. Mein Großvater war zwar nicht streng, aber ausgesprochen korrekt. Sonntags wurde z. B. immer im Anzug gefrühstückt. Dreiecke hätten durchaus zu ihm gepasst. Aber aus unerfindlichen Gründen wurde das nicht weiter diskutiert.

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Also lieber Kreise? Haben wir auch im Angebot. Aber bloß nicht mit dem Wurmfortsatz wie im rechten Bild. Und nur vorne etwas? Vielleicht nicht doch noch was anderes? Ach, wir wissen es nicht. Dementsprechend bot der Ausflug in den Baustoffhandel am Samstag genug Stoff für eine ganze Serie an Opern. Was Wagners Ring der Nibelungen ist Zeilenendes Totentanz. Fortsetzung folgt.

21 Kommentare zu „Welches Grab hätten’s gern?

  1. Meine Eltern haben sich für Urnengräber entschieden. Ob eine Platte darauf soll? Vater sagt ja, Mutter will Blumen. Ist doch kein Thema. Nehmen wir Platte mit Blumenmuster. Ich kann dich nicht jede Woche 500 km hin und 500km zurück fahren nur um Blumen zu gießen.

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  2. Ich habe mich für eine See-Bestattung entschieden. Ohne Wasser möchte ich nicht sein. Auch nicht nach dem Tod.

    „In Erde“ kam für mich nie in Frage, denn Würmer ekeln mich unglaublich. Und seitdem ich vor vielen, vielen Monden vor der Entscheidung stand: Grabwürmer (die lilaroten, dicken mit den Ringen drauf) sezieren oder ne schlechte Note kassieren, bin ich vollkommen mit ihnen durch.

    Mein wehrloser Körper als Nahrungsquelle für Würmer und Maden? Niemals.

    Merkwürdigerweise bin ich ein Friedhofsliebhaber. Alte Grabsteine mit ihren Inschriften schaue ich mir zu gern an:

    Der bislang allerallerschönste befindet sich in Nizza:
    https://picasaweb.google.com/lh/photo/sixLlgRsWPOc8wxwfqWg3bPa7wst15WDZB5rWzVz8R0?feat=directlink

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        1. Zumindest in Deutschland besteht weiterhin Friedhofspflicht, Ausnahmen bilden die Seebestattung und diese Waldbestattungen. Aber das gilt auch nur in bestimmten Arealen und man muss vergraben werden. So mein Stand. Aber über anonyme Gräber und Wiesen auf Friedhöfen für minimalistische anonyme Bestattungen hat es sich gelockert.

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        2. Ich ziehe meinen Kommentar übrigens teilweise zurück. Bestattungsrecht ist in D nämlich Ländersache und in Bremen ist das Verstreuen auf ausgewiesenen öffentlichen Flächen und auf privaten Grundstücken erlaubt (solange man den Nachbarn nicht mitbestäubt). Das ist allerdings die Ausnahme von der Regel.

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